Montag, 30. Dezember 2024

Lebewohl, 2024

 

Und so endet wieder ein Jahr...

Meine letzten Worte hier auf dem Blog für 2024 sind nicht viel, nur das folgende:

Möge 2025 besser sein als 2024, und mögen wir alle unser eigen Glück in dem Jahr finden. 

Ich bin irgendwie optimistisch. Wieso, kann ich ehrlich gesagt nicht wirklich sagen. Für mich selbst hoffe ich einfach nur, dass ich bald aus den Ketten befreit bin, die mich derzeit fesseln. 

Und ach ja - es ist Chanukka. 

Wir sind gerade in der siebten Nacht angekommen, und ich hoffe wirklich von ganzen Herzen, dass dieses Chanukka noch ein Wunder geschehen wird. 

Und wenn das gesagt ist, finde ich es interessant, dass es 2025 zwei Mal Chanukka geben wird - die letzten Tage fallen ins neue (gregorianische) Jahr, und dann kommt es natürlich wieder im darauffolgenden Winter. 

Der letzte Tag Chanukka soll ein Tag voller spirituellen Potentials sein. Ich werde versuchen, an dem Tag alles richtig zu machen. 

Die Suche nach dem perfekten Jahresbanner

Jedes Jahr, wenn ein neues Jahr beginnt, mache ich ja bekanntlich einen Post über das neue Jahr, und brauche dazu natürlich ein Banner dass ich irgendwo im Internet gefunden habe. 

So weit, so gut. 

Letztes Jahr aber, versuchte ich mit Hilfe vom KI-Generator von Microsoft Bing etwas selbst zumachen, was ich jedoch dann lies. 

Ich möchte euch dennoch diese Kreationen zeigen:

Ich versuchte es mit dem russischen "Novy God" xD 

Gelungener, aber dennoch Seelenlos - ist halt KI

Gruselig 

Na das ist mir neu, 20224

KILL IT WITH FIRE 

Aber ich muss dann sagen, dass wenn ich am Morgen des 1. Januar nach solchen Jahresbannern suchte, muss ich leider sagen, dass so gut wie jedes der Banner von KI gemacht wurde. Das ist wirklich ziemlich lächerlich, und zeigt leider auch, wie verbreitet der Gebrauch von KI über das letzte Jahr 2023 geworden ist. 

Zum vergleich, hier sind die Banner, die ich Ende 2022/Anfang 2023 benutzte:



Digitalisiert ja, aber dennoch nicht vollständig KI. 

Ich hoffe wirklich, dass dieser Trend bald zu Ende geht. 

Wie war 2024?

 

Ich sehe nichts falsches - der Glasgow Oompa Loompa ist dieses Jahr mein Spirit Animal 

Dieses Jahr war wirklich etwas...meh. 

Mal abgesehen davon, dass der Krieg in Israel noch am laufen ist, und das der Krieg in der Ukraine noch am laufen ist, ist es nicht wirklich so verlaufen, wie ich erhoffte. Es kann halt nicht immer so gehen, wie man hoffte. 

Aber ich kann jedenfalls sagen, dass es mir jetzt besser geht als zum Anfang des Jahres. 

Nun hoffe ich in den nächsten Monaten, mich selbst von dem zu befreien, was mich fesselt. 

Aber naja. 

Ich hatte gehofft, dass 2024 für mich eine Art zweites 2014 sein würde, wurde es aber nicht - aber ich habe mir jetzt vorgenommen, dass 2025 es sein wird. 

Dieses Jahr wurde ich 30, und der Geburtstag wurde gefeiert mit einem schönen Trip mit meinen Eltern nach Oslo. 

Das Nationaltheater 

Die Synagoge in Bergstien 

In den Bergen Norwegens 

Im Vigelandspark 



Am Jüdischen Friedhof Sofienberg 

Bei Akershus 

Detail aus einer vergangenen Zeit bei Akershus 


Blick vom Schloss zur Innenstadt 

Holzkirche im Norwegischen Volksmuseum 


Im Norwegischen Volksmuseum 



Am Hafen der Museumshalbinsel 

Oslo war eine sehr schöne Reise in den Osterferien, allerdings muss ich sagen, dass Stockholm dann viel schöner und spannender ist. Oslo ist irgendwie eine kleinere Version von Kopenhagen, nur mit Bergen. War dennoch eine schöne Reise, und es war definitiv nicht das letzte Mal, dass ich da war. 

