Ich kam ein Paar Tage vor Purim zurück nach Kopenhagen, nur um Purim zu feiern, jedenfalls so gut es in den Zeiten der Pandemie geht. Jedenfalls, dem Tag vor Erev Purim ging ich zum koscheren Laden um da einige Einkäufe zu erledigen. Ich hatte zu dem Zeitpunkt schon seit Dezember nicht mehr die S-Bahn - oder jegliche andere öffentliche Verkehrsmittel - genommen, und das war schon ein sehr komisches Gefühl. Und es war so gut wie niemand in der S-Bahn.
Nach einer Station war ich jedenfalls in Ryparken, und beim Anblick der Landschaft als ich aus der S-Bahn stieg wurde ich ganz nostalgisch - ich musste sofort an mein erstes Purim vor 6 Jahren denken:
Damals war es schließlich das erste Mal dass ich je nach Ryparken reiste, es war also ein Neuland für mich.
Ich ging jedenfalls dann zum koscheren Laden, und als ich dann wieder unten an der S-Bahnstation war, schaute ich gerade aus zur Straße, und musste dann einfach diesen Spaziergang gehen. Ich ging also dann da hoch - und dann realisierte ich, dass ich schon seit dem März 2017, also zum letzten Purimfest im alten Gebäude der Jüdischen Schule, nicht mehr da gegangen bin!
Es war G-tt sei dank sehr schönes Wetter, schon richtiges Frühlingswetter.
Die Wolken sahen so schön aus - und ich bekam sofort sehr nostalgische Gefühle vom Frühling 2015, wo so viel in meinem Leben passierte. Ich musste auch an dieses Gefühl der Melancholie denken, als ich am Abend damals wieder zurück zur S-Bahnstation ging, nachdem alles vorbei war.
Das Wetter war wie gesagt so schön wie damals - aber gleichzeitig fielen mir die ganzen Veränderungen auf, es war eine riesige Baustelle da.
Letztendlich ging ich die Straße hinein, wo die Jüdische Schule war. Das Gebäude direkt wenn man rein kommt war nun sehr saniert, und ich ging weiter zur eigentlichen Straße. Was mir sofort auffiel war, dass da weder Polizeiautos noch ein Checkpoint war. Ich ging weiter.
Und so sieht nun der Ort aus, wo damals die Schule stand:
Es war irgendwie schockierend.
Ich ging also nun weiter zur Hauptstraße, zurück zur S-Bahnstation.
Es fühlte sich gut an, Ryparken an sich nach 4 Jahren wieder zu besuchen. Es war zudem sehr lange her, dass ich eine solche Nostalgietour gemacht hatte - und ich brauchte es so sehr, Vor allem in diesen Zeiten.
Als ich wieder Zuhause war, schickte ich die Bilder zu einer Freundin, die im damals darauffolgenden Winter nach Israel ging - und sie war ebenfalls schockiert, sie sagte "es ist fast als ob wir nie da waren!"
Ja, so sehe ich es auch.
Merkt euch, das alte Gebäude der Jüdischen Schule war damals nicht gerade ein ach so schönes Gebäude, es war ein eher durchschnittliches gelbliches Gebäude aus den 70´ern.
Allerdings muss ich sagen, so gefielen mir die Feiern zu Purim und Jom Haatzmaut im alten Gebäude viel mehr als im neuen.
Es ist im neuen Gebäude viel kälter, und es fehlt einfach so das gewisse etwas.
Es war damals halt eben viel Gemütlicher und Intim.
Ich habe hier auf diesen Blog schon mehrfach über meinen Gijur / Übertritt zum Judentum geschrieben, aber ich fand, es ist Zeit, meine gesamte Reise zu beschreiben so gut wie es geht, jetzt, 4 Jahre nachdem ich übergetreten bin.
Ich schreibe dass nicht nur, weil ich es mag, über die Vergangenheit zu reflektieren und herauszufinden, wie es wohl im nachhinein war, sondern auch, um andere zu helfen, die den selben Weg gehen wie ich ihn gegangen bin.
