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Freitag, 29. Dezember 2023

Bücher, die mich dieses Jahr bewegt haben - 2023 Version (10 Jahre Bücher die mich bewegt haben)

Ja, heute ist es tatsächlich zehn Jahre her, dass ich meine erste jährliche Buchbesprechung machte, und die dann leider von 2017 bis 2021 nicht gemacht wurde, entweder wegen schriftlicher Prüfungen oder Stress wegen der Pandemie. Letztes Jahr habe ich es wenigstens wieder geschafft, und so mache ich es dieses Mal wieder! 

Und wie gesagt, die hier besprochenen Bücher sind trotz der Nummern in keiner bestimmten Reihenfolge! 

1) Wenn du erzählst, erblüht die Wüste, Rafik Schami 

Rafik Schami liebt es, statt als Schriftsteller lieber als Erzähler bezeichnet zu werden - dieser als Erzählband versteckter Roman trifft es auf dem Punkt. 

Im Roman geht es um die arabische Prinzessin Jasmin, die nach dem Tod ihrer Mutter in eine Depression kommt, und durch einer List des verwitweten Kaffeehauserzählers Karam wird dann jede Nacht am Königshof Märchen und Geschichten erzählt, alles vom Volk selber. 

So tauchen wir hinein in einer Vielzahl von Erzählungen, die Unterschiedlicher nicht sein können. 

Jede Nacht ist in einer anderen Kategorie verteilt - so hat jede Erzählung in der Nacht Gemeinsam, dass sie alle ein Thema teilen, so handeln die Erzählungen der ersten Nacht von "Gaunern, Lügnern und deren Widersachern". Die Art, wie die Geschichten erzählt werden, kann oft auch als eine Parodie auf Tausendundeine Nacht verstanden werden, und als Liebhaber von Tausendundeine Nacht kann ich das sehr wertschätzen. Ich würde jedenfalls sagen, dass wenn man ein Liebhaber von Tausendundeine Nacht ist, dann wird man diesen Roman wohl lieben! 

Ich glaube auch, dass Rafik Schami durch diesen Roman in eine ganz neue Ära in seiner Karriere gekommen ist.  

2) Serge, Yasmina Reza 

Im Roman "Serge" von Yasmina Reza geht es um eine sehr dysfunktionale jüdische Familie aus Paris, die nach dem Tod der Matriarchin Marta nach Auschwitz reist, um zu verstehen, was sie damals erlebt hat. 

Der Trip nach Auschwitz vergeht sehr chaotisch, und neben den Shenanigans der Familie und die  Ansichten des Erzählers - der wohl der einzig normale in der Familie ist - sind recht witzig. Ein sehr prominentes Beispiel für schwarzen Humor, wie man ihn nur aus Frankreich kennt. 

Der Roman zeigt allerdings auch, wie schwer es auch in Frankreich für viele jüdische Familien war, nach der Schoa wieder neu anzufangen - und auch, wie viele von ihnen sich an die Mehrheitsgesellschaft anpassen wollten, wie die im Buch verstorbene Matriarchin Marta, die aus einer sehr assimilierten bürgerlichen Familie aus Budapest kam. Im Buch werden hier und da auch einige Vorwürfe an ihr gemacht, dass sie ihren Söhnen die Bar Mizwa verweigerte und sich so schämte, Jüdin zu sein dass sie lieber auf einen katholischen Friedhof beerdigt werden wollte. 

Eine witzige Rand Note ist auch die hier - Marta hatte einen Kalender mit Bildern von Putin, weil er ja ach so süß sei. 

3) Hijack for Freedom, Mark Dymshits 

Ich kaufte und las dieses Buch während meines Urlaubs in Israel letzten Mai. Das Buch sind die Memoiren des ehemaligen sowjetischen Piloten Mark Dymshits, der nach einer langen Karriere bei der sowjetischen Luftwaffe sich bei einer versuchten Flugzeugentführung im Sommer 1970 beteiligte und deswegen für mehrere Jahre in Haft saß. 

Mark beschreibt seine Kindheit und Jugend in Leningrad in den 30´er Jahren und seine Evakuierung 1941, und seiner Leidenschaft vom fliegen. Diese Leidenschaft und seine Karriere in der Luftwaffe lies ihn für lange Zeit die Realität des Jüdisch seins in der Sowjetunion ignorieren, bis zum Jahr 1967. 

Mark macht es klar, dass seine Mitverschwörer und seine Familie wussten, dass die geplante Flugzeugentführung auffliegen würde, allerdings bekamen sie das, was sie wollten - Aufmerksamkeit um das Schicksal der sowjetischen Juden. Mark beschreibt die Jahre in Gefangenschaft sehr lebendig, und sein Glück, als er hörte dass seine Töchter einige Jahre nach der geplanten Flugzeugentführung nach Israel auswandern konnten. 

Das Buch beschreibt auch sehr gut wie assimiliert die Juden in der Sowjetunion schon um 1930 waren, nur 12 Jahre nach der Revolution. 

4) Als ich im sterben lag, William Faulkner 

Oy, das war ein recht eingewickelter, aber dennoch guter Roman. Ein Roman von der Sorte, wo man so gut wie jede der Personen nicht wirklich sympathisch findet. Es geht um die Familie Bundren, die im Mississippi kurz nach der Jahrhundertwende versucht, den Wunsch der verstorbenen Mutter Addie zu würdigen, bei ihrer Familie in der Stadt Jefferson beerdigt zu werden. 

