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Sonntag, 29. Dezember 2024

Bücher, die mich dieses Jahr bewegt haben - 2024 Version

Es ist wieder Zeit, hier Bücher zu besprechen, die mich dieses Jahr bewegt haben. Letztes Jahr war es 10 Jahre her, dass ich damit angefangen habe, aber dann gab es nichts in den Jahren 2017-2021, aus diversen Gründen. 

Und wie immer, trotz der Nummerierung, ist dies keine Reihenfolge. 

Fangen wir also an. 

1) Medea und ihre Kinder, Ljudmila Ulitzkaja 

Dies ist einer von Ljudmila Ulitzkajas ersten Romanen, und schon hier konnte man merken, was für eine gute Schriftstellerin sie ist. 

Der Roman ist ein Familienroman zentriert um Medea Sinopli, eine pontische Griechin aus Feodosija auf der Krimhalbinsel, und einen Sommer bei ihr in einem Sommer in den 80er Jahren. Sie ist eine Witwe, und obwohl sie und ihr verstorbener jüdischer Mann selbst nie Kinder bekamen, betrachtet sie ihre Nichten, Neffen und deren Kinder als ihre Kinder, und sie ist auch das einzige, was diese Familie zusammenhält. 

Der Roman ist zudem nicht in chronologischer Reihenfolge erzählt, man erfährt von der Ankunft diverser Familienmitglieder in Feodosija, und dann hört man ihre Lebensgeschichte. Es werden dann zudem hier und da einige Dinge erwähnt, die einen zuerst ziemlich trivial vorkommen, bis man dann später wieder mit diesen Dingen konfrontiert wird und man dann einsieht, wie dies gut im Text vorher angedeutet wurde. 

Der Roman wirkt zudem heute, zehn Jahre nach der illegalen Annektierung der Krim im Frühjahr 2014, zudem in einem ganz anderen Licht als zu der Zeit, in der Ulitzkaja den Roman schrieb. Im Vorwort erinnert sie daran, dass die Krim zu Sowjetzeiten ein sehr beliebter Urlaubs- und Kurort war, und sie selbst viele schöne Erinnerungen von dort hat. 

Ich würde auch sagen, dass der Roman ein literarisches Statement für eine nun längst vergangene Zeit auf der Krim ist, und dass nicht nur wegen der Zeit vor der Revolution 1917. Es wird auch die Vertreibung der Krimtataren 1944 angesprochen, und wie viele Establishments dort in den darauffolgenden Jahrzehnten nicht an Krimtataren vermieten wollten - oder durften. 

In Medeas Familie sieht man außerdem wie die pontischen Griechen in andere Nationen der Sowjetunion einheirateten, unter anderen auch Armenier und Koreaner. 

Ein kleines Detail am Anfang des Romans dass ich sehr amüsierend fand war dieses: So besucht Medea das Grab ihres verstorbenen Mannes, der - obwohl er jüdisch war, auf dem griechischen Friedhof lag - als Parteimitglied natürlich einen Stern auf dem Grabstein hatte. Diesen Stern hatte Medea dann später so verändert, dass er wie ein "Weihnachtsstern" aussah. 

2) unterwegs verloren, Ruth Klüger 

Vor zehn Jahren habe ich Ruth Klügers Erinnerungen über ihre Jugend in den Zeiten der Verfolgung und des KZ, weiter leben, hier besprochen. Das Buch endete mit der Migration mit ihrer Mutter, mit der sie ein ziemlich ambivalentes Verhältnis hatte, in die USA. 

Hier geht es dann um die Jahre danach, in den USA. Von ihrer Liebe zur deutschen Sprache und Literatur, und ihrer gescheiterten Ehe mit einem etwas älteren deutsch-jüdischen Einwanderer, und ihr später ebenfalls entfremdetes Verhältnis zu ihren Söhnen und auch dessen Familien. 

Wie in ihren ersten Erinnerungen erzählt sie alles sehr schonungslos und ohne jegliche Sentimentalität, und man kann wirklich verstehen, wieso sie so fühlte. 

Einen Punkt im Buch den ich als sehr interessant fand, war der hier: Als sie damals "weiter leben" geschrieben hatte, schickte sie es - unter anderen - zuerst zum Jüdischen Verlag Suhrkamp, wo es dann abgelehnt wurde, weil es nicht "literarisch genug" war. Kurze Zeit danach trifft sie dann den damaligen Verlagschef, der ihr das damals neu erschienene Buch Bruchstücke von "Binjamin Wilkomirski" gab, und sagte "so schreibt man eine Erinnerung an die Schoa" (oder so ähnlich). Kurze Zeit später kam jedoch heraus, dass das Buch eine reine Fabrikation war, und dass "Binjamin" eigentlich ein Schweizer Nichtjude namens Bruno Dösseker ist der mit dem Buch einige Kindheitstraumen aus der ländlichen Schweiz verarbeitete, indem er sie im Mantel der Schoa kleidete. Somit war er einer der ersten prominenten Kostümjuden. 

Und hier frage ich mich dann, warum müssen Erinnerungen wie die aus der Schoa den "literarisch" sein, wenn diese die Erinnerungen der Person wiedergeben zum Zwecke der Erinnerung sind, damit diese Zeit nie vergessen wird?