Erstmals vorab:
Ich habe immer an G-tt geglaubt. Ich habe nie seine Existenz bezweifelt. Das konnte ich nie. Ich habe immer Trost bei ihn gesucht, wenn es mir schlecht ging, und mache es noch immer. Trotz dessen hatte ich immer irgendwelche Bedenken am Christentum an sich - egal ob es der Protestantismus war, mit dem ich säkular aufgewachsen bin, der Katholizismus oder dem Orthodoxen Christentum. Der Atheismus als Alternative kam bei mir nie in Frage. Schon beim Konfirmandenunterricht machte ich kein Geheimnis daraus, dass ich später eh zum Buddhismus oder Bahaismus konvertieren würde. Aber selbst bei diesen zwei Glaubensrichtungen war da etwas, das irgendwie fehlte - und das, obwohl ich deren Philosophien sehr mochte.
Und dann war da letztendlich das Judentum - das Judentum hatte für mich als Außenstehender immer etwas sehr mystisches, aber dennoch irgendwie anziehbares an sich. Eine lange Zeit wusste ich nicht, dass man zum Judentum übertreten kann - aber selbst als ich erfuhr, dass das durchaus möglich ist, wusste ich nicht, ob ich dafür geschaffen war.
Und hierzu muss ich auch sagen:
Das Judentum ist keine missionierende Religion wie das Christentum oder der Islam, und das Judentum ist auch nicht "Christentum ohne Jesus", wie viele aus irgendeinen Grund annehmen. Und für Leute, die an einen Übertritt zum Judentum interessiert sind, sage ich nur folgendes: Es ist ein schwieriger Prozess - nicht nur, dass man seinen Lebensstil komplett ändert und die Traditionen lernt und annimmt, es ist auch ein sehr großer, schwieriger Prozess für die Seele. Dadurch weis man dann auch, ob das Judentum auch für einen selbst bestimmt ist. Und bevor man die Gemeinde kontaktiert, die am dichtesten dran ist, muss ich auch das sagen: bevor ihr das tut, lest erstmals alles, und ich meine wirklich alles, was ihr über das Judentum finden könnt.
Meine Liebe zum Judentum fing jedoch in einer stürmischen Novembernacht 2009 an, wo ich auf Youtube das Lied "Shabat haMalka" von Ofra Haza hörte.
In der darauffolgen Zeit fing ich unbewusst an, sehr vieles über Israel oder dem Judentum an sich bei der Bibliothek zu borgen. Damals war ich noch sehr oft auf der Bibliothek, das waren noch Zeiten. Ich fühlte mich dann mehr und mehr dem Judentum hingezogen. Aber wie gesagt, so wusste ich noch nicht, ob ich wirklich dazu geschaffen war. Das änderte sich dann im März 2010, als ich bei meiner Oma in Flensburg hörte, dass es in Deutschland und Übersee viele Menschen mit jüdischen Familiennamen gibt, die allerdings seit Generationen keine Juden mehr sind da einer der Vorfahren zum Christentum übergetreten ist oder eine nichtjüdische Frau geheiratet hat, und die daraus folgenden Kinder der Halacha zu folge keine Juden mehr sind.
Kurze Zeit darauf fand ich dann heraus, dass ich einen jüdischen Nachnamen habe, und letztendlich realisierte ich dann, dass ich auch Jude werden will.
Einige Jahre später, schon im Gymnasium, fuhr ich dann für einen Tag nach Kopenhagen, wo ich dann ein Treffen mit unserem damaligen Oberrabbiner Bent Lexner hatte. Lexner sagte, da ich zu dem Zeitpunkt nicht in Kopenhagen lebte, müsste ich in eine religiösen Kibbutz in Israel leben, um dort zu lernen und vielleicht zu konvertieren, wenn die Zeit dazu gekommen währe. Im Sommer 2013 hatte ich dann wieder ein Treffen mit ihn.
Am Tag vor meiner Abreise zum gescheiterten Kibbutz Ausflug nach Israel hatte ich dann zum allerletzten Mal in meinem Leben Schweinefleisch gegessen. Irgendwann musste ich ja auch damit aufhören.
Am 1. Mai 2014 war ich dann wieder in Kopenhagen, und da hat ein Freund aus der Gemeinde mir dann zum ersten Mal die Synagoge von innen gezeigt.
Im Spätfrühling 2014 fing ich dann an, im jüdischen Gemeindehaus Unterricht für Konvertiten zu besuchen - das war alles selbst organisiert. Dafür bin Sonntag morgens immer sehr früh aufgestanden um den frühesten Zug in Richtung Kopenhagen zu nehmen. Das war immer ein Erlebnis.