Die Geschichte verläuft chronologisch, wird in über 50 Kapiteln von nicht weniger als 15 Charakteren erzählt. 

Es gibt viele Charaktere, am meisten erzählen der Vater Anse, seine Tochter Dewey Dell, und sein Sohn Darl. Dewey Dell ist eine der wenigen mehr oder weniger sympathischen Charaktere. Wohl auch wegen der tragischen Umstände um ihr eigenes Schicksal, und die Tatsache, dass ihre Schwangerschaft vielleicht von einen ihrer eigenen Brüder gekommen ist. 

Die Geschichte an sich erzählt vom Leichenzug nach Jefferson, und die vielen Strapazen die dort passieren. 
Allerdings muss ich warnen, dass es eine Weile dauern kann, bis man wirklich rafft was eigentlich passiert und man die Charaktere wirklich kennenlernt. 


5) A Kim Jong-il Production, Paul Fischer 
Wie ihr wisst, so finde ich nordkoreanische Filme sehr faszinierend, so auch die Tatsache, dass es auch nordkoreanische Filme gibt, die auch tatsächlich gut sind. 

Eine führende Figur hinter der nordkoreanischen Filmindustrie war von ungefähr 1970 bis zu seinem Tod 2011 niemand anderes als der spätere Diktator Kim Jong-il, der ein großer Hobbycineast war. So sehr, und so enttäuscht war er vom Stand der nordkoreanischen Filmindustrie, dass er Ende der 70´er Jahre den grossen südkoreanischen Regisseur Shin Sang-ok und dessen Exfrau, die Schauspielerin Choi Eun-hee, separat entführen lies. 

Darum geht es in diesen Buch - aber nicht nur über die Entführung, der Jahre in Nordkorea und den Dreharbeiten zu unter anderen Pulgasari, sondern auch um das eigentliche Leben von Shin Sang-ok und Choi Eun- hee - und Kim Jong-il selbst. Paul Fischer hat sehr gut die ganzen Umstände zur Entführung recherchiert, sowie um die Umstände des Kinos im geteilten Korea. Auch wird die Entführung von Japanern und Südkoreanern beleuchtet, sowie die Entführung von anderen Nationalitäten für die bizarren Pläne Kim Jong-ils. Erzählt wird auch über das Schicksal von Woo In-hee, der grossen nordkoreanischen Schauspielerin, dessen Affäre mit Kim Jong-il ihr zum Verhängnis wurde.  

Als ich das Buch las, war es sehr, sehr schwer das Buch von mir zu legen, und ich kann es wirklich jeden weiterempfehlen. 

6) Eine Seuche in der Stadt, Ljudmila Ulitzkaja
Diesen Roman hatte Ljudmila Ulitzkaja schon in den 70´er Jahren als Drehbuch geschrieben, wurde allerdings abgelehnt, da das Thema darin noch nicht bereit war, verarbeitet zu werden in der damaligen Sowjetunion, die noch einige Jahre von den Veränderungen der Perestrojka entfernt waren. 

Im Roman geht es um einen Vorfall in den 30´er Jahren, in der es dem NKDW gelingt, den Ausbruch der Pest zu verhindern, indem sie mehrere Personen die mit dem Patient X in Verbindung waren verhaftet und in Quarantäne versetzt. Bei einigen dieser Leute bricht die Pest dann aus und sie sterben. 

Ljudmila Ulitzkajas kühle Erzählkunst kommt hier sehr gut in Bewegung, und man sieht dass es wohl mit willen schwierig gemacht wurde, sich mit irgendeinen der Charaktere zu identifizieren. 

Wie gesagt hatte Ulitzkaja den Roman in den 70´ern als Drehbuch geschrieben, aber als die Pandemie Anfang 2020 ausbrach, hat sie ihn durchgearbeitet und als Roman umgeschrieben. Die Handlung passte halt wieder in das Zeitgeschehen. Und das in einer Zeit, in der die Realität in Russland dunkler wurde, nicht nur durch die Pandemie und dessen Auswirkungen dort. 

Es war der letzte Roman, den Ulitzkaja vor dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 veröffentlichte, und seit März 2022 wohnt sie nun mit ihrem Ehemann in Berlin. 

Es war sehr schön, wieder Bücher hier besprechen zu können - es fühlt sich irgendwie befreiend an, darüber zu schreiben, wie man beim lesen in eine ganz andere Welt geführt wird. 

Umso schöner das ich es noch nach 10 Jahren noch mache, trotz der Jahre, wo ich es leider nicht tat. 

PS - eigentlich hatte ich geplant, hier auch Masha Gessens Buch über Birobidschan zu besprechen, allerdings im Lichte der Tatsache dass sie sich auf der Seite der Hamas stellt und nun genau so ist wie die Leute, die damals in der Sowjetunion ihre Eltern verfolgten, habe ich keine Lust, sie hierzu promoten. 


Freitag, 31. Dezember 2021

Lebewohl, 2021 - Frohes Neues Jahr!


Nun endet das Jahr wieder. Endlich. 

Ich bin optimistisch, was 2022 betrifft - aber ich bin ja schon ohnehin sehr optimistisch, was dem jüdischen Jahr 5782 angeht. 

Dieses Jahr ging so dermaßen schnell, viel schneller als 2020, dass sich wie eine Ewigkeit anfühlte. 

Ich weis jetzt schon, dass 2022 große Veränderungen auf mich warten - und ich freue mich ehrlich gesagt auf sie. 

So sehr, wie ich mich auf die Veränderungen im Jahr 2014 freute. 

Ich hoffe, dass 2022 für mich das neue 2014 wird. 