Kurz danach war es Pesach, und überraschenderweise hatte ich da die Grippe, obwohl die den ganzen Winter entgehen konnte. 

Danach fing ich im Mai ein wichtiges Praktikum an, wo ich dann bis Mitte Juli war. 

Und ach ja, ein Tag reiste ich mit mehreren der jüdischen Jugendorganisation nach Odense, um dort Stolpersteine zu reinigen. 



Die Stolpersteine waren sowohl von deportierten Juden als auch von Widerstandskämpfern. Das war jedenfalls ein sehr schöner und sehr informativer Tag, der wohl am heißesten Tag des Jahres fiel. 

Im September hatte ich dann einen schönen Kurztrip nach Flensburg, sowie eine Woche auf Lolland. 

Neustadt, Flensburg 

Das verbesserte Wappen der Stadt am Nordertor 

Der Istedlöwe 

Irgendwo auf Lolland


Danach kamen dann die Hohen Feiertage, die uns ins Jahr 5785 brachten, und auch sehr schnell vergingen. 

Nun ja, und kurz danach war ich dann in New York. 

Im Central Park 

Der Temple Emanu-El beim Central Park 

Manhattan, gesehen von Hoboken 

Chinatown 

Irgendwo in Koreatown 

Das Schatten des Empire State Building 

Der Trip nach New York war wie ich schon sagte ein schöner Trip, aber ich könnte mir nie vorstellen, dort zu wohnen - und die Stadt hat mich auch nicht in den Bann gezogen wie europäische Städte wie Wien oder Stockholm. 

Und nun sind wir also hier. 

Ich schreibe nun meine Gedanken zum Weltgeschehen:

Vor einigen Wochen ist das Assad-Regime in Syrien endlich gefallen, und dass nachdem diese Familie das Land seit über 50 Jahren in der Hand hatte, und nach 13 Jahren Bürgerkrieg, den viele aus irgendeinen Grund für abgeschlossen hielten. Daraufhin kam heraus, wie schrecklich die Gräueltaten des Regimes wirklich waren, als das Saidnaja-Gefängnis in Damaskus befreit wurde. Als es befreit wurde, dachten einige, es sei die Armee des Saddam Husseins, da diese so viele Jahre in Gefangenschaft und so isoliert waren, dass die nichts vom Irakkrieg und den Sturz Saddams erfahren hatten. Und dann sind da noch die Kinder - viele der Kinder sind in Gefangenschaft über Vergewaltigungen gezeugt worden. Das ist einfach nur krank. 

Aber trotz dessen, als Israel - berechtigt - militärische Ziele wie eine Waffenfabrik und ähnliches bombardiert, und wo anscheinend keine Menschen zu Tode kamen, haben die öffentlich rechtlichen Medien nichts anderes zu tun, als darüber obsessiv zu berichten. Das, obwohl die Türkei zur selben Zeit den kurdischen Norden Syriens bombardiert und besetzt, da Erdolf den Gedanken an einen kurdischen Staat nicht ertragen kann. Aber niemand sagt nur ein Wort dagegen. 

Aber leider überrascht mich das nicht. 

Und nun zum Elefanten im Raum - ich bin froh, dass Donald Trump die Wahl in den USA gewonnen hat. Wie die letzten vier Jahre gezeigt haben, braucht die Welt ein starkes Amerika, um den Diktatoren der Welt zu ihren Plätzen zu weisen. 

Möge 2025 besser werden. 

Sonntag, 29. Dezember 2024

Bücher, die mich dieses Jahr bewegt haben - 2024 Version

Es ist wieder Zeit, hier Bücher zu besprechen, die mich dieses Jahr bewegt haben. Letztes Jahr war es 10 Jahre her, dass ich damit angefangen habe, aber dann gab es nichts in den Jahren 2017-2021, aus diversen Gründen. 