Nach einen sehr Augen öffnenden Urlaub in Israel im Juli 2014 bin ich dann nach Kopenhagen gezogen, und der Gijur fing dann richtig an, und hatte dann auch zwei Treffen mit Lexners Nachfolger, Jair Melchior. Ich fing an jeden Schabbat die Synagoge zu besuchen, besuchte Kurse im Chabadhaus, und fing an, über Kaschrut zu lernen, und über die verschiedenen Brachot zu lesen.
Ein Schlüsselereignis, an das ich mich immer erinnere, ist der Terroranschlag im Februar 2015. Nach dem Anschlag fühlte ich mich näher an die Gemeinde als vorher.
Letztendlich bin ich sehr froh, dass ich nach Kopenhagen gezogen bin, um zu konvertieren - davor hatte ich eigentlich den Plan, deswegen nach Berlin zu ziehen, da ich zu dem Zeitpunkt sehr in die Stadt verliebt war, und es da auch eine wesentlich grössere Gemeinde gibt als in ganz Dänemark.
Allerdings fiel mir auf, nachdem ich zum ersten Mal in Israel war, dass ich mich danach nicht mehr so gut in Deutschland fühlte als vorher. Also wurde es Kopenhagen.
Eines der Dinge, die ich nach meinem Umzug nach Kopenhagen am meisten mit Vorfreude und Spannung begegnete, waren die Feiertage. Ich erinnere mich noch sehr gut an mein erstes Rosch Haschana, und vor allem mein erstes Jom Kippur - das erste Mal, wo ich 25 Stunden gefastet habe. Seit dem ist Jom Kippur von allen Feiertagen mein Lieblingsfeiertag. Da ist einfach etwas ganz besonderes wenn so gut wie die gesamte Gemeinde nur einmal im Jahr in der Synagoge versammelt ist und man den ganzen Tag in der Synagoge verbringt.
Als ich im Jahr darauf aus den - recht turbulenten - Sommerferien zurückkehrte, hatte ich ein sehr bizarres Gefühl, vor allem wenn ich an Rosch Haschana dachte.
Die Hohen Feiertage 2015, die das Jahr 5776 einleiteten, waren sehr schön. Im Nachhinein glaube ich, dass diese unruhigen Gefühle daher kamen, weil ich wohl ahnte, dass das Jahr 5776 ein Jahr voller Veränderungen sein würde, und das auf verschiedenen Ebenen.
Der darauf kommende Winter war sehr melancholisch, und ich fühlte mich sehr geborgen im Licht der Menorot zu Chanukka.
Im Januar 2016 unternahm ich zum ersten Mal in meinem Leben eine Winterreise nach Israel - und das über Moskau. Ich war sehr aufgeregt, und für mehrere Wochen war es das einzige woran ich dachte, und ich konnte es auch nicht fassen dass ich tatsächlich im mehr oder weniger langweiligen, kalten Monat Januar nach Israel fahren würde. Das war dann meine fünfte Reise nach Israel. Ich erinnere mich noch als ich an dem Abend kurz nach Sonnenuntergang auf die Reise zum Flughafen begab - ich konnte überhaupt nicht fassen dass es nun endlich passierte. Und wie aufgeregt ich war, als ich den Flieger in Richtung Moskau bestieg. Es fühlte sich so seltsam an. Als der Flieger sich dann Moskau näherte, hatte ich das Glück, den Kreml von Oben zu sehen, und das bei Nacht. Als der Flieger endlich gelandet war, sagte die Stewardess, dass wir mit dem Shuttle Bus zum Flughafen sollten, und deswegen sollten wir sofort warme Jacken anziehen. Glücklicherweise war ich mit meiner Winterjacke angereist. Aber ich trug Jeans - und als ich aus dem Flugzeug ausstieg, spürte ich wohl das kälteste was ich je gefühlt habe.
Ich hatte einen schönen Aufenthalt im Flughafen Scheremetyevo - und das obwohl ich fast meinen Flug nach Tel Aviv verpasste, der aber dann dennoch verspätet wurde weil die Reifen sich an den Boden gefroren hatten. Aber als es dann los ging, genoss ich die schöne Landschaft von Oben. Vor allem als der Kaukasus erreicht wurde, und es dann über Anatolien und Zypern ging.