Ich muss nun aber leider einen wunden Punkt ansprechen:

2013 fing ich an, über Bücher zu schreiben, die mir in dem Jahr sehr bewegt haben - und somit machte ich es zu einer Tradition. Es kamen diese Rückblicke 2014, 2015, und letztendlich 2016

Und 2017 kam es nicht mehr - das hat einen Grund: 
In dem Jahr hatte ich um die Zeit soviel zu tun beim schreiben meiner Bachelorarbeit, und die musste dann priorisiert werden. Und im darauffolgenden Winter hatte ich noch eine wichtige schriftliche Prüfung, um die ich mich kümmern musste. In dem Winter konnte ich noch über meinen Viva-Moment schreiben, da der Sender am 31/12 2018 zu Ende ging. Und im Winter 2019 - den letzten normalen Winter und letzter Winter der 2010er Jahre - schrieb ich an meiner Masterarbeit. Letztes Jahr schrieb ich wenigstens über den Tag, als ich Silly entdeckte, dem 31/12 2013 auf Vox. 

Eine Sache, die mich allerdings wirklich sehr nervt, ist, dass ich seit der Pandemie aus irgendeinen nervigen Grund nicht mehr soviel lese, wie ich es früher tat - das aber will ich jetzt ändern. 

Lange Rede, kurzer Sinn:

Aber heute ist es Zeit sich von diesen Jahr zu verabschieden - und Zeit, dass neue Jahr 2022 zu begrüßen!

Dienstag, 29. Dezember 2015

Bücher, die mich dieses Jahr bewegt haben - 2015 Version

Endlich kommen wir zu dem Rückblick, auf dem ich mich immer am meisten freue! Der Bücherrückblick. Hier schreibe ich immer über Bücher die mich im Jahr besonders bewegt haben. 2013 fing ich damit an, und folgte dem auch 2014.  Fangen wir an:

1. Das grüne Zelt, Ljudmila Ulitzkaja
"Das grüne Zelt" (Зеленый шатер) ist das Opus Magnum von Ljudmila Ulitzkaja. Der Roman erzählt von den Leben von drei Freunden und drei Freundinnen und deren Umgangs-kreis und Familien. Die drei Freunde sind Ilja Brjanski, Sanja Steklow und Micha Melamid. Ilja wird Photograf und bespitzelt für den KGB, während Sanja später eine Amerikanerin heiratet und auswandert. Micha ist Jude, und leidet unter antisemitischen Anfeindungen des KGB. Die Freundinnen sind Olga Brjanskaja, Galja Poluchina und Tamara Brin. Olga ist Übersetzerin und zweite Ehefrau von Ilja - nachdem sie von seiner Tätigkeit beim KGB erfährt, fällt sie in eine Krise, da sie trotz linientreuer Erziehung immer wieder Samisdat-Literatur im Umlauf brachte. Galja ist Olgas beste Freundin, und toleriert nur die Jüdin Tamara. Tamara ist wie gesagt Jüdin, und erlebt als Kind die Reaktion auf den Tod Stalins und hat als Erwachsene Biologin eine Affäre mit dem bereits verheirateten orthodoxen Juden Marlen Kogan, Michas Cousin. Als sie später Marlen und seiner Familie hilft, nach Israel auszureisen, verfällt sie in eine tiefe Krise, da sie Marlen vermisst - daraufhin fängt sie eine Affäre mit dem Christentum an, und geht Sonntags zur Messe. Alles während der moderneren Geschichte der Sowjetunion, die mit dem Tod Stalins im Jahre 1953 anfängt und mit der Perestrojka endet.

Der Roman der russisch-jüdischen Autorin hat wohl den besten Prolog der je geschrieben wird. Er fängt zu Purim 1953 an, der Tag, wo Stalin starb. Alles gesehen mit den Augen von Tamara Brin, die von der "alten Sprache" der Mutter und Grossmutter redet, und wie die hebräischen Buchstaben Samech und Lamed gebraucht werden wenn diese über Stalin und Lenin sprechen. Die Grossmutter sagt, ihre Tochter solle Süßigkeiten kaufen, da es Purim ist und sie spürt, "Samech sei krepiert":

"Rajetschka, kauf im Jelissejewski etwas Süsses. Heute ist nämlich Purim. Ich denke doch, Samech ist krepiert."
Nachdem dann im Radio bestätigt wird, dass Stalin gestorben ist, fängt Tamaras Mutter an zu weinen - Tamara selbst versteht nicht warum.

Die Figur der Tamara Brin ist ein Ebenbild der Autorin selbst, da Ulitzkaja selbst mal als Biologin arbeitete und eine Zeit lang mit dem Christentum flirtete - und als Kind nicht verstand, weshalb die Menschen um sie herum Stalin betrauerten. Ein sehr guter Roman, bei dem ich ein ganzes Jahr gebraucht habe, um ihn fertig zu lesen.

2. Sophia - oder der Anfang aller Geschichten, Rafik Schami
Dieser ist wohl eines der besten Romane die ich dieses Jahr gelesen habe. Rafik Schami ist ja bekanntlich ein sehr guter Autor, der die syrische Erzähltradition mit der westlichen vermischt, und oft Magischen Realismus benutzt. In diesen Roman verzichtet er auf den Magischen Realismus, und benutzt stattdessen wahren Realismus in form einer Chronik. Eine Chronik, die im Damascus der 40´er Jahre anfängt und am Vorabend des syrischen Bürgerkrieges endet.