Und so wie der Vorgänger ist "unterwegs verloren" sehr kritisch gegenüber der "Museumskultur" der Schoa. 

Ruth Klüger war eine gute Schrifstellerin. Sie starb im Herbst 2020 im Alter von 88 Jahren in ihrem Zuhause in Kalifornien. 

3) Briefe nach Breslau, Maya Lasker-Wallfisch

Ich habe vor 9 Jahren das Buch ihrer Mutter, Anita Lasker-Wallfisch´s "Ihr sollt die Wahrheit erben" gelesen, und war auch wirklich von dem Buch bewegt. (Warum ich das Buch allerdings dann nicht im Post von 2015 erwähnte, weis ich nicht) 

Maya Lasker-Wallfisch´s Buch ist eine Erinnerung an ihr eigenes Leben als Tochter von Überlebenden, und ihre Briefe an ihre verstorbenen Grosseltern und ihrer in Israel verstorbenen Tante, nach der sie benannt wurde. 

Interessant ist, das bei Kindern von Überlebenden sehr oft das Trauma an das erste Kind weitergeleitet wird, im Falle von Maya allerdings wurde das Trauma an ihr, das zweitgeborene Kind, weitergegeben, und nicht an ihren grossen Bruder Raphael. 

Sie erzählt auch, wie sie in die Drogenfalle hereinfiel, dann in eine Beziehung mit einem Jamaikaner kam, der dann ebenfalls in diese Falle kam, und wie sie dann zurück nach England kam, wo sie dann in den Entzug kam und dann wieder ihr Leben beginnen konnte - aber das erst wieder nachdem sie in einer Beziehung mit einem von der Entzugsklinik war, der dann leider wieder in diese Falle fiel. Ich würde diesen Teil des Buches jeden naheliegen, der selbst mit Drogen zu kämpfen hat, denn das ist nichts zum spaßen und kann das Leben zerstören. 

Maya erzählt auch, wie im Haushalt ihrer Eltern nichts jüdisches war - keine Besuche in der Synagoge (eine Tatsache, die ihre Mutter Anita in ihrem eigenen Buch bereute), kein Sederabend zu Pesach, nichts. Maya kam erst mit dem Judentum in Berührung, als sie den Sohn des konservativen Rabbiner Louis Jacobs (1920-2006) heiratete. Diese Ehe hielt auch nicht ewig, aber sie bekam da durch endlich etwas Stabilität in ihr Leben und wurde Mutter. 

Sie erzählt auch von ihrer Reise nach Breslau und Auschwitz mit ihrer Mutter, und wie genervt ihre Mutter von den Filmaufnahmen während der Reise war. 

Das Buch ist jedenfalls sehr gut und geht auch rein in die Psyche von der zweiten Generation der Überlebenden. 

4) Die Schleierkarawane, Ismail Kadare 

Letzten Sommer hatte ich endlich die Gelegenheit Ismail Kadares Novellensammlung "Die Schleierkarawane" zu lesen, und war wirklich erstaunt, wie gut es war - vor allem die erste, Titelgebende Erzählung. 

Kurz nachdem ich den Band gelesen hatte, verstarb Ismail Kadare in Tirana am 1. Juli im Alter von 88 Jahren. 

Nicht, dass ich je was schlechtes erwartet habe, nur ist mir dann aufgefallen wie gut es geschrieben war und wie gewagt der Text war, wenn man weis, dass es in der Spätzeit des stalinistischen Diktators Enver Hoxha (1908-1985) geschrieben ist. Es muss hier gesagt werden, dass Hoxhas Albanien so zusagen das Nordkorea von Europa war, und das jegliche Religion sowie Kritik an dem System verboten war. Und deswegen verlegte Kadare seine Werke meist in die Zeit des Osmanischen Reiches, zu der Albanien mehrere hundert Jahre gehörte, und in der Zeit wurde der Islam auch die vorherrschende Religion des Landes. Hier muss auch gesagt werden, dass Kadare selbst - obwohl in eine muslimische Familie reingeboren - Zeitlebens nie viel vom Islam hielt, dem Christentum jedoch sehr positiv eingestimmt war. Trotz dessen ist er selbst nach dem Zusammenfall des Kommunismus nie (offiziell oder offen) zum Christentum übergetreten. 

Die Kritik am Islam - beziehungsweise der Verschleierung - ist sehr deutlich in der ersten Geschichte, in der ein Gesandter aus Konstantinopel, Hadschi Milet, in den Balkan geschickt wird, um dort den Schleier an den lokalen Frauen nahezulegen. Die Suggestion Kadares ist, dass der Schleier nicht dort hingehört, und dass bekommt der Hadschi Milet auch gut zu hören, auch nach dessen ersten Kontakt mit dem Christentum. Bei seiner Rückkehr wird er wegen diesen Zweifeln, die er wohl im Schlaf ausspricht, von den Machthabern bestraft. 

Die Kritik an das stalinistische System Enver Hoxhas ist hier besonders klar. Überraschenderweise wurde es damals, ein Jahr vor Hoxhas Tod, dennoch veröffentlicht. 

Mehr möchte ich nun nicht verraten. 