Als ich dann endlich in Tel Aviv gelandet bin, konnte ich noch immer nicht fassen, dass ich da war. Und obwohl nicht viel großes in diesen 14 Tagen geschah, ist es als einer meiner besten Reisen in Erinnerung geblieben.
Warum ich gerade hier von diesen Trip berichte? Weil ich während diesen 14 Tagen Zeit für einige Reflexionen hatte - und mir ist da aufgefallen, dass ich Müde vom "Nichtjude sein" geworden war. Es sagte mir, dass ich nun bereit für den nächsten Schritt war.
Kurz nach meiner Rückkehr hörte ich, dass im kommenden Sommer wieder ein Beit Din in der Gemeinde sein würde. Ich wusste, was ich zu tun hatte. Kurz nach Purim hatte ich dann wieder einen Treffen mit unserem Gemeinderabbiner, wo wir dann all das durchgingen, was ich seit dem Anfang meines Prozesses 2014 durchgegangen war, und er sagte, dass ich dann in den kommenden Monaten in Schweden meine Brit Milah haben würde, damit ich dann für den Beit Din im August bereit währe. Ich konnte es nicht fassen.
Im Juni war ich dann mit meinen Eltern für ein verlängertes Wochenende in Göteborg, wo ich von dem dortigen Mohel die Brit Milah bekam. Das war ein sehr großer Tag, wo ich unters Messer kam - und ich spürte keinen Schmerz.
Zwei Wochen später ging ich auf eine drei wöchige Reise nach Israel, wo ich dann unter anderen Sussia besuchte.
Bei der Reise besuchte ich dann zum letzten Mal Jad Vaschem - ich war seitdem nicht mehr dort.
Bei der Reise wurde mir auch meine Tefilin gemacht, und ich kaufte mir meinen ersten Tallit. Es war ein ganz besonderes Gefühl, als ich die Tefilin zum ersten Mal anprobierte und die Schema las.
In der Woche vor meiner Abreise legte ich mich hin, nachdem ich in meiner Ferienwohnung in Tel Aviv angekommen war und alles ausgepackt hatte. Während dieses relativ kurzen Nickerchens war mir so, als würden mir die letzten 7 Jahre meines Lebens - also von dem Moment an, wo ich zum ersten Mal Shabbat haMalka gehört hatte - bei mir Revue passieren. Es war ein sehr seltsamer Moment. Aber es zeigte, dass dieser Abschnitt meines Lebens bald vorbei war.
Nach meiner Rückkehr von der Reise waren die darauffolgenden Wochen sehr seltsam.
Und dann kam der Tag.
Ich bin sehr früh aufgestanden, und habe zum ersten Mal in meinem Leben den Tallit Katan angezogen, und habe dann das Morgengebet gebetet - ohne die Tefilin oder den Tallit anzuziehen, da ich damit warten wollte, biss ich aus der Mikweh gekommen war. Meine Eltern und meine Tante holten mich dann ab, und wir fuhren in die Stadt rein.
Nach einer halben Stunde war ich dann endlich dran. Mein Beit Din bestand aus Michael Melchior, der Vater unseres jetzigen Oberrabbiners, Bent Lexner, unser alter Oberrabbiner, und Meir Rubinstein, ein schwedischer Rabbiner der wie Michael Melchior in Israel wohnt.
Wir sprachen über den langen Weg den ich bis dahin gegangen bin, und wie ich koscher halten will - es war alles viel leichter als ich gedacht hatte.
Dann musste ich kurz raus, und danach wieder rein - mein Gijur wird vollzogen, sagten sie mir. Danach ging es direkt zur Mikweh - als Jair mich in den Fahrstuhl zog war ich ganz steif, und wie Minuten vorher, den Tränen nahe, da die ganzen Emotionen der letzten 7 Jahre aufkamen.
Ja, so war es. Die letzten 7 Jahre kamen dann an meinem inneren Auge vorbei. Es war ein so seltsames Gefühl, als ich dann in der Mikweh stand. Ich musste dann mit meinen eigenen Worten sagen, dass ich die 613 Mizvot einhalten würde, und dann habe ich die Bracha für die Mikweh und das Schehechiyanu gesagt. Dann tauchte ich unter - und mir war, als wäre ich in einer Welt zwischen dieser Welt und der kommenden Welt. Als ich kurz darauf vor dem Spiegel stand, sagte ich dann zu mir selbst: "Oh mein G-tt, ich bin jetzt Jude!"