Im Damascus der 40´er Jahre verliebt sich der Moslem Karim in die katholische Sophia, die ihn abweist und stattdessen eine arrangierte Ehe eingeht. Als Karim später Opfer einer Intrige wird, rettet Sophia ihm das Leben. Als Sophias Sohn Salman in den 60´er Jahren Widerstand gegen das Regime leistet, flüchtet dieser über Libanon nach Deutschland, bis dieser eine Familie in Rom gründet. In der Zwischenzeit ist Salmans Cousin Elias ein Karrierist beim syrischen Geheimdienst geworden, nachdem dieser in den 60´ern Salman und andere im Widerstand bespitzelt hatte. Im Winter 2010 reist Salman wieder nach Syrien, nachdem seine Mutter bei Elias sichergestellt hatte, dass Salman keine Probleme bekommen würde bei der Einreise. Aber Elias hatte gelogen, und setzt eine Fahndung gegen Salman ein.

Der Roman gibt einen guten Einblick in die Psyche der orientalischen Christen, die damals am Anfang des 20. Jahrhunderts den arabischen Nationalismus begründeten, allerdings von der muslimischen Mehrheit verdrängt wurden. Der Roman erinnert einen dann auch, was für ein Monster Hafez al-Assad war - und sein Sohn Baschar immer noch ist.

3. Unterwerfung, Michel Houellebecq
"Unterwerfung" (Soumission) habe ich hier auf die Liste getan, nicht weil er mich besonders berührt hat, sondern weil er mich irgendwie sehr zum nachdenken gebracht hat. Schon Wochen vor der Herausgabe der deutschen Übersetzung gab es eine regelrechte Hetze in den Medien gegen den Autor - neben der angeblichen rassistischen, Islamfeindlichen Natur des Romans wurden auch immer wieder Michel Houellebecqs Vergangenheit mit der komischen Rael-Bewegung (immerhin haben die Medien so gut wie gar nichts über Günther Grass´ SS-Vergangenheit gesagt).

Der Roman spielt im Frankreich des Jahres 2022, die Hauptperson ist der Akademiker Francois - er wird Zeuge wie der muslimische Politiker Ben-Abbés mehr und mehr Wähler bekommt. Letztendlich wird Ben-Abbés Staatspräsident und ändert die säkulare Verfassung in eine theokratische Sharia-Verfassung. Francois jüdische Studentim Myriam wandert währenddessen mit ihrer Familie nach Israel aus.  Die Gesellschaft verwandelt sich nun in eine Dystopie, wenn auch sehr langsam. Das war´s dann nun von der Handlung - und ich muss sagen, dass ich während des Lesens kein Rassismus feststellen konnte noch eine Verallgemeinerung dass alle Muslime Terroristen oder einfach wegen ihres Glaubens schlechte Menschen sind.

Mir ist, als haben die Linken die so lange gegen Houellebecq gehetzt haben, den Roman wohl gar nicht gelesen haben - und wie ich die kenne, haben die das in Zukunft wohl auch gar nicht vor.

4. Der Schmuggel über die Zeitgrenze, Chaim Noll
 Die Erinnerungen von Chaim Noll - es dauerte eine Weile, bis dieser veröffentlicht wurden. Ich hatte das Buch schon vorbestellt, und erwartete dass es Anfang März veröffentlicht wird. Nun den, Monika Maron war nicht erfreut über das kurze, was über sie erwähnt wurde. Also wurde es geschwärzt und erst im Mai geliefert. Hat mich aber nicht daran gehindert, das geschwärzte vorsichtig zu entfernen. Tja. 
Im Buch erzählt Chaim Noll über seine priviligierte Kindheit und Jugend in geteilten Berlin. Über die Wohnung in Prenzlauer Berg, und die Grundschule, wo er mit Nina Hagen befreundet war. Später ging er auch in einer Klasse mit Tamara Danz. Aber nicht nur über das geht es im Buch - auch über die jüdische Herkunft seiner Familie geht es. So wissen nur sehr wenige, dass Dieter Noll eine jüdische Mutter hatte die den KZ Theresienstadt überlebte. Und nach den antisemitischen Kampagnen der frühen 50´er Jahre hat Dieter Noll diesen Teil seiner eigenen Familiengeschichte verschwiegen - stattdessen wollte er als ehemaliger Flakhelfer gesehen werden, der nun hilft, den Sozialismus aufzubauen.

Hans, Chaims Geburtsname, fühlte sich schon sehr früh zum Judentum hingezogen. Der Bruch mit dem Staat kommt offiziell aber erst, als er Anfang der 80´er Jahre den Wehrdienst verweigert. Danach reist er mit seiner Frau, Sabine Kahane, und deren Kinder in den Westen aus. Ich habe das Buch innerhalb eines Tages verschlungen.

5. Daniel Stein, Ljudmila Ulitzkaja
Das zweite Buch von Ljudmila Ulitzkaja auf dieser Liste, Daniel Stein (Даниэль Штайн, переводчик) Das war ein richtiges Abenteuer....ich bestellte das Buch Ende Mai, und sagte mir dann, ich würde es erst lesen bei meiner spontanen Reise nach Flensburg. Ich war von der ersten Seite gefesselt. Der Roman ist eine literarische Kollage, basierend auf dem Leben von Oswald Schmuel Rufeisen, ein Jude der während des Krieges mehrere Menschen rettete, dann in den Untergrund ging, sich in einem Kloster versteckte und dort katholisch wurde, und Mönch wurde. Nach dem Krieg zog er nach Haifa, in der Nähe seines Bruders und dessen Familie.