Und wie immer, trotz der Nummerierung, ist dies keine Reihenfolge. 

Fangen wir also an. 

1) Medea und ihre Kinder, Ljudmila Ulitzkaja 

Dies ist einer von Ljudmila Ulitzkajas ersten Romanen, und schon hier konnte man merken, was für eine gute Schriftstellerin sie ist. 

Der Roman ist ein Familienroman zentriert um Medea Sinopli, eine pontische Griechin aus Feodosija auf der Krimhalbinsel, und einen Sommer bei ihr in einem Sommer in den 80er Jahren. Sie ist eine Witwe, und obwohl sie und ihr verstorbener jüdischer Mann selbst nie Kinder bekamen, betrachtet sie ihre Nichten, Neffen und deren Kinder als ihre Kinder, und sie ist auch das einzige, was diese Familie zusammenhält. 

Der Roman ist zudem nicht in chronologischer Reihenfolge erzählt, man erfährt von der Ankunft diverser Familienmitglieder in Feodosija, und dann hört man ihre Lebensgeschichte. Es werden dann zudem hier und da einige Dinge erwähnt, die einen zuerst ziemlich trivial vorkommen, bis man dann später wieder mit diesen Dingen konfrontiert wird und man dann einsieht, wie dies gut im Text vorher angedeutet wurde. 

Der Roman wirkt zudem heute, zehn Jahre nach der illegalen Annektierung der Krim im Frühjahr 2014, zudem in einem ganz anderen Licht als zu der Zeit, in der Ulitzkaja den Roman schrieb. Im Vorwort erinnert sie daran, dass die Krim zu Sowjetzeiten ein sehr beliebter Urlaubs- und Kurort war, und sie selbst viele schöne Erinnerungen von dort hat. 

Ich würde auch sagen, dass der Roman ein literarisches Statement für eine nun längst vergangene Zeit auf der Krim ist, und dass nicht nur wegen der Zeit vor der Revolution 1917. Es wird auch die Vertreibung der Krimtataren 1944 angesprochen, und wie viele Establishments dort in den darauffolgenden Jahrzehnten nicht an Krimtataren vermieten wollten - oder durften. 

In Medeas Familie sieht man außerdem wie die pontischen Griechen in andere Nationen der Sowjetunion einheirateten, unter anderen auch Armenier und Koreaner. 

Ein kleines Detail am Anfang des Romans dass ich sehr amüsierend fand war dieses: So besucht Medea das Grab ihres verstorbenen Mannes, der - obwohl er jüdisch war, auf dem griechischen Friedhof lag - als Parteimitglied natürlich einen Stern auf dem Grabstein hatte. Diesen Stern hatte Medea dann später so verändert, dass er wie ein "Weihnachtsstern" aussah. 

2) unterwegs verloren, Ruth Klüger 

Vor zehn Jahren habe ich Ruth Klügers Erinnerungen über ihre Jugend in den Zeiten der Verfolgung und des KZ, weiter leben, hier besprochen. Das Buch endete mit der Migration mit ihrer Mutter, mit der sie ein ziemlich ambivalentes Verhältnis hatte, in die USA. 

Hier geht es dann um die Jahre danach, in den USA. Von ihrer Liebe zur deutschen Sprache und Literatur, und ihrer gescheiterten Ehe mit einem etwas älteren deutsch-jüdischen Einwanderer, und ihr später ebenfalls entfremdetes Verhältnis zu ihren Söhnen und auch dessen Familien. 

Wie in ihren ersten Erinnerungen erzählt sie alles sehr schonungslos und ohne jegliche Sentimentalität, und man kann wirklich verstehen, wieso sie so fühlte. 