5) Der Ausflug der toten Mädchen, Anna Seghers
Diese Novellensammlung von Anna Seghers las ich zum ersten Mal im Dezember 2011, in der Zeit, in der ich sie erstmals entdeckte. In der Zeit war ich auch ziemlich glücklich, der einzige in meiner Klasse zu sein, der wusste wer sie und Isaac Bashevis Singer waren. 

Letzten Frühling habe ich mir den Band wieder durchgelesen, und es ist genau so gut wie damals - ich lese es jetzt auch mit ganz anderen Augen, da ich jetzt auch viel mehr vom Leben weis, als mit 17 Jahren. 

Wie dem  auch sei, die titelgebende Novelle ist eine Erinnerung an einem Ausflug einer Mädchenschule in Mainz kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Die Erzählerin Netty - also wohl die Autorin selbst, die eigentlich Netty Reiling-Radvanyi hieß - im mexikanischen Exil denkt an diesen Ausflug zurück, und über ihre Mitschülerinnen, die sich später entweder gegen das Naziregime wendeten, oder Mitläufer wurden, die dann ihre geehrte alte Lehrerin als Judensau beschimpften. Die Novelle ist somit ein sehr gutes Spiegelbild der Schicksale des 20. Jahrhunderts. Die "toten Mädchen" im Titel selbst sind zweideutig, denn entweder ist es so, dass die später nicht mehr dieselben waren, die sie zur Zeit des Ausflugs waren, oder sie wurden entweder vom Naziregime ermordet oder kamen mitsamt ihren Familien bei den Bombardierungen des Krieges um. 

Meiner Meinung nach ist dies wohl die beste Erzählung Anna Seghers, und es ist schade, dass selbst heute nicht soviel darüber geredet wird, wie zum Beispiel Das siebte Kreuz oder Transit. 

Ich möchte hier zudem noch eine weitere Novelle aus dem Band erwähnen, "Post ins Gelobte Land", die wohl jüdischste Geschichte die Seghers je geschrieben hatte. Die Novelle ist meiner Meinung nach auch ein Statement dafür, dass ein Jüdischer Staat notwendig ist - und hier muss man bedenken, dass Anna Seghers später in der DDR, in den Jahren 1967 und 1973 sich weigerte, Israel als faschistischen Staat zu defammieren, da sie zeitlebens eine stolze Jüdin blieb. Die Tatsache, dass das Gebetbuch aus ihrer Kindheit und Jugendzeit in der Schublade neben ihrem Bett lag, sagt wohl da so einiges aus. 

Das sind also die Bücher, die mich dieses Jahr so bewegt haben. 

Donnerstag, 29. Dezember 2022

Bücher, die mich dieses Jahr bewegt haben - 2022 Version

Heute vor 9 Jahren habe ich meine erste jährliche Buchbesprechung geschrieben, und das habe ich dann jedes Jahr gemacht bis 2017, wo ich es zum ersten Mal nicht gemacht habe wegen einer schriftlichen Prüfung, und so war es dann leider auch 2018, 2019, und 2020 und 2021 machte ich es leider nicht da ich wegen Stress nicht viel gelesen habe. 

Letztes Jahr habe ich allerdings geschworen es wenigstens dieses Jahr zu machen, und so mache ich es heute. 

So viel habe ich dieses Jahr nicht gelesen, aber es ist genug, um es hier zu besprechen! 

Und wie immer, obwohl diese hier nummeriert sind, sind sie nicht in einer bestimmten Reihenfolge. 

1) Psalm 44, Danilo Kiš

Ein recht einzigartiger Roman über eine Flucht aus Auschwitz im Winter 1944. Dies ist der erste Roman von Danilo Kiš, den ich gelesen habe, und wie ich im Nachwort des Buches lesen konnte war dies das einzige Mal, in der Danilo eine Frau zur zentralen Figur eines Romans machte. 

Im Roman treffen wir die junge serbische Jüdin Maria, die in Auschwitz heimlich einen Sohn, Jan, zur Welt brachte, und hofft, bald auf seinen Vater, Jakob zu treffen. Jakob ist Arzt, und wird gezwungen den deutschen Arzt Dr Nietzsche bei seinen Experimenten zu assistieren. 

Im Roman gibt es dann auch mehrere Rückblicke auf Marias Leben, zum Beispiel zu ihrem ersten Erlebnis des Antisemitismus, einige Jahre vor Kriegsbeginn, und wo ihr betrunkener Vater sie dann eine kleine Lektüre gibt und ihr sagt, sie solle sich mit dieser Realität abfinden, da die Dinge halt einfach so sind. Der Vater von Maria ist wie Danilos eigener Vater ein ungarischer Jude. Ein weiterer Rückblick ist zu Marias Erlebnis vom Massaker von Novi Sad 1942, und wie sie dann kurz darauf deportiert wurde. 

Es ist wie gesagt ein recht einzigartiger Roman, der von Anfang an auch eine Spannung hat. Ich kann ihn jedenfalls weiterempfehlen. 

2) The Sabbath, Abraham Joshua Heschel

Abraham Joshua Heschel war ein konservativer Rabbiner aus der Zeit des Goldenen Zeitalters den amerikanischen Konservativen Judentums

Er selbst stammte aus Polen, und studierter auf der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums, und war später auch Aktiv in der Bürgerrechtsbewegung und marschierte zusammen mit Martin Luther King. 