Daraufhin bekam ich von meiner Mutter einen goldenen Davidsstern um den Hals. Vor dem Mikweh-Bad hatte ich dann den vorherigen Davidsstern, denn ich seit 2012 trug, zum ersten Mal abgenommen, und der neue symbolisierte dann den Anfang meines neuen Lebens.
In den darauffolgenden Tagen fiel mir auf, dass einige Dinge die ich in den Wochen vor dem Beit Din tat, sich schon so fern anfühlten, als sei es schon Monate oder Jahre her.
Am Freitag war es die Jahrzeit von Dan Uzan z"l, dem Wachmann der Jüdischen Gemeinde, der in der Nacht vom 14. auf dem 15. Februar 2015 ermordet wurde.
Ich kannte Dan Uzan nicht sehr gut - ich hatte ihn nur einige Male gesehen, wenn er am Schabbat Wache vor der Synagoge hielt. Was ihn von den anderen Wachen der Gemeinde sehr unterschied, war seine Höhe. Es war sehr seltsam daran zu denken, ihn danach nicht mehr zu sehen - und schlimmer noch, der Gedanke an der Tatsache, dass er ermordet wurde.
Es sind nun 4 Jahre seitdem vergangen, und ich kann es ehrlich gesagt noch immer nicht ganz fassen, dass es tatsächlich passiert ist. Leider muss ich sagen, dass ich es irgendwie habe kommen sehen, aber dennoch....
In den 4 Jahren seitdem ist sehr viel passiert. Ich denke, jetzt ist die Zeit gekommen, darüber zu reflektieren.
Damals war ich noch inmitten meines Gijur-Prozesses.
Wie ich damals schon erzählte, war ich gerade vom Chabadhaus zurückgekommen, und hatte noch immer die schöne Rede von Hannah Bentow im Kopf, die sie zu ihrer Bat Mizwah hielt. Damals währe noch keiner auf die Idee gekommen, dass ihr Tag mehrere Stunden später ruiniert wird.
Das erste, was ich hörte, als ich zuhause war, war dass da ein Terroranschlag im Stadtteil Østerbro war. Es war im Kulturhaus Krudttønden ("Das Pulverfass"). Es war bei einer Veranstaltung über Meinungsfreiheit, geführt vom schwedischen Künstler Lars Vilks, der in der Vergangenheit Muhammed-Karikaturen gemacht hatte. Die Rednerin gerade wo der Anschlag passierte war die Ukrainische Femen-Aktivistin Inna Shevchenko, und es gab einen Toten - den dänischen Filmemacher Finn Nørgaard.
Ich war entsetzt - und mir überkam die Angst, dass das nächste Ziel wohl die Jüdische Gemeinde war, eine Angst, die mir besonders seit Charlie Hebdo und Hypercacher verfolgte. Ich muss hier auch sagen, dass ich im Nachhinein das Gefühl hatte, dass die Zeit zwischen den Anschlägen in Paris und in Kopenhagen eine Art "Overture" war.
Ich legte mich in der Nacht mehr oder weniger früh ins Bett mit einem sehr ängstlichen Gefühl. Früh, weil ich am Morgen eh früh hoch sollte wegen Konvertierungsunterricht im Gemeindezentrum, und weil mir schlecht war.
Ich wachte dann früh auf, und erfuhr so vom Anschlag. Ich wusste zu dem Zeitpunkt, dass der Unterricht definitiv ausgefallen war, aber dennoch bin ich dann in die Stadt gefahren - ich hatte das Bedürfnis, es zu sehen, um zu begreifen.
In der Stadt fiel mir dann diese Rose auf:
Das Bild werde ich wohl für immer mit diesen Tagen in Verbindung setzen.
Ich kam schließlich bei der Synagoge an, und alles war abgesperrt. Den Anblick werde ich nie vergessen. Es hilft auch nicht, dass gerade an dem Morgen ein kalter Nebel über Kopenhagen war. Der Morgeng-ttesdienst fiel in der Grossen Synagoge aus, und wurde stattdessen in der Kleinen Synagoge abgehalten. Einer aus der Gemeinde fuhr mich dahin - nach dem G-ttesdienst wurde uns von der Polizei gesagt, wir müssten in zwei verschiedenen Richtungen gehen. Aus Sicherheitsgründen.
Zu dem Zeitpunkt bemerkte ich auch die vielen Nachrichten auf meinen Handy, die nachfragten, wie es mir ging.