Einen Punkt im Buch den ich als sehr interessant fand, war der hier: Als sie damals "weiter leben" geschrieben hatte, schickte sie es - unter anderen - zuerst zum Jüdischen Verlag Suhrkamp, wo es dann abgelehnt wurde, weil es nicht "literarisch genug" war. Kurze Zeit danach trifft sie dann den damaligen Verlagschef, der ihr das damals neu erschienene Buch Bruchstücke von "Binjamin Wilkomirski" gab, und sagte "so schreibt man eine Erinnerung an die Schoa" (oder so ähnlich). Kurze Zeit später kam jedoch heraus, dass das Buch eine reine Fabrikation war, und dass "Binjamin" eigentlich ein Schweizer Nichtjude namens Bruno Dösseker ist der mit dem Buch einige Kindheitstraumen aus der ländlichen Schweiz verarbeitete, indem er sie im Mantel der Schoa kleidete. Somit war er einer der ersten prominenten Kostümjuden. 

Und hier frage ich mich dann, warum müssen Erinnerungen wie die aus der Schoa den "literarisch" sein, wenn diese die Erinnerungen der Person wiedergeben zum Zwecke der Erinnerung sind, damit diese Zeit nie vergessen wird?

Und so wie der Vorgänger ist "unterwegs verloren" sehr kritisch gegenüber der "Museumskultur" der Schoa. 

Ruth Klüger war eine gute Schrifstellerin. Sie starb im Herbst 2020 im Alter von 88 Jahren in ihrem Zuhause in Kalifornien. 

3) Briefe nach Breslau, Maya Lasker-Wallfisch

Ich habe vor 9 Jahren das Buch ihrer Mutter, Anita Lasker-Wallfisch´s "Ihr sollt die Wahrheit erben" gelesen, und war auch wirklich von dem Buch bewegt. (Warum ich das Buch allerdings dann nicht im Post von 2015 erwähnte, weis ich nicht) 

Maya Lasker-Wallfisch´s Buch ist eine Erinnerung an ihr eigenes Leben als Tochter von Überlebenden, und ihre Briefe an ihre verstorbenen Grosseltern und ihrer in Israel verstorbenen Tante, nach der sie benannt wurde. 

Interessant ist, das bei Kindern von Überlebenden sehr oft das Trauma an das erste Kind weitergeleitet wird, im Falle von Maya allerdings wurde das Trauma an ihr, das zweitgeborene Kind, weitergegeben, und nicht an ihren grossen Bruder Raphael. 

Sie erzählt auch, wie sie in die Drogenfalle hereinfiel, dann in eine Beziehung mit einem Jamaikaner kam, der dann ebenfalls in diese Falle kam, und wie sie dann zurück nach England kam, wo sie dann in den Entzug kam und dann wieder ihr Leben beginnen konnte - aber das erst wieder nachdem sie in einer Beziehung mit einem von der Entzugsklinik war, der dann leider wieder in diese Falle fiel. Ich würde diesen Teil des Buches jeden naheliegen, der selbst mit Drogen zu kämpfen hat, denn das ist nichts zum spaßen und kann das Leben zerstören. 

Maya erzählt auch, wie im Haushalt ihrer Eltern nichts jüdisches war - keine Besuche in der Synagoge (eine Tatsache, die ihre Mutter Anita in ihrem eigenen Buch bereute), kein Sederabend zu Pesach, nichts. Maya kam erst mit dem Judentum in Berührung, als sie den Sohn des konservativen Rabbiner Louis Jacobs (1920-2006) heiratete. Diese Ehe hielt auch nicht ewig, aber sie bekam da durch endlich etwas Stabilität in ihr Leben und wurde Mutter. 

Sie erzählt auch von ihrer Reise nach Breslau und Auschwitz mit ihrer Mutter, und wie genervt ihre Mutter von den Filmaufnahmen während der Reise war. 

Das Buch ist jedenfalls sehr gut und geht auch rein in die Psyche von der zweiten Generation der Überlebenden. 

4) Die Schleierkarawane, Ismail Kadare 

Letzten Sommer hatte ich endlich die Gelegenheit Ismail Kadares Novellensammlung "Die Schleierkarawane" zu lesen, und war wirklich erstaunt, wie gut es war - vor allem die erste, Titelgebende Erzählung. 

Kurz nachdem ich den Band gelesen hatte, verstarb Ismail Kadare in Tirana am 1. Juli im Alter von 88 Jahren. 