Dieses Buch enthält mehrere informative Essays über den Sabbat/Schabbat, und was ihn so heilig macht und ihn so einzigartig macht. 

Ich las das Buch während eines Schabbats im Januar, und informativ fand ich auch das neue Nachwort von seiner Tochter Susannah Heschel, die beschrieb, wie der Schabbat in ihrem Elternhaus in New York City war. Viele der beschriebenen Dinge in den Essays konnte ich wiedererkennen, und ich wurde wieder daran erinnert, wie dankbar ich dafür bin, dass wir den Schabbat haben, um uns vom Stress der Woche zu erholen. 

3) Man, Abraham Joshua Heschel

Ein weiteres Buch von Heschel - dieses Mal aber sind es seine auf jiddisch verfassten Gedichte. 

Jiddisch ist eine sehr schöne Sprache, und letztes Jahr habe ich auch angefangen, diese auf Duolingo zu lernen (allerdings ist das jiddische da der ungarische Dialekt), und besuchte dieses Jahr auch einen Jiddischkurs im jüdischen Gemeindezentrum in Kopenhagen. 

Dieses Buch zeigt jedenfalls, dass Heschel auch ein sehr guter Poet war, und viele dieser Gedichte stammen aus seiner Studienzeit. 

Ich kann das Buch jeden Liebhaber des jiddischen weiterempfehlen, und auch andere die einfach gerne Gedichte lesen. In dieser Fassung sind die jiddischen Gedichte auch auf englisch übersetzt, und das jiddische steht auch in Transkription da, und so würden Leute die das deutsche mächtig sind, auch in der Lage sein, es zu verstehen. 

3) Alissa kauft ihren Tod, Ljudmila Ulitzkaja

Ich war etwas aufgeregt, als ich sah, dass Ljudmila Ulitzkaja wieder eine Novellensammlung geschrieben hat, und sogar mit einigen Gedichten, die noch nicht einmal in Russland veröffentlicht wurden. 

Seit der Invasion der Ukraine im Frühjahr wohnt Ulitzkaja in Berlin. 

Die Novellen an sich sind meistens gut - vor allem mochte ich eine, in der eine junge Russin einen kurdischen Studenten aus dem Irak heiratet, und kurz nach der Hochzeit reist er in den Irak und verschwindet. Allerdings ahnt die Braut nicht, dass er von Saddams Geheimdienst entführt wurde und eingesperrt wurde. 

In einer weiteren Novelle stirbt eine Frau und verwandelt sich direkt in einen Schmetterling, und ihre Leiche ist danach nirgends zu finden. Ich liebe es, wenn Ulitzkaja vom Magischen Realismus gebrauch macht. 

Wie bei Ulitzkaja üblich, spielen mehrere der Novellen in der Sowjetzeit, und andere in der Gegenwahrt. Eine der letzteren handelt von einem aserbaidschanisch-armenischen Lesbenpaar, dass auf Zypern lebt und wo eine von denen im Sterben liegt. 

4) Es war alles ganz anders, Vicki Baum 

Hier sind also die Erinnerungen von Vicki Baum. Vicki Baum besprach ich schon in meiner ersten Buchbesprechung hier vor 9 Jahren, und Hotel Shanghai bleibt bis heute einer der besten Romane die ich je gelesen habe. 

Hier bespricht sie ihr faszinierendes Leben, von ihrer Kindheit in einer gut situierten assimilierten jüdischen Familie in Wien zur Jahrhundertwende, ihre Jahre in Berlin und die letzten Jahre in Amerika. 

Immer wieder spricht sie von ihrem tyrannischen Vater, der ihr Leben kontrollieren wollte, bis sie von ihn flüchtet und ihn dann viele Jahre später in Novi Sad wieder traf, wo er inzwischen ins Exil gegangen war. Sie war inzwischen selbst im Exil in Los Angeles. Sie beschreibt dann auch, wie er selbst dann später während der Schoa im Massaker von Novi Sad starb, und von ihrer Familie nur einer überlebte. 

Vicki Baum war eine sehr gute Erzählerin, und das sieht man auch hier. Das Buch erschien eigentlich zwei Jahre nach ihrem Tod in Los Angeles im Jahre 1960. 

5) Salomo und die anderen, Katja Behrens 

Diese Novellensammlung kaufte ich eigentlich schon im Herbst 2013, habe sie aber während meiner Reise nach Israel im Frühling wieder gelesen. 

Von den Erzählungen ist die erste, sehr autobiografische die, die mir am meisten in Erinnerung bleibt. Sie beschreibt da ihr aufwachsen im Deutschland der 50´er Jahre, und wie sie bei einer Geburtstagsfeier mit einem ehemaligen SS-Mann tanzt:

"Sein Anzug war aus feinem Tuch. Das fiel mir auf. Sonst nichts. Ein normaler Mann. Besonders an ihn war nur, dass er der Herr in dieser schönen Villa war. Ihn zu fürchten lag mir fern. Und auch er dachte sich wahrscheinlich nichts dabei, ein Mädchen im Arm zu halten, das er als Säugling vielleicht an die Wand geknallt hätte. Oder lebendig der toten Mutter hinterhergeworfen in die Grube. Das war vorbei, war Arbeit gewesen, schmutzige Arbeit, aber hatte sein müssen." 

