Sonntag, 2. September 2012

FILMKRITIK: Berlin-Jerusalem (Israel/Frankreich/Niederlande/Italien/Großbritannien 1989) (9/10)

Alternative Titel: Berlin - Jeruschalajim, ברלין ירושלים, Berlijn - Jeruzalem , ... oder die Geschichte zerstörter Utopien

Regie: Amos Gitai
Produktion: Amos Gitai, Marek Rozenbaum
Drehbuch: Amos Gitai, Gudie Lawaetz
Musik: Markus Stockhausen, Simon Stockhausen
Darsteller: Lisa Kreuzer, Rivka Neumann, Juliano Mer-Khamis, Markus Stockhausen, Benjamin Levi, Vernon Dobtcheff, Veronica Lazare, Bernard Eisenschitz, Raoul Guylad, Yossi Graber, Mark Ivanir, Ori Levy, Keren Mor, Gadi Poor, Bilha Rosenfeld, Danny Roth, Ohad Shahar, Christian Van Aken

Handlung:
Der Film erzählt parallel die Lebensgeschichten zweier wichtigen jüdischen Frauen des 20. Jahrhundert:
Manja Wilbuszewicz Schochat und Else Lasker-Schüler. Manja (Rivka Neumann, Nina´s Tragedies) ist eine russisch-jüdische Revolutionärin, die nach langer Tätigkeit in Europa nach Palästina immigriert. Dort ist sie Mitgründerin eines Kibbutz, wo Differenzen zwischen ihr und ihren Mitbewohnern zu Konflikten führen, unter anderen weil sie der Meinung ist, friedlich mit den benachbarten Arabern zu leben und andere Mitbewohner sie los werden wollen. Else Lasker-Schüler (Lisa Kreuzer) ist Anfang des 20. Jahrhunderts eine der bedeutendsten Poeten des Expressionismus. Sie geniest das Leben mit ihren Sohn in Berlin, bis die Nazis an die Macht kommen. Nach dem Tod ihres Sohns, und dem Verlust ihres Hauses und Berufsverbot, flieht sie eines Nachts kurz nach der Kristallnacht 1938 über die Schweiz nach Palästina. Dort ist das Leben allerdings auch nicht leichter....

Review:
"Berlin - Jerusalem" hat mich wirklich beeindruckt. Bei Filmen von Amos Gitai (Kadosh) mache ich mir normalerweise keine recht grossen Hoffnungen, besonders weil viele seiner Filme recht Ultra-Link sind (er gibt den Staat Israel die alleinige Schuld an den Nahost-Konflikt, und er nennt die Zeit die er in Paris verbracht hat als "Exil", um sich wichtig zu machen). "Berlin - Jerusalem" ist der zweite Film von Gitai´s "Exil"-Trilogie. Die Trilogie des Exils habe ich als Box-Set, ich bestellte es letzten Sommer aus Italien. Die Trilogie beschäftigt sich mit der Rolle der Juden im Exil, unter anderen auch mit einer Low-budget Verfilmung des Buchs "Esther" (Review folgt..).

Der Untertitel ... oder die Geschichte zerstörter Utopien  ist eine Anspielung darauf, dass die Visionen die sich Manja und Else vom Gelobten Land gemacht hatten in die Brüche gegangen sind, nachdem diese sich mit der Realität von damals auseinander setzen mussten. Manja musste die Rivalitäten ihrer Mitbewohner (Kibbutzniks) mit den benachbarten Arabern ertragen, weshalb sie 1930 eine der Mitgründerinnen einer Organisation war, die für den Frieden zwischen den Völkern war. Else schrieb "es ist so viel Hass in diesen Land..", und träumte von einen Vergnügungspark in Jerusalem für Juden und Araber. Leider wurde nichts draus, und sie starb 1945 in Jerusalem an einen Herzinfarkt. Eine Szene, die mich wirklich berührte, war die Szene, in der sie sich von Berlin verabschiedet; am jüdischen Friedhof von ihrem toten Sohn. Während dieser Schlüsselszenen rezitiert Lisa Kreuzer bedeutende Gedichte Else Lasker-Schülers. Danach ist die Szene die in der Kristallnacht spielt. Sie geht an einer Bücherverbrennung vorbei und eines der Mitläufer zeigt auf sie und sagt "da, sie ist eine von denen!" und geht weiter. Amos Gitai hat diese Szenen richtig gut hingekriegt! Auch die Szene in der "Berlin sich verändert". Else ist in eine der schönen Cafés in Berlin mit ihren Sohn, und alles scheint schön und gut zu sein, bis auf einmal Nazi-Schergen reinstürmen und gewaltsam ihre Flyer verteilen.

Zur Geschichte Manjas: Manja war etwas enttäuscht darüber, dass die Männer im Kibbutz nicht so viel für den Haushalt sorgten wie die Frauen (sie setzte sehr auf Gleichberechtigung), und war geschockt wie einige ihrer Mitbewohner die benachbarten Araber vertrieben nachdem ihr Land gekauft wurde.

Letztendlich ist der Film ein wahres Erlebnis. In der letzten Sequens sieht man, wie Else vom Jerusalem der Vierziger Jahre ins Jerusalem der ersten Intifada, die Zeit in der der Film entstand, im Hintergrundton von Nachrichtensendungen in der Welt um den Nahostkonflikt, nachdem ein Gedicht von Else Lasker-Schüler gesagt wurde. Eine Bemerkung daran dass sich seit damals fast nichts geändert hat?

Lisa Kreuzer als Else Lasker-Schüler ist wirklich gut! Sie spielt die Rolle der grossen Poetin richtig authentisch! Rivka Neumann ist auch richtig gut in ihrer Rolle der grossen Pionierin im Aufbau des Staates Israel. Juliano Mer-Khamis (1958-2011) ist ebenfalls gut in seiner Rolle als Kibbutznik.

Auf jeden Fall kann ich diesen Film weiterempfehlen!

Screenshots:

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