Nicht, dass ich je was schlechtes erwartet habe, nur ist mir dann aufgefallen wie gut es geschrieben war und wie gewagt der Text war, wenn man weis, dass es in der Spätzeit des stalinistischen Diktators Enver Hoxha (1908-1985) geschrieben ist. Es muss hier gesagt werden, dass Hoxhas Albanien so zusagen das Nordkorea von Europa war, und das jegliche Religion sowie Kritik an dem System verboten war. Und deswegen verlegte Kadare seine Werke meist in die Zeit des Osmanischen Reiches, zu der Albanien mehrere hundert Jahre gehörte, und in der Zeit wurde der Islam auch die vorherrschende Religion des Landes. Hier muss auch gesagt werden, dass Kadare selbst - obwohl in eine muslimische Familie reingeboren - Zeitlebens nie viel vom Islam hielt, dem Christentum jedoch sehr positiv eingestimmt war. Trotz dessen ist er selbst nach dem Zusammenfall des Kommunismus nie (offiziell oder offen) zum Christentum übergetreten. 

Die Kritik am Islam - beziehungsweise der Verschleierung - ist sehr deutlich in der ersten Geschichte, in der ein Gesandter aus Konstantinopel, Hadschi Milet, in den Balkan geschickt wird, um dort den Schleier an den lokalen Frauen nahezulegen. Die Suggestion Kadares ist, dass der Schleier nicht dort hingehört, und dass bekommt der Hadschi Milet auch gut zu hören, auch nach dessen ersten Kontakt mit dem Christentum. Bei seiner Rückkehr wird er wegen diesen Zweifeln, die er wohl im Schlaf ausspricht, von den Machthabern bestraft. 

Die Kritik an das stalinistische System Enver Hoxhas ist hier besonders klar. Überraschenderweise wurde es damals, ein Jahr vor Hoxhas Tod, dennoch veröffentlicht. 

Mehr möchte ich nun nicht verraten. 

5) Der Ausflug der toten Mädchen, Anna Seghers
Diese Novellensammlung von Anna Seghers las ich zum ersten Mal im Dezember 2011, in der Zeit, in der ich sie erstmals entdeckte. In der Zeit war ich auch ziemlich glücklich, der einzige in meiner Klasse zu sein, der wusste wer sie und Isaac Bashevis Singer waren. 

Letzten Frühling habe ich mir den Band wieder durchgelesen, und es ist genau so gut wie damals - ich lese es jetzt auch mit ganz anderen Augen, da ich jetzt auch viel mehr vom Leben weis, als mit 17 Jahren. 

Wie dem  auch sei, die titelgebende Novelle ist eine Erinnerung an einem Ausflug einer Mädchenschule in Mainz kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Die Erzählerin Netty - also wohl die Autorin selbst, die eigentlich Netty Reiling-Radvanyi hieß - im mexikanischen Exil denkt an diesen Ausflug zurück, und über ihre Mitschülerinnen, die sich später entweder gegen das Naziregime wendeten, oder Mitläufer wurden, die dann ihre geehrte alte Lehrerin als Judensau beschimpften. Die Novelle ist somit ein sehr gutes Spiegelbild der Schicksale des 20. Jahrhunderts. Die "toten Mädchen" im Titel selbst sind zweideutig, denn entweder ist es so, dass die später nicht mehr dieselben waren, die sie zur Zeit des Ausflugs waren, oder sie wurden entweder vom Naziregime ermordet oder kamen mitsamt ihren Familien bei den Bombardierungen des Krieges um. 

Meiner Meinung nach ist dies wohl die beste Erzählung Anna Seghers, und es ist schade, dass selbst heute nicht soviel darüber geredet wird, wie zum Beispiel Das siebte Kreuz oder Transit. 