 Das bleibt einen im Kopf. 

Katja Behrens starb leider letztes Jahr am 6. März 2021 in Darmstadt. Ich hoffe, in Zukunft ihre anderen Werke zu lesen. 

8) Unverschämt jüdisch, Barbara Honigmann 

Das Buch las ich letzten Spätfrühling, und es hat wirklich einen grossen Eindruck bei mir hinterlassen. 

Barbara Honigmann ist in der DDR aufgewachsen, und siedelte später nach Straßburg rüber, wo sie ein religiöses Leben lebt. 

Das Buch enthält mehrere Essays und Reden, die sie bei Veranstaltungen hielt, und die befassen sich mit Themen wie jüdische Identität und die Auseinandersetzung des jüdischen in der DDR und dem Leben heute. 

Einen grossen Eindruck vor allem lies das erste Essay bei mir, über die Schriftstellerin Elisabeth Langesser, die selbst einen jüdischen Vater hatte, allerdings katholisch getauft war und ihr Leben lang dem Katholizismus anhörte. Den Nazis war ihr Glaube egal, so wurde sie diskriminiert, und ihre Tochter wurde, trotz vielen Versuchen es zu verhindern, nach Auschwitz deportiert. Obwohl ihre Tochter überlebte, versuchte Langesser diese Tatsache zu verdrängen und konnte in ihren Briefen zu ihrer Tochter nach dem Krieg sich selbst nicht dazu bringen, Auschwitz zu schreiben. Ihre Tochter arbeitete später für Aftonbladet in Schweden und war Nahostkorrespondentin. 

In einem späteren Essay stellt Honigmann die Frage, ob die Sehnsucht ihrer Eltern nach ihrer Muttersprache dazu führte, dass die beiden es leichter fanden, die Lügen des SED-Regimes einfacher hinzunehmen und so zu tun, als sei nichts falsch. 

So, es war seltsam, nach fast sieben Jahren endlich wieder so eine Art Leserückblick zu schreiben. 

Aber es fühlte sich gut an. Und das ebenfalls am 29. Dezember, so wie damals. 

Dienstag, 29. Dezember 2015

Bücher, die mich dieses Jahr bewegt haben - 2015 Version

Endlich kommen wir zu dem Rückblick, auf dem ich mich immer am meisten freue! Der Bücherrückblick. Hier schreibe ich immer über Bücher die mich im Jahr besonders bewegt haben. 2013 fing ich damit an, und folgte dem auch 2014.  Fangen wir an:

1. Das grüne Zelt, Ljudmila Ulitzkaja
"Das grüne Zelt" (Зеленый шатер) ist das Opus Magnum von Ljudmila Ulitzkaja. Der Roman erzählt von den Leben von drei Freunden und drei Freundinnen und deren Umgangs-kreis und Familien. Die drei Freunde sind Ilja Brjanski, Sanja Steklow und Micha Melamid. Ilja wird Photograf und bespitzelt für den KGB, während Sanja später eine Amerikanerin heiratet und auswandert. Micha ist Jude, und leidet unter antisemitischen Anfeindungen des KGB. Die Freundinnen sind Olga Brjanskaja, Galja Poluchina und Tamara Brin. Olga ist Übersetzerin und zweite Ehefrau von Ilja - nachdem sie von seiner Tätigkeit beim KGB erfährt, fällt sie in eine Krise, da sie trotz linientreuer Erziehung immer wieder Samisdat-Literatur im Umlauf brachte. Galja ist Olgas beste Freundin, und toleriert nur die Jüdin Tamara. Tamara ist wie gesagt Jüdin, und erlebt als Kind die Reaktion auf den Tod Stalins und hat als Erwachsene Biologin eine Affäre mit dem bereits verheirateten orthodoxen Juden Marlen Kogan, Michas Cousin. Als sie später Marlen und seiner Familie hilft, nach Israel auszureisen, verfällt sie in eine tiefe Krise, da sie Marlen vermisst - daraufhin fängt sie eine Affäre mit dem Christentum an, und geht Sonntags zur Messe. Alles während der moderneren Geschichte der Sowjetunion, die mit dem Tod Stalins im Jahre 1953 anfängt und mit der Perestrojka endet.

Der Roman der russisch-jüdischen Autorin hat wohl den besten Prolog der je geschrieben wird. Er fängt zu Purim 1953 an, der Tag, wo Stalin starb. Alles gesehen mit den Augen von Tamara Brin, die von der "alten Sprache" der Mutter und Grossmutter redet, und wie die hebräischen Buchstaben Samech und Lamed gebraucht werden wenn diese über Stalin und Lenin sprechen. Die Grossmutter sagt, ihre Tochter solle Süßigkeiten kaufen, da es Purim ist und sie spürt, "Samech sei krepiert":

"Rajetschka, kauf im Jelissejewski etwas Süsses. Heute ist nämlich Purim. Ich denke doch, Samech ist krepiert."
Nachdem dann im Radio bestätigt wird, dass Stalin gestorben ist, fängt Tamaras Mutter an zu weinen - Tamara selbst versteht nicht warum.