Um auf andere Gedanken zu kommen, ging ich ins Kino, und sah einen schlechten Film - dazu ein später separater Post.
Am nächsten Tag bin ich am Abend mit Freunden zur Gedenkversammlung (von "Feier" kann hier nicht die Rede sein) in der Grossen Synagoge.
Ausser am vergangenen Jom Kippur hatte ich die Synagoge nie so voll gesehen - und es wurden mehr und mehr.
Nach der Versammlung gingen wir alle raus und gingen in Richtung Østerbro, um dort vor dem Krudttønden Reden und Lieder zu hören. Es war alles schon seltsam - man fühlte sich als Teil von etwas grossen.
Ich weis nicht warum - aber der Anblick der Kurdischen Flagge machte mich sehr glücklich.
Ich erinnere mich auch, wie an dem Abend eine Sängerin "Imagine" sang. Es war sehr schön - aber im ganz ehrlich zu sein, wenn ich jetzt daran zurückdenke, wirkt es irgendwie falsch mit gerade dem Lied zu der Veranstaltung zu kommen.
Zwei Tage später kam ich dann zur Beerdigung von Dan Uzan. Es war nicht nur das erste Mal, dass ich auf dem Hauptfriedhof der Jüdischen Gemeinde kam, es war auch das erste Mal für mich auf einer jüdischen Bestattung. Den Friedhof betrat ich erst wieder drei Jahre später.
Es wurden sehr schöne Reden gehalten in der Trauerhalle - und ich musste einige Male weinen, obwohl ich mir selbst vorher sagte, nicht zu weinen. Später habe ich auch Erde in sein Grab geworfen.
Auf dem Weg zurück von der Beerdigung ist mir zudem folgendes aufgefallen - ich fühlte mich nun noch mehr als Teil der Gemeinde als zuvor.
Ich hatte allerdings noch eine andere Vorahnung, die sich nun bald bestätigen würde.
Kurz nach dem Anschlag gab es mehrere Solidaritätsbekundungen von der Regierung, mehreren Outlets der Medien, und von Bürgern. Die Flaggen waren alle auf Halbmast.
Ich wusste dass es nur eine Frage der Zeit war, bis diese Trauerzeit vorübergehen würde.
Und es fing so kurz nach der Beerdigung von Dan Uzan an.
Ich glaube es war eine Woche danach - da kam da ein Leserbrief in - wenn ich mich recht erinnere - Politiken, vom Antisemiten und Terrorsympatisant Niels Stockmarr, in der er sagte, dass "der Anschlag auf die Synagoge zeigt ja nun wirklich dass es Zeit für die Jüdische Gemeinde ist, sich endgültig von Israel zu distanzieren".
Das war mehr als nur widerlich und geschmacklos - und es zeigt auch, dass es den meisten hier egal ist, ob Leute antisemitisch sind oder nicht. Besonders nicht, wenn sie die richtige politische Einstellung haben, wie die Stockmarrs.
Diese Zeit hat mich für immer geprägt - und es hat mich auch für einige Dinge vorbereitet, die in den darauffolgenden Monaten passierten.
So waren wir im März auf dem Studientrip nach Israel - wo ich lernen musste, dass einige Leute einfach nur die Juden hassen, egal ob die in Israel waren oder nicht. Sie hassen uns einfach.
Ich war danach auch recht kritisch mit wem ich mich in der Freizeit traf - eine Skepsis, die ich noch heute habe.
Und ich muss leider sagen, dass sich die Situation hier in Dänemark einfach nicht gebessert hat - so wurde im darauffolgenden Jahr eine 16-Jährige Konvertitin zum Islam verhaftet, die einen Bombenanschlag auf die Jüdische Schule geplant hatte.
Nach dem Terroranschlag gibt es nun auch Rund um die Uhr Polizeischutz bei allen jüdischen Einrichtungen, und seit Jom Kippur 2017 gibt es zusätzlichen Schutz vom Militär.
Zudem werden einige antisemitische Vorfälle, die sich hier in Dänemark ereignen, von Jahr zu Jahr hässlicher, wie der Antisemitismusbericht der Gemeinde zeigt.
Die Situation hier wird nie wieder so werden wie vor dem Anschlag - und ich hoffe, dass es nicht zu schlimmeren Anschlägen auf die Gemeinde kommt.