Ich möchte hier zudem noch eine weitere Novelle aus dem Band erwähnen, "Post ins Gelobte Land", die wohl jüdischste Geschichte die Seghers je geschrieben hatte. Die Novelle ist meiner Meinung nach auch ein Statement dafür, dass ein Jüdischer Staat notwendig ist - und hier muss man bedenken, dass Anna Seghers später in der DDR, in den Jahren 1967 und 1973 sich weigerte, Israel als faschistischen Staat zu defammieren, da sie zeitlebens eine stolze Jüdin blieb. Die Tatsache, dass das Gebetbuch aus ihrer Kindheit und Jugendzeit in der Schublade neben ihrem Bett lag, sagt wohl da so einiges aus. 

Das sind also die Bücher, die mich dieses Jahr so bewegt haben. 

Donnerstag, 19. Dezember 2024

FILMKRITIK: The Devil & the Song (Südafrika 1989) (2/10)

Regie: Bromley Cawood 

Produktion: P.G. du Plessis, Albie Venter, Frederik Botha

Drehbuch: P.G. du Plessis

Musik: Bles Bridges

Darsteller: Victoria Bawcombe, Bles Bridges, Janet du Plessis, Patrick Ndlovu, Michael Brunner, Gert van Niekerk, Ken Marshall, Anne Curteis, Miems de Bruyn, Kobus Botha, Peter Tunstall, Arthur Williamson, Phillip Wolfaardt, Christopher Dingle, George Korelin, Alwyn Swart, Tammy Bonell, Lynda Marshall, Ian Stern, Karin Wolff, Hein Eksteen, Henrietta Gryffenberg, Dan Hill 

Hadlung:

Die Reporterin Deborah Martin (Victoria Bawcombe) bekommt den Auftrag, einen grossen Artikel über den Schlagersänger Bles Bridges zu schreiben, sehr zu ihrer Last. Mit ihrem Assistenten Sam (Gert van Niekerk) verbringt sie dann einen Abend bei Bles Bridges (Bles Bridges), und riecht dann eine Story, als sein Bediensteter Alfred (Patrick Ndlovu) auf einmal den "irischen Teufel" benennt, aber von niemanden eine Antwort bekommt, und Bles´ Frau Leonie (Janet du Plessis) scheint davon auch keine Ahnung zu haben. Deborah geht tiefer in ihre Recherchen, und lernt, dass die Dinge nicht immer so sind, wie sie scheinen. 

Review:

Ja, welchen Film reviewt man, nachdem man einen sehr guten und viel geschätzten koreanischen Film wie Sympathy for Mr. Vengeance besprochen hat? Einen der größten Flops der südafrikanischen Filmgeschichte, natürlich! Es ist aber nicht nur ein recht schlechter Film, sondern auch ein Relikt einer längst vergangenen Ära, und damit meine ich nicht nur die Apartheid, die später im selben Jahr 1989 sich auch dem Ende zuneigte. Nein, der Film wurde im Zuge der grossen Mania um Bles Bridges (1946-2000) gemacht, der damals erfolgreichste Schlagersänger Südafrikas war - und zudem auch ein sehr prominenter Unterstützer des Apartheid-Systems war. Der Film ist sozusagen eine sehr dünn verschleierte Biografie des Sängers, die in Flashbacks erzählt wird neben den Szenen um das ach so große Mysterium das Deborah versucht zu lösen. 

Oh, und ich werde hier alles spoilern. 

Der Film wurde einer der größten Flops der südafrikanischen Filmgeschichte, und war anscheinend einer der Gründe, weswegen einer der Produzenten, Albie Venter, ein Jahr später an Herzproblemen verstarb. 

Der Film war anscheinend ein wirklich so großer Flop, dass die meisten, die am Film mitbeteiligt waren, ihn vergessen wollen - denn ich konnte nirgends in der Endlosigkeit des Internets ein einziges Filmposter finden, lediglich nur die Platten-und Kassettencover für den Soundtrack. Ich las - in den Kommentaren auf YouTube, wo der ganze Film hochgeladen wurde und zugänglich ist - dass der Film trotz den Bemühungen von Bles Bridges´ Fans, den sogenannten Brigadiers, an den Kassen so dermaßen floppte und die Produktionsfirma deswegen schließen musste. Dies war anscheinend einer der Gründe, wie oben genannt, dass Albie Venter deswegen starb. 