Die Figur der Tamara Brin ist ein Ebenbild der Autorin selbst, da Ulitzkaja selbst mal als Biologin arbeitete und eine Zeit lang mit dem Christentum flirtete - und als Kind nicht verstand, weshalb die Menschen um sie herum Stalin betrauerten. Ein sehr guter Roman, bei dem ich ein ganzes Jahr gebraucht habe, um ihn fertig zu lesen.

2. Sophia - oder der Anfang aller Geschichten, Rafik Schami
Dieser ist wohl eines der besten Romane die ich dieses Jahr gelesen habe. Rafik Schami ist ja bekanntlich ein sehr guter Autor, der die syrische Erzähltradition mit der westlichen vermischt, und oft Magischen Realismus benutzt. In diesen Roman verzichtet er auf den Magischen Realismus, und benutzt stattdessen wahren Realismus in form einer Chronik. Eine Chronik, die im Damascus der 40´er Jahre anfängt und am Vorabend des syrischen Bürgerkrieges endet.

Im Damascus der 40´er Jahre verliebt sich der Moslem Karim in die katholische Sophia, die ihn abweist und stattdessen eine arrangierte Ehe eingeht. Als Karim später Opfer einer Intrige wird, rettet Sophia ihm das Leben. Als Sophias Sohn Salman in den 60´er Jahren Widerstand gegen das Regime leistet, flüchtet dieser über Libanon nach Deutschland, bis dieser eine Familie in Rom gründet. In der Zwischenzeit ist Salmans Cousin Elias ein Karrierist beim syrischen Geheimdienst geworden, nachdem dieser in den 60´ern Salman und andere im Widerstand bespitzelt hatte. Im Winter 2010 reist Salman wieder nach Syrien, nachdem seine Mutter bei Elias sichergestellt hatte, dass Salman keine Probleme bekommen würde bei der Einreise. Aber Elias hatte gelogen, und setzt eine Fahndung gegen Salman ein.

Der Roman gibt einen guten Einblick in die Psyche der orientalischen Christen, die damals am Anfang des 20. Jahrhunderts den arabischen Nationalismus begründeten, allerdings von der muslimischen Mehrheit verdrängt wurden. Der Roman erinnert einen dann auch, was für ein Monster Hafez al-Assad war - und sein Sohn Baschar immer noch ist.

3. Unterwerfung, Michel Houellebecq
"Unterwerfung" (Soumission) habe ich hier auf die Liste getan, nicht weil er mich besonders berührt hat, sondern weil er mich irgendwie sehr zum nachdenken gebracht hat. Schon Wochen vor der Herausgabe der deutschen Übersetzung gab es eine regelrechte Hetze in den Medien gegen den Autor - neben der angeblichen rassistischen, Islamfeindlichen Natur des Romans wurden auch immer wieder Michel Houellebecqs Vergangenheit mit der komischen Rael-Bewegung (immerhin haben die Medien so gut wie gar nichts über Günther Grass´ SS-Vergangenheit gesagt).

Der Roman spielt im Frankreich des Jahres 2022, die Hauptperson ist der Akademiker Francois - er wird Zeuge wie der muslimische Politiker Ben-Abbés mehr und mehr Wähler bekommt. Letztendlich wird Ben-Abbés Staatspräsident und ändert die säkulare Verfassung in eine theokratische Sharia-Verfassung. Francois jüdische Studentim Myriam wandert währenddessen mit ihrer Familie nach Israel aus.  Die Gesellschaft verwandelt sich nun in eine Dystopie, wenn auch sehr langsam. Das war´s dann nun von der Handlung - und ich muss sagen, dass ich während des Lesens kein Rassismus feststellen konnte noch eine Verallgemeinerung dass alle Muslime Terroristen oder einfach wegen ihres Glaubens schlechte Menschen sind.

Mir ist, als haben die Linken die so lange gegen Houellebecq gehetzt haben, den Roman wohl gar nicht gelesen haben - und wie ich die kenne, haben die das in Zukunft wohl auch gar nicht vor.

4. Der Schmuggel über die Zeitgrenze, Chaim Noll
 Die Erinnerungen von Chaim Noll - es dauerte eine Weile, bis dieser veröffentlicht wurden. Ich hatte das Buch schon vorbestellt, und erwartete dass es Anfang März veröffentlicht wird. Nun den, Monika Maron war nicht erfreut über das kurze, was über sie erwähnt wurde. Also wurde es geschwärzt und erst im Mai geliefert. Hat mich aber nicht daran gehindert, das geschwärzte vorsichtig zu entfernen. Tja. 
Im Buch erzählt Chaim Noll über seine priviligierte Kindheit und Jugend in geteilten Berlin. Über die Wohnung in Prenzlauer Berg, und die Grundschule, wo er mit Nina Hagen befreundet war. Später ging er auch in einer Klasse mit Tamara Danz. Aber nicht nur über das geht es im Buch - auch über die jüdische Herkunft seiner Familie geht es. So wissen nur sehr wenige, dass Dieter Noll eine jüdische Mutter hatte die den KZ Theresienstadt überlebte. Und nach den antisemitischen Kampagnen der frühen 50´er Jahre hat Dieter Noll diesen Teil seiner eigenen Familiengeschichte verschwiegen - stattdessen wollte er als ehemaliger Flakhelfer gesehen werden, der nun hilft, den Sozialismus aufzubauen.

