Freitag, 3. Januar 2025

Dizengoff Square, oder wie man einen Ort vermissen kann

Das Dizengoff Square in Tel Aviv, mit seinem ikonischen Springbrunnen, hat sich seit seiner Entstehung in den 1930er Jahren immer und immer wieder verändert. Das ist mir allerdings aus irgendeinen Grund ist mir das aber erst vor einigen Jahren klargeworden, aus irgendwelchen Grund auch immer. 

Der Springbrunnen im Sommer 2016 - in der Form, in der ich ihn drei Jahre zuvor kennenlernte

Als ich ihn 2013 zum ersten Mal besuchte, war der Springbrunnen recht Farbenfroh, und war auf einer Plattform die über eine Straße ging. 

Und jeden Freitag war da bis kurz vor dem Schabbat ein Flohmarkt, wo man oft kleine Schätze finden konnte, wenn man die Augen aufhielt. 

Das Dizengoff Square wurde 1938 nach vierjähriger Bauzeit eröffnet, und nach Zina Dizengoff, der Frau des ersten Bürgermeister der Stadt, Meir Dizengoff. 

Erst in den 70ern wurde der Platz so umgebaut, dass da eine Straße unter dem Springbrunnen war, und der Springbrunnen an sich kam dann so weit ich weis dann erst wieder 2012, wo er dann auch bunt gemalt wurde. 

So lernte ich ihn dann im Jahre darauf kennen. 

2014 bemerkte ich, bei meinem zweiten Israel-Aufenthalt, den Flohmarkt an der Seite, wo man runter zur Straße gucken konnte. 

Der Flohmarkt im Januar 2016. 



War schon etwas überrascht, Kunst aus Grönland da zu sehen 


Hier sieht man die Plattform am besten 


Persische Kunst, gesehen im Sommer 2015

Im Sommer 2015

Ich fand es immer berauschend, Freitags da zu gehen und die verschiedenen Sachen dort anzuschauen. Ich habe aber nie was gekauft - auch als ich im Januar dort mein Lieblingsalbum der israelischen Rocksängerin Yehudit Ravitz, Derech haMeshi aus dem Jahre 1984 fand, tat ich es nicht, auch weil ich nicht wusste ob es dem Flug zurück nach Kopenhagen überleben würde. 

Es war eines meiner Lieblingsorte in Tel Aviv, und eines der Höhepunkte während eines Spaziergangs an der Dizengoff Straße. 

Aber dann im Januar 2017 war alles vorbei. 

Der geräumte Platz nach dem Abriss, Januar 2017

Es wurden Partikel vom Abriss verkauft - wie bei der Berliner Mauer. 

Die Leute standen Schlange, um einen Teil vom Abriss zu kaufen. 

Naja. Ich war halt auf dem Weg dahin am Freitag, nachdem ich am Abend zuvor angekommen war. Ich hatte wirklich dringend das Bedürfnis, zum Flohmarkt zu gehen, aber wurde dann mit einer riesigen Schlange konfrontiert. Ich bemerkte dann, dass das Ende der Straße gesperrt war - und erst da fiel mir auf, dass da weder Busse noch anderer Verkehr auf der Straße war. 

So musste ich feststellen, dass das Dizengoff Square abgerissen worden war, um es in seinem ursprünglichen Zustand wieder aufzubauen. 

Das war ziemlich enttäuschend. 

Im November 2018 waren die Arbeiten fertig, allerdings wurde der neue Springbrunnen ohne Farben wiederaufgebaut. Und ohne Farben ist er noch heute. 

Dizengoff Square im Frühsommer 2023 - das letzte Mal, wo ich in Israel war 

Und ich muss so dann sagen, dass ich das Design vor dem Abriss 2017 besser mochte - da war einfach etwas berauschendes an dem Platz, auch mit dem Flohmarkt am Freitag. 

Der Flohmarkt kehrte nämlich nicht wieder zurück, nachdem die Bauarbeiten Ende 2018 fertig waren. 

Aber naja, man kann halt nichts dagegen machen. 

Mittwoch, 1. Januar 2025

Oh, hallo 2025!

 

Tja, nun sind wir hier
Was soll ich nun schreiben?

Es ist ein weiteres Jahr vergangen, und ein neues hat angefangen. Es war ein schöner Abend gestern, und wir haben die erste Neujahrsrede unseres Königs gesehen. Bei der Neujahrsrede 2023 hat Königin Margrethe ihre Abdankung angekündigt, und später im Januar letzten Jahres hat Frederik dann den Tron bestiegen - zwar nicht so pompös wie in der UK, aber dennoch war es ein besonderer Tag. Ich hatte das Glück vor dem Parlament zu stehen, und zu sehen, wie unsere Premierministerin ihn als König ausrief. 

Das erlebt man nicht alle Tage. 

Aber er hat die Rede sehr gut gehalten, und das obwohl man wusste, wie nervös er dabei war. 

Wie ich schon vor zwei Tagen sagte, ich stehe 2024 ziemlich ambivalent gegenüber, und bin jetzt ehrlich gesagt froh, dass es vorbei ist. 

Und morgen ist der letzte Tag Chanukka - und ich hoffe, dass 2025, und der Rest von 5785, gut gehen wird. 

Frohes neues Jahr! 

Montag, 30. Dezember 2024

Lebewohl, 2024

 

Und so endet wieder ein Jahr...

Meine letzten Worte hier auf dem Blog für 2024 sind nicht viel, nur das folgende:

Möge 2025 besser sein als 2024, und mögen wir alle unser eigen Glück in dem Jahr finden. 

Ich bin irgendwie optimistisch. Wieso, kann ich ehrlich gesagt nicht wirklich sagen. Für mich selbst hoffe ich einfach nur, dass ich bald aus den Ketten befreit bin, die mich derzeit fesseln. 

Und ach ja - es ist Chanukka. 

Wir sind gerade in der siebten Nacht angekommen, und ich hoffe wirklich von ganzen Herzen, dass dieses Chanukka noch ein Wunder geschehen wird. 

Und wenn das gesagt ist, finde ich es interessant, dass es 2025 zwei Mal Chanukka geben wird - die letzten Tage fallen ins neue (gregorianische) Jahr, und dann kommt es natürlich wieder im darauffolgenden Winter. 

Der letzte Tag Chanukka soll ein Tag voller spirituellen Potentials sein. Ich werde versuchen, an dem Tag alles richtig zu machen. 

Die Suche nach dem perfekten Jahresbanner

Jedes Jahr, wenn ein neues Jahr beginnt, mache ich ja bekanntlich einen Post über das neue Jahr, und brauche dazu natürlich ein Banner dass ich irgendwo im Internet gefunden habe. 

So weit, so gut. 

Letztes Jahr aber, versuchte ich mit Hilfe vom KI-Generator von Microsoft Bing etwas selbst zumachen, was ich jedoch dann lies. 

Ich möchte euch dennoch diese Kreationen zeigen:

Ich versuchte es mit dem russischen "Novy God" xD 

Gelungener, aber dennoch Seelenlos - ist halt KI

Gruselig 

Na das ist mir neu, 20224

KILL IT WITH FIRE 

Aber ich muss dann sagen, dass wenn ich am Morgen des 1. Januar nach solchen Jahresbannern suchte, muss ich leider sagen, dass so gut wie jedes der Banner von KI gemacht wurde. Das ist wirklich ziemlich lächerlich, und zeigt leider auch, wie verbreitet der Gebrauch von KI über das letzte Jahr 2023 geworden ist. 

Zum vergleich, hier sind die Banner, die ich Ende 2022/Anfang 2023 benutzte:



Digitalisiert ja, aber dennoch nicht vollständig KI. 

Ich hoffe wirklich, dass dieser Trend bald zu Ende geht. 

Wie war 2024?

 

Ich sehe nichts falsches - der Glasgow Oompa Loompa ist dieses Jahr mein Spirit Animal 

Dieses Jahr war wirklich etwas...meh. 

Mal abgesehen davon, dass der Krieg in Israel noch am laufen ist, und das der Krieg in der Ukraine noch am laufen ist, ist es nicht wirklich so verlaufen, wie ich erhoffte. Es kann halt nicht immer so gehen, wie man hoffte. 

Aber ich kann jedenfalls sagen, dass es mir jetzt besser geht als zum Anfang des Jahres. 

Nun hoffe ich in den nächsten Monaten, mich selbst von dem zu befreien, was mich fesselt. 

Aber naja. 

Ich hatte gehofft, dass 2024 für mich eine Art zweites 2014 sein würde, wurde es aber nicht - aber ich habe mir jetzt vorgenommen, dass 2025 es sein wird. 

Dieses Jahr wurde ich 30, und der Geburtstag wurde gefeiert mit einem schönen Trip mit meinen Eltern nach Oslo. 

Das Nationaltheater 

Die Synagoge in Bergstien 

In den Bergen Norwegens 

Im Vigelandspark 



Am Jüdischen Friedhof Sofienberg 

Bei Akershus 

Detail aus einer vergangenen Zeit bei Akershus 


Blick vom Schloss zur Innenstadt 

Holzkirche im Norwegischen Volksmuseum 


Im Norwegischen Volksmuseum 



Am Hafen der Museumshalbinsel 

Oslo war eine sehr schöne Reise in den Osterferien, allerdings muss ich sagen, dass Stockholm dann viel schöner und spannender ist. Oslo ist irgendwie eine kleinere Version von Kopenhagen, nur mit Bergen. War dennoch eine schöne Reise, und es war definitiv nicht das letzte Mal, dass ich da war. 

Kurz danach war es Pesach, und überraschenderweise hatte ich da die Grippe, obwohl die den ganzen Winter entgehen konnte. 

Danach fing ich im Mai ein wichtiges Praktikum an, wo ich dann bis Mitte Juli war. 

Und ach ja, ein Tag reiste ich mit mehreren der jüdischen Jugendorganisation nach Odense, um dort Stolpersteine zu reinigen. 



Die Stolpersteine waren sowohl von deportierten Juden als auch von Widerstandskämpfern. Das war jedenfalls ein sehr schöner und sehr informativer Tag, der wohl am heißesten Tag des Jahres fiel. 

Im September hatte ich dann einen schönen Kurztrip nach Flensburg, sowie eine Woche auf Lolland. 

Neustadt, Flensburg 

Das verbesserte Wappen der Stadt am Nordertor 

Der Istedlöwe 

Irgendwo auf Lolland


Danach kamen dann die Hohen Feiertage, die uns ins Jahr 5785 brachten, und auch sehr schnell vergingen. 

Nun ja, und kurz danach war ich dann in New York. 

Im Central Park 

Der Temple Emanu-El beim Central Park 

Manhattan, gesehen von Hoboken 

Chinatown 

Irgendwo in Koreatown 

Das Schatten des Empire State Building 

Der Trip nach New York war wie ich schon sagte ein schöner Trip, aber ich könnte mir nie