Und ich kann sehr gut verstehen, warum der Film floppte. Mal abgesehen davon, dass der Film der sich angeblich an ein wahres Ereignis im Leben von Bles Bridges basiert, ein riesiger Egotrip von Ihm ist, ist der Film einfach nicht besonders gut. 

Der Film ist ein wirklich klischeehaftes Vanity Project, zu dem Punkt wo man fast denken könnte, es handele sich um eine Parodie - ist es aber nicht. Das Ego von Bles Bridges, der sich hier selbst spielt, ist auch riesig gross - so wird er hier als liebender Ehemann, Vater, Schwiegersohn und Chef seiner Firma dargestellt, der sich immer um die Probleme anderer sorgt. Und das, trotz seines "Teufels". Was ist der Teufel denn, der die ganze Zeit im Film erwähnt wird?

Nunn kommen wir zu den Spoilern! 

Anscheinend hatte Bles Bridges ein Wutproblem, den er seinen "Irish Devil", oder irischen Teufel, nannte - denn es stellt sich heraus, dass dieses Geheimnis dass er sowohl seiner Frau als auch Deborah verschweigt diese ist: ein junger Portugiese (wohl ursprünglich aus Mosambik) hat ihn und seine Arbeiter beleidigt, weswegen Bles wütend wurde und ihn ins Koma geschlagen hat. Die Mutter des Portugiesen reagiert jedoch nicht ablehnend gegenüber Bridges da sie "ihren Sohn kennt", und er hat sich dann die ganze Zeit um sie gekümmert. Bles Bridges sagt dann zu Deborah, dass sowohl er als auch sie "denselben Teufel" haben - Deborahs Teufel ist lediglich der, dass sie Leute mit ihren Worten in der Presse schadet und fertigmacht. Sowohl sie als auch der (logisch denkende) Zuschauer sind nicht damit einig. Und echt jetzt, ist jemanden ins Koma schlagen wirklich dasselbe wie über jemanden in der Presse herzuziehen? Anscheinend will uns der Film diese Botschaft verkaufen. 

Es endet jedenfalls damit dass der junge Portugiese wieder aufwacht, und Bles Bridges ach so wichtiges Konzert irgendwo in Johannesburg ist ein großer Erfolg. Und anscheinend will Deborah dann nicht mehr den Artikel veröffentlichen, denn sobald sie den Satz "This is the story I didn´t write" geschrieben hat, wird der Schirm des (altmodischen 80er Jahre) Computers dunkel, und dann kommen die Credits. 

In den Credits wird dann folgendes erwähnt:

"The producers wish to thank Lance James and Irving Schlosberg without whom this story would not have been told."

Lance James war ein weiterer Country-und Schlagersänger, der wie Bles Bridges ein Unterstützer des Apartheidsystems war. 

Wie wahr die Story die im Film gezeigt ist, weis ich nicht. 

Hier muss ich auch sagen, dass Bles Bridges Zeitlebens sehr kritisch gegenüber Journalisten war - was auch im Film vorkommt. Auf der einen Seite war es, weil die englischsprachige Presse nicht gerade ein Fan seiner schmalzigen Schlager war, und zweitens, weil er die aus seinem Privatleben raushielt, und es bevorzugte, als liebender Ehemann und Vater angesehen zu werden. Nun denn. Im Laufe der 90er Jahre kam dann heraus, dass Bles mehrere Affären hatte, woran sein Image letztendlich auch litt. Das macht die ganze Sache um sein Verhältnis zur Presse und den Frauen die ihn hinterherliefen wirklich sehr peinlich, wenn man von diesen Dingen weis. 

Nun kommen wir zu den wirklich peinlichen Momenten im Film - so gibt es eine Musiksequenz, die in einem Flashback spielt, kurz nachdem er im Krankenhaus die Magenkrebsdiagnose bekam. So bald er rausging, fängt das Lied "I want to live" an, und die Straße wird ganz dunkel und es kommt viel bizarre Beleuchtung und Symbolik, die irgendwie keinen Sinn ergibt. Das mach die ganze Szene wirklich unfreiwillig komisch. Das ist so eine der Szenen die mich dann irgendwie an den viele Jahre später entstandenen Film "Daniel der Zauberer" denken lies, der genau so schlecht und prätentiös ist, aber dabei viel mehr bizarr. 