Hans, Chaims Geburtsname, fühlte sich schon sehr früh zum Judentum hingezogen. Der Bruch mit dem Staat kommt offiziell aber erst, als er Anfang der 80´er Jahre den Wehrdienst verweigert. Danach reist er mit seiner Frau, Sabine Kahane, und deren Kinder in den Westen aus. Ich habe das Buch innerhalb eines Tages verschlungen.

5. Daniel Stein, Ljudmila Ulitzkaja
Das zweite Buch von Ljudmila Ulitzkaja auf dieser Liste, Daniel Stein (Даниэль Штайн, переводчик) Das war ein richtiges Abenteuer....ich bestellte das Buch Ende Mai, und sagte mir dann, ich würde es erst lesen bei meiner spontanen Reise nach Flensburg. Ich war von der ersten Seite gefesselt. Der Roman ist eine literarische Kollage, basierend auf dem Leben von Oswald Schmuel Rufeisen, ein Jude der während des Krieges mehrere Menschen rettete, dann in den Untergrund ging, sich in einem Kloster versteckte und dort katholisch wurde, und Mönch wurde. Nach dem Krieg zog er nach Haifa, in der Nähe seines Bruders und dessen Familie.

Ljudmila änderte die Namen der Personen und hat hier und da ihre künstlerische Freiheit benutzt. Neben den verschiedenen Lebensstadien Bruder Daniels handelt der Roman auch von Ewa Manukjan, eine polnische Jüdin die dank Daniel den Krieg überlebte, und ihrer frustrierenden Beziehung mit ihrer kommunistischen Mutter Rita Kowacz (Dwoire Brin), die seit sie aus Polen nach dem Krieg 1967 nach Israel verbannt wurde in einem Altersheim in Haifa wohnt. Ihre Mutter war während des Krieges Partisanin - nachdem sie Ewa und ihrem Bruder Witek in einer katholischen Waisenhaus lies, setzte sie sich in Stalins Sowjetunion ab - wo sie dann mehrere Jahre im Gulag verbrachte.  Ewa selbst heiratete später einen deutschen Studenten aus der DDR - und wanderte dann mit ihm nach Amerika, wo sie sich dann scheiden ließen. Später macht Ewa sich auf die Suche nach Daniel - und nach seinem Tod macht sie dann selbst Recherchen...

Der Roman erinnerte mich wieder daran, warum ich das Land Israel so liebe. Eines dieser Gründe wird hier gebraucht - die Tatsache, dass jeder seine eigene Geschichte hat. So kommen hier verschiedene Geschichten vor - eine von ihnen ist über eine Nonne aus Vilna, die einen Priester jüdischer Abstammung heiratet und daraufhin mit ihn nach Israel auswandert - und kurz nach der Geburt ihres Sohnes lassen sie ihn beschneiden. Eine andere handelt von einem Refusenik, der nach seiner Ausreise aus der Sowjetunion nach  Hebron zieht und dort eine Familie gründet - und später Helfer von Baruch Goldstein wird...

Alles in allem ein Plädoyer an die Toleranz und dem Frieden aller Glaubensrichtungen, und ein großartiges literarisches Denkmal für Oswald Rufeisen.

6. Die Unamerikanischen, Molly Antopol
Das literarische Debut der amerikanisch-israelischen Schriftstellerin Molly Antopol ist mir in den Osterferien ganz zufällig in Flensburg aufgefallen - ein sehr schöner Zufall!

Wie ich in der Besprechung oben schon erwähnte, liebe ich es, dass jeder in Israel so seine eigene Geschichte hat - aber hier ist es nicht nur in Israel, sondern auch das Amerika der 50´er, der Untergrund gegen die Nazis in Weißrussland, die Tschechoslowakei der 60´er, und andere Orte.

Die Sammlung fängt gut an - ein amerikanischer Jude ist genervt von seiner neureligiösen Tochter und ihrem israelischen Ehemann, und heiratet daraufhin eine ukrainische Jüdin. Auf deren Hochzeitsreise nach Kiew vergessen die auf einmal, dass sie sich lieben.

Der Ton in den einzelnen Erzählungen variiert - manchmal hat sie einen sehr humoristischen Ton, und manchmal ist der Ton ziemlich tragisch - so sollte eine Anthologie auch sein! Das letzte Mal wo ich so sehr eine Anthologie genossen habe war 2010 im Flug nach Miami mit Stephen Kings Just after sunset. Ich freue mich schon auf die kommenden Werke von ihr!

7. Die Kehrseite des Himmels, Ljudmila Ulitzkaja
Die Kehrseite des Himmels (Священный мусор) ist eine Sammlung von Erinnerungen, Gedanken und Essays die Ulitzkaja im Laufe der Jahre seit dem Ende der Sowjetunion geschrieben hat. Der Teil mit dem Hintergrund ihrer Familie ist sehr interessant - wie sie ihren Großvater erst kennen lernte, nachdem dieser aus dem Gulag zurückkehrte und dann einige Jahre danach starb.