Ljudmila änderte die Namen der Personen und hat hier und da ihre künstlerische Freiheit benutzt. Neben den verschiedenen Lebensstadien Bruder Daniels handelt der Roman auch von Ewa Manukjan, eine polnische Jüdin die dank Daniel den Krieg überlebte, und ihrer frustrierenden Beziehung mit ihrer kommunistischen Mutter Rita Kowacz (Dwoire Brin), die seit sie aus Polen nach dem Krieg 1967 nach Israel verbannt wurde in einem Altersheim in Haifa wohnt. Ihre Mutter war während des Krieges Partisanin - nachdem sie Ewa und ihrem Bruder Witek in einer katholischen Waisenhaus lies, setzte sie sich in Stalins Sowjetunion ab - wo sie dann mehrere Jahre im Gulag verbrachte.  Ewa selbst heiratete später einen deutschen Studenten aus der DDR - und wanderte dann mit ihm nach Amerika, wo sie sich dann scheiden ließen. Später macht Ewa sich auf die Suche nach Daniel - und nach seinem Tod macht sie dann selbst Recherchen...

Der Roman erinnerte mich wieder daran, warum ich das Land Israel so liebe. Eines dieser Gründe wird hier gebraucht - die Tatsache, dass jeder seine eigene Geschichte hat. So kommen hier verschiedene Geschichten vor - eine von ihnen ist über eine Nonne aus Vilna, die einen Priester jüdischer Abstammung heiratet und daraufhin mit ihn nach Israel auswandert - und kurz nach der Geburt ihres Sohnes lassen sie ihn beschneiden. Eine andere handelt von einem Refusenik, der nach seiner Ausreise aus der Sowjetunion nach  Hebron zieht und dort eine Familie gründet - und später Helfer von Baruch Goldstein wird...

Alles in allem ein Plädoyer an die Toleranz und dem Frieden aller Glaubensrichtungen, und ein großartiges literarisches Denkmal für Oswald Rufeisen.

6. Die Unamerikanischen, Molly Antopol
Das literarische Debut der amerikanisch-israelischen Schriftstellerin Molly Antopol ist mir in den Osterferien ganz zufällig in Flensburg aufgefallen - ein sehr schöner Zufall!

Wie ich in der Besprechung oben schon erwähnte, liebe ich es, dass jeder in Israel so seine eigene Geschichte hat - aber hier ist es nicht nur in Israel, sondern auch das Amerika der 50´er, der Untergrund gegen die Nazis in Weißrussland, die Tschechoslowakei der 60´er, und andere Orte.

Die Sammlung fängt gut an - ein amerikanischer Jude ist genervt von seiner neureligiösen Tochter und ihrem israelischen Ehemann, und heiratet daraufhin eine ukrainische Jüdin. Auf deren Hochzeitsreise nach Kiew vergessen die auf einmal, dass sie sich lieben.

Der Ton in den einzelnen Erzählungen variiert - manchmal hat sie einen sehr humoristischen Ton, und manchmal ist der Ton ziemlich tragisch - so sollte eine Anthologie auch sein! Das letzte Mal wo ich so sehr eine Anthologie genossen habe war 2010 im Flug nach Miami mit Stephen Kings Just after sunset. Ich freue mich schon auf die kommenden Werke von ihr!

7. Die Kehrseite des Himmels, Ljudmila Ulitzkaja
Die Kehrseite des Himmels (Священный мусор) ist eine Sammlung von Erinnerungen, Gedanken und Essays die Ulitzkaja im Laufe der Jahre seit dem Ende der Sowjetunion geschrieben hat. Der Teil mit dem Hintergrund ihrer Familie ist sehr interessant - wie sie ihren Großvater erst kennen lernte, nachdem dieser aus dem Gulag zurückkehrte und dann einige Jahre danach starb.

Da ist auch ein Essay aus der Zeit, wo Putin gerade an die Macht kam - wo sie schon ihr misstrauen ausdrückt, gerade weil er beim KGB war. Sie hatte recht. Damals konnte niemand vorhersehen, dass er eine Diktatur kreieren würde, die allerdings die Kirche die selbe Rolle gibt wie zur Zeit der Zaren.

Wer Russland wirklich verstehen möchte (ohne die Propaganda der Putinistin Gabriele Krone-Schmalz) muss dieses Buch lesen. Ich finde es ehrlich gesagt gruselig, dass "Progressive" wie die Linkspartei (eine Partei, die ich generell nicht traue) alles was die Diktatur Putins anstellt unterstütz- seltsamerweise sind diese immer sehr still wenn Homosexuelle verfolgt werden und Leute schikaniert werden, wenn diese sich kritisch äußern.

Eine weitere Lesenswerte Stelle ist da, wo sie Auszüge aus ihrem Tagebuch offen legt - aus der Zeit wo sie wegen ihrer Krebsbehandlung in Israel war. Im Tagebuch spricht sie neben den Details zu ihrer Behandlung auch über die Schönheit Jerusalems, als auch über ihre Arbeit an Das grüne Zelt. Laut dem ukrainischen Schriftsteller Andrej Kurkow verbringt Ljudmila Ulitzkaja selbst dieser Zeit mehr Zeit in Israel als in Moskau - hoffentlich endet sie nicht wie Anna Politkowskaja....

8. Ergebenst, euer Schurik
Nun zum letzten Buch auf der Liste hier - "Ergebenst, euer Schurik" (Искренне Ваш Шурик), wieder ein Roman von Ljudmila Ulitzkaja. Ich habe den Roman innerhalb einer Woche gelesen. Es ist ein Roman über die Liebe in der Sowjetunion, mit einem sehr tragikomischen Helden, eine Art Anti-Don Juan.

Die junge Vera Korn verliebt sich im Moskau der 30´er Jahre in den jüdischen Pianisten Alexander Sigismundowitsch Lewandowski, und beginnt mit ihm eine Affäre. Als der Krieg ausbricht, wird Alexander nach Kasachstan evakuiert, Vera mit ihrer Mutter Jelisaweta Iwanowna nach Taschkent. Nach dem Krieg trifft Vera ihn wieder - und zeugt einen Sohn mit ihm. Lewandowski stirbt kurz darauf, und lernt seinen unehelichen Sohn nie kennen. Der Sohn bekommt den Namen Alexander, genannt Schurik.

Schurik wächst in liebevoll-chaotischen Zuständen bei seiner Mutter und Grossmutter auf, und verliebt sich später in die Jüdin Lilja. Lilja wandert dann in der Tauerperiode der 70´er Jahre mit ihren Eltern nach Israel aus. Kurz darauf beginnt er eine Affäre mit der älteren behinderten Matilda an, und wird von der Kasachin Alja angehimmelt. Als Lena, Tochter eines Linientreuen Funktionärs in Sibirien, ein uneheliches Kind von einem afro-kubanischen Studenten erwartet, reist Schurik zusammen mit ihr nach Sibirien und lässt sich mit ihr trauen - ohne dass seine Mutter und Großmutter etwas davon erfahren.

Ein wundervoller Roman über das Leben und die Liebe, dass zum einen wirklich komisch ist und manchmal zum weinen ist.

Das war´s mit den Buchempfehlungen für dieses Jahr, sehen uns nächstes Jahr wieder!

Nachtrag: ich vergas gestern dieses Buch:

9. Jossel Rakovers Wendung zu G"tt, Zvi Kolitz
Wow. Dies ist eine von denen Büchern, die man nach dem aufklappen nicht mehr aus der Hand legen kann. Ich habe das Buch zweisprachig jiddisch-deutsch ganz während meiner Reise im Zug zurück nach Kopenhagen gelesen. Das war eine wahre Achterbahn der Gefühle, mir war beim lesen oft zum weinen! Während des lesen vergas ich ganz die Welt um mich herum!

Der Text des jiddischen Schriftstellers Zvi Kolitz ist ein längerer Monolog eines Gefangenen des Warschauer Ghettos, der um das Geschehen um ihm herum erzählt, und vom Widerstand.

Er redet zu G"tt, und fragt immer wieder, warum das ganze geschieht - letztendlich verliert er trotz der Tragödie nicht seinen Glauben zu G"tt - eine Tatsache, die den meisten Atheisten wohl ein Dorn im Auge ist. Mir war das Buch nach dem lesen noch sehr lange im Gedächtnis - ich finde es seltsam, dass ich nicht vom Buch gehört hatte, bis ich es letztens in Berlin im jüdischen Buchladen nahe der Zentralen Orthodoxen Synagoge fand. Ich hatte im Laden schon ein Gefühl, dass mich dieses Buch nicht loslassen werden würde. Die Ausgabe von Diogenes hat zudem auch faszinierende Zeichnungen von Tomi Ungerer.

Dienstag, 30. Dezember 2014

Bücher, die mich dieses Jahr bewegt haben - 2014 Version

Letztes Jahr machte ich ja eine Liste über Bücher, die mich in dem Jahr bewegt haben. Also dachte ich mir, wieso nicht auch eine 2014 Liste? Also, fangen wir an!

1. Die Insel unter dem Meer, Isabel Allende
"Die Insel unter dem Meer" (La isla bajo el mar) erzählt die Geschichte der Mulattin Zarité, genannt Tete, die als Sklavin des Plantagenbesitzers Toulouse Valmorains aufwächst, und oft von ihn vergewaltigt wird. Geborgenheit erfährt sie nur von seiner sterbenden Frau Eugenia und von der Voodoo Priesterin.

Nachdem mehr und mehr Sklaven aus Afrika nach Saint Domingue eingeführt werden, und diese und deren Nachkommen anschließend die Mehrheit der französischen Kolonie bilden, dauert es natürlich nicht mehr lange, bis sich die Mehrheit gegen die Unterdrücker wehrt. Der Anfang der haitischen Revolution. Zarité flieht dann zusammen mit Valmorain, seinen Sohn und ihre Tochter nach New Orleans. Aber sie muss sich immer noch ihre eigene Freiheit erkämpfen....

Isabel Allende ist eine fantastische Schriftstellerin. Ihre Art zu erzählen ist wahrhaftig einzigartig, und man kann sie auch mit keinen anderen Autor der Welt vergleichen. Wie man hier sieht, hat sie sehr lange über die Zeit der französischen Kolonie Saint Domingue recherchiert, und um die Umstände der Revolution, die zur Unabhängigkeit Haitis führten. Neben der Tatsache, dass diese Zeit im Roman beim lesen so unglaublich lebendig wird, passt hier auch wieder der für Isabel Allende so typische magische Realismus ins Bild. So hat Zarité auch Begegnungen mit Loas, den Geistern im Voodoo Glauben.

2. Amon - Mein Grossvater hätte mich erschossen, Jennifer Teege
Jennifer Teege wird als Tochter einer Deutschen und eines Nigerianers geboren, und wird kurz nach ihrer Geburt adoptiert. Sie hat eine schöne Kindheit und Jugend, und lebt später auch mehrere Jahre in Israel. Recht spät, inzwischen verheiratet und hat Kinder, erfährt sie die dunkle Seite ihrer Familiengeschichte: ihr Großvater war Amon Göth. Ein Nazi, der mehrere Leben auf dem Gewissen hat - die Darstellung seiner Morde in "Schindlers List" werden viele fürs Leben nicht vergessen.

"Mein Großvater war ein Psychopath, ein Sadist. Er verkörpert all das, was ich ablehne: Was muss das für ein Mensch sein, dem es Freude macht, andere Menschen möglichst einfallsreich zu quälen und zu töten? Ich finde keine Erklärung dafür, warum er so wurde. Als Kind schien er noch ganz normal..."

Ich finde es faszinierend, wie Jennifer Teege diese Fragen auf die Spur geht - wir erfahren hier über das Leben Amon Göths vor seiner NSDAP Zeit. Nebenbei erzählt sie auch über das Leben ihrer leiblichen Mutter - die den Kontakt zu ihr nicht wünscht. Und auch über Jennifers Zeit in Israel, und den vielen Begegnungen die sie dort hatte. So hat sie dort zum Beispiel für Holocaust-überlebende auf deutsch vorgelesen.

Ich fing das Buch im November 2013 an, auf dem Weg von Hamburg nach Flensburg, und las das Buch dann im Januar dieses Jahres fertig. Ein sehr persönliches Buch, das ich jeden weiterempfehlen kann.

3. Bekenntnisse, Nina Hagen
Die Autobiografie Nina Hagens - hier beschreibt sie schonungslos, und in ihrer eigenen Sprache, über ihre frühe Kindheit im DDR der 50´er Jahre, der Scheidung ihrer Eltern, wie sie von ihrer Mutter vernachlässigt wird, ihrem persönlichen Wandel durch Wolf Biermann, von ihrem Start der Gesangskarriere und ihrer Zeit nachdem sie die DDR verlässt.

Ich liebe es, wie sie auf ihre eigene schrille Art die Dinge beschreibt, und doch ganz ernst bleibt. Es gibt wohl auch einen Grund, weshalb ich ein großer Fan von ihr bin. Es muss auch gesagt werden, dass einige Passagen, wie zum Beispiel wenn es um Sachen wie die Scheidung ihrer Eltern oder wie Kalt ihre eigene Mutter zu ihr war, einen die Tränen kommen. Auch, wie sie mit ganz einfacher Alltagssprache die Parteibonzen der SED und die Stasi beschreibt - das macht auch total spass! Zudem habe ich erst hier durch das Buch den recht zweideutigen Text von "Du hast den Farbfilm vergessen" verstanden.....oh mein G-tt, wie kann es sein, dass mir das vorher so nicht richtig aufgefallen ist? Naja, jetzt weis ich es wenigstens.

4. Das Geisterhaus, Isabel Allende
Ein Klassiker der lateinamerikanischen Literatur - auch ein Buch, das man lesen muss, bevor man stirbt. Der Roman beschreibt die Geschichte der chilenischen Familie Trueba, wie sie die turbulenten Jahre des 20. Jahrhunderts übersteht und die verschiedenen Tragödien innerhalb der Familie.

Im Mittelpunkt steht die Matriarchin der Familie, Clara del Valle Trueba, die schon als Kind Zeichen übernatürliche Kräfte (und Autismus....) aufzeigt. Nachdem sie den Tod ihrer grossen Schwester vorhersieht, und kurz Zeugin ihrer Autopsie ist, schweigt sie für Jahre. Esteban Trueba, der ehemalige Verlobte ihrer Schwester, hat es inzwischen zu Reichtum gebracht - und ist inzwischen zu einem Sadisten angereift, der seine Bediensteten peinigt, und eine Magd vergewaltigt hat. Als er zur Beerdigung seiner Mutter in die Hauptstadt zurückkehrt, sieht er Clara wieder, und verliebt sich in sie. Als er um ihre Hand anhält, spricht sie wieder, und die beiden heiraten. Inzwischen zeigt seine Schwester Ferula Interesse an Clara - und Clara sieht dann in einer Vision den Tod ihrer eigenen Eltern voraus.

So viel zur Handlung - ich habe hier versucht, so wenig wie nur möglich zu spoilern. Der Roman ist eine wahre Wucht, und machte Isabel Allende über Nacht berühmt. Der magische Realismus ist hier auch wieder fantastisch beschrieben worden.

Zur Review von der Verfilmung von Bille August, hier.

5. Das Mädchenorchester von Auschwitz, Fania Fénelon
Es ist nicht selten, dass ich einen Roman lese, der einen unglaublich zu Tränen berührt. Besonders nicht, wenn es ein Tatsachenroman ist. "Das Mädchenorchester von Auschwitz" sind die Memoiren der französisch-jüdischen Chansonsängerin Fania Fénelon, die sie aus ihren damaligen Tagebuchaufzeichnungen basierte.

Das Buch beginnt mit ihrer Befreiung aus Bergen-Belsen, wo sie dann für die BBC singt - in dem Moment erfuhr ihre Kusine in London dass sie noch lebt. Danach wird kurz von ihrem Leben vor dem Krieg erzählt - sie wuchs als Fania Goldstein im Paris der 20´er und 30´er auf, und studierte Musik - ihre Ehe mit einem Nichtjuden wurde vom Kriegsausbruch unterbrochen. Sie schließt sich der Resistance an, und singt unter dem Pseudonym Fania Fénelon in einer Bar in der Nacht. Schließlich wird sie verraten, und nach Auschwitz deportiert. Nachdem sie mit ihrer Gesangsstimme überzeugt, wird sie ins Mädchenorchester verlegt, dass von der österreichischen Jüdin Alma Rosé geleitet wird. Sie wird dort mit dem Rassismus der deutschen und polnischen Aufseherinnen konfrontiert, sowie mit den verschiedenen Rivalitäten ihrer Mitinsassinnen, und sogar mit diversen lesbischen Liebschaften.

Schonungslos berichtet sie von der Unmenschlichkeit im Lager. Sie beschreibt auch, wie einige ihrer Mitinsassinnen anfangen, die Musik wegen ihrer Situation zu hassen. Das Buch wurde von ehemaligen Mitinsassinnen wie Anita Lasker-Wallfisch wegen der negativen Darstellung von Alma Rosé kritisiert, allerdings sehe ich in der Darstellung nicht so viel negatives, wie von vielen behauptet wird. Ich werde mir 2015 mal die Memoiren von Anita Lasker-Wallfisch durchlesen.

Triviales: in einen Film über das Mädchenorchester wurde Fania Fénelon von der Antisemitin Vanessa Redgrave gespielt, die dafür sogar einen Oscar gewann. Fania Fénelon war schockiert über die Wahl des Regisseur, von Redgrave dargestellt zu werden und ging in einem Interview auf sie los. Gut, sage ich da nur, gut.

6. Die Synagoge, Chaim Noll
Letztes Jahr verschlang ich Chaim Nolls Novellensammlung "Kolja" binnen eines Abends. Deswegen überraschte es mich nicht, dass ich diesen Roman auch so schnell verschlang.

Der Roman spielt in einer kleinen israelischen Stadt in der Negev-Wüste. Der Mittelpunkt der Handlung ist die Namen-gebende Synagoge, die von einer syrisch-jüdischen Großfamilie gespendet wurde, als "Wiedergutmachung" für einige Skandale. Dort kommt es allerdings Anfangs nur selten zu einem Minjan am Schabbat; im Roman treffen wir verschiedene Menschen der Stadt, wie die gemischte Cane Familie, das deutsche Paar Abi und Livia, Orit Weissgold, dem Engländer Paul oder die junge Yael.

Nach einiger Zeit kommt es in der Synagoge am Schabbat wieder zum Leben, und die meisten sind damit zufrieden. Aber nicht alle sind damit zufrieden - so stiehlt der linke Wehrdienstverweigerer Holly, Sohn der Canes, eines Nachts eine Torahrolle und setzt die Synagoge in Brand. Währenddessen beginnt seine Exfreundin Yael eine Beziehung mit seinem älteren Bruder Adam...

Ja, ich versuche hier nicht so viel zu verraten, es gibt im Roman hier sehr viele Subplots und Charaktere - ich will ja auch nicht so viel spoilern.

Beim Lesen konnte ich mir nu zu gut die beschriebene Stadt in der Negev vorstellen - ich habe mich im Sommer so sehr in die Negev verliebt, dass ich zum Wüstenmensch geworden bin. Mir gefällt neben Nolls sehr menschlichen (an Anna Seghers erinnernden) Erzählkunst auch, wie er die verschiedenen Charaktere einführt - die Charaktere gehen einen sehr schnell zu Herz, und sie kommen einen sehr real vor. Sie stellen sehr gut die Vielfältigkeit der israelischen Gesellschaft da.

7. Weiter leben - eine Jugend, Ruth Klüger
Ruth Klüger erzählt hier schonungslos über ihre Kindheit und Jugend - vom Wien der 30´er Jahre, bis hin zum KZ-Aufenthalt mit ihrer Mutter.

Beim lesen kamen mir (im Zug!) mehrmals die Tränen - und das vom ersten Kapitel an. Das passierte mir erst wieder in diesem Monat, als ich Das Mädchenorchester von Auschwitz las.

Im Buch setzt sich Ruth Klüger auch sehr schonungslos mit der "Erinnerungskultur" auseinander, und es brachte mich auch sehr zum nachdenken. So erwähnt sie wie der Ausnahmefall vom KZ Buchenwald, wo ein jüdisches Kind von politischen Häftlingen versteckt und somit gerettet wurde, so dargestellt wird als ob es keinen Unterschied gab zwischen den jüdischen, Sinti & Roma und politischen Gefangenen. In der DDR wurde die Verfilmung ("Nackt unter Wölfen", Review folgt)  der literarischen Aufarbeitung (wo der Autor, der selbst in Buchenwald war, sehr viel zum Gunste der SED ändern musste, um es veröffentlichen zu können) schon beinahe zu propagandistischen Zwecken missbraucht, wo das Kind nicht im Mittelpunkt war, sondern nur der antifaschistische Kampf hervorgehoben wurde.

Hierzu erwähnt Klüger, dass viele der politischen Häftlinge selbst Antisemiten waren.

Über diese Dinge habe ich nicht gedacht, bevor ich dieses Buch las. Das Buch wurde mir im Sommer von Chaim Noll empfohlen.

Wie ich schon letztes Jahr sagte, so kann ich jedes der Bücher hier empfehlen!

Nun bin ich gespannt, was ich 2015 so lesen werde. 

FILMKRITIK: The Devil & the Song (Südafrika 1989) (2/10)

Regie: Bromley Cawood  Produktion: P.G. du Plessis, Albie Venter, Frederik Botha Drehbuch: P.G. du Plessis Musik: Bles Bridges Darsteller: V...