Und wenn wir von Musik die nicht in eine Szene passt reden, die Szene in der wir die Operation im Krankenhaus sehen spielt im Hintergrund das Uptempo Lied "Fight for Love" (ein Cover des Liedes "Sperr mich nicht ein" von Udo Jürgens, nur mit einem sehr oberflächlichen Text). Das ist wirklich sehr kognitive Dissonanz wie sie im Buche steht. 

Und dann sind da noch einige weitere Flashback-Szenen, in der er im Badezimmer singt - MIT MUSIK - und die gesamte Nachbarschaft hört mit, oder er singt in einem Nachtklub und die Hintergrund spielt mit. 

Kommen wir zu den Darstellern. 

Victoria Bawcombe ist die beste Darstellerin im Cast, und spielt die Rolle in einer Weise a la Took the bad film serious. Zudem ist die Rolle die sie spielt wohl auch die sympathischste. Bles Bridges, trotz des oft sehr offensichtlichen Egos, gibt mehr oder weniger sein bestes - wirkt aber auch nicht authentisch, und das trotz der Tatsache, dass er sich selbst spielt. Janet du Plessis ist okay, genau wie Patrick Ndlovu. 

Und nun kommen wir zu dem Elefanten im Raum - wie oben erwähnt entstand der Film in der späten Apartheidzeit, und zum ende desselben Jahres 1989 neigte sich diese Zeit dem Ende zu. 

Der von Patrick Ndlovu gespielte Alfred ist die einzige schwarze Rolle mit Dialogen im ganzen Film, und wenn man genau hinsieht, berühren sich er und die weißen Charaktere nie. Zum Ende des Films sieht man ihn zudem beim Konzert, allerdings nur so indem man ein großes Closeup seines Gesichts macht, und man sieht ihn nicht beim restlich weißen Publikum, nicht einmal bei den Bridges, denen er ja angeblich so nah steht. In den Credits wird zudem eine Schauspielerin genannt, die seine Frau spielt - sie kommt allerdings in keiner Szene vor, wahrscheinlich saß sie neben ihm beim Konzert, wurde aber nicht gezeigt oder hervorgehoben wie er. 

Und hier muss man dann daran denken, dass Bles Bridges ein Unterstützer des Systems war, die Politik von PW Botha befürwortete und auch ein Benefizkonzert für die rechtsradikale Afrikaner Weerstandsbeweging gab. Dies ist eine Organisation, die selbst noch in den 90er Jahren Angriffe auf Schwarze, Coloured und liberale Politiker machte, und zudem den Wunsch äußerte, die Juden Südafrikas auszurotten. 

Das macht die ganzen Szenen, in der Alfred auftaucht, sehr bizarr. 

Und dann ist da auch noch die Tatsache, dass Bles Bridges ein Jahr später versuchte das Houstock Festival zu verhindern, da dort mehrere Künstler (wie Jennifer Ferguson und Johannes Kerkorrel) auftraten, die sehr prominente Gegner der Apartheid waren. 

Wenn das alles gesagt ist, macht das den Film sehr faszinierend - ein Relikt der späten Apartheid, aus den Augen der Leute, die dieses System unterstützten. 

Das seltsamste ist jedoch die Tatsache, dass der Film auf Englisch gedreht wurde, nicht auf Afrikaans. Naja, ich liebe das südafrikanische Englisch - ist wie Afrikaans eine sehr schöne Sprache. 

PS - die Tatsache dass mehrere der im Film vorkommende Lieder Cover von deutschen Schlagern sind, ist wirklich nervig. 

Screenshots:

10 Jahre Charlie Hebdo und Hypercacher

  "Je suis Charlie" ging um die Welt.  Heute ist es schon zehn Jahre her, dass der Terroranschlag bei der Redaktion der französisc...