Da ist auch ein Essay aus der Zeit, wo Putin gerade an die Macht kam - wo sie schon ihr misstrauen ausdrückt, gerade weil er beim KGB war. Sie hatte recht. Damals konnte niemand vorhersehen, dass er eine Diktatur kreieren würde, die allerdings die Kirche die selbe Rolle gibt wie zur Zeit der Zaren.

Wer Russland wirklich verstehen möchte (ohne die Propaganda der Putinistin Gabriele Krone-Schmalz) muss dieses Buch lesen. Ich finde es ehrlich gesagt gruselig, dass "Progressive" wie die Linkspartei (eine Partei, die ich generell nicht traue) alles was die Diktatur Putins anstellt unterstütz- seltsamerweise sind diese immer sehr still wenn Homosexuelle verfolgt werden und Leute schikaniert werden, wenn diese sich kritisch äußern.

Eine weitere Lesenswerte Stelle ist da, wo sie Auszüge aus ihrem Tagebuch offen legt - aus der Zeit wo sie wegen ihrer Krebsbehandlung in Israel war. Im Tagebuch spricht sie neben den Details zu ihrer Behandlung auch über die Schönheit Jerusalems, als auch über ihre Arbeit an Das grüne Zelt. Laut dem ukrainischen Schriftsteller Andrej Kurkow verbringt Ljudmila Ulitzkaja selbst dieser Zeit mehr Zeit in Israel als in Moskau - hoffentlich endet sie nicht wie Anna Politkowskaja....

8. Ergebenst, euer Schurik
Nun zum letzten Buch auf der Liste hier - "Ergebenst, euer Schurik" (Искренне Ваш Шурик), wieder ein Roman von Ljudmila Ulitzkaja. Ich habe den Roman innerhalb einer Woche gelesen. Es ist ein Roman über die Liebe in der Sowjetunion, mit einem sehr tragikomischen Helden, eine Art Anti-Don Juan.

Die junge Vera Korn verliebt sich im Moskau der 30´er Jahre in den jüdischen Pianisten Alexander Sigismundowitsch Lewandowski, und beginnt mit ihm eine Affäre. Als der Krieg ausbricht, wird Alexander nach Kasachstan evakuiert, Vera mit ihrer Mutter Jelisaweta Iwanowna nach Taschkent. Nach dem Krieg trifft Vera ihn wieder - und zeugt einen Sohn mit ihm. Lewandowski stirbt kurz darauf, und lernt seinen unehelichen Sohn nie kennen. Der Sohn bekommt den Namen Alexander, genannt Schurik.

Schurik wächst in liebevoll-chaotischen Zuständen bei seiner Mutter und Grossmutter auf, und verliebt sich später in die Jüdin Lilja. Lilja wandert dann in der Tauerperiode der 70´er Jahre mit ihren Eltern nach Israel aus. Kurz darauf beginnt er eine Affäre mit der älteren behinderten Matilda an, und wird von der Kasachin Alja angehimmelt. Als Lena, Tochter eines Linientreuen Funktionärs in Sibirien, ein uneheliches Kind von einem afro-kubanischen Studenten erwartet, reist Schurik zusammen mit ihr nach Sibirien und lässt sich mit ihr trauen - ohne dass seine Mutter und Großmutter etwas davon erfahren.

Ein wundervoller Roman über das Leben und die Liebe, dass zum einen wirklich komisch ist und manchmal zum weinen ist.

Das war´s mit den Buchempfehlungen für dieses Jahr, sehen uns nächstes Jahr wieder!

Nachtrag: ich vergas gestern dieses Buch:

9. Jossel Rakovers Wendung zu G"tt, Zvi Kolitz
Wow. Dies ist eine von denen Büchern, die man nach dem aufklappen nicht mehr aus der Hand legen kann. Ich habe das Buch zweisprachig jiddisch-deutsch ganz während meiner Reise im Zug zurück nach Kopenhagen gelesen. Das war eine wahre Achterbahn der Gefühle, mir war beim lesen oft zum weinen! Während des lesen vergas ich ganz die Welt um mich herum!

Der Text des jiddischen Schriftstellers Zvi Kolitz ist ein längerer Monolog eines Gefangenen des Warschauer Ghettos, der um das Geschehen um ihm herum erzählt, und vom Widerstand.

Er redet zu G"tt, und fragt immer wieder, warum das ganze geschieht - letztendlich verliert er trotz der Tragödie nicht seinen Glauben zu G"tt - eine Tatsache, die den meisten Atheisten wohl ein Dorn im Auge ist. Mir war das Buch nach dem lesen noch sehr lange im Gedächtnis - ich finde es seltsam, dass ich nicht vom Buch gehört hatte, bis ich es letztens in Berlin im jüdischen Buchladen nahe der Zentralen Orthodoxen Synagoge fand. Ich hatte im Laden schon ein Gefühl, dass mich dieses Buch nicht loslassen werden würde. Die Ausgabe von Diogenes hat zudem auch faszinierende Zeichnungen von Tomi Ungerer.

10 Jahre Charlie Hebdo und Hypercacher

  "Je suis Charlie" ging um die Welt.  Heute ist es schon zehn Jahre her, dass der Terroranschlag bei der Redaktion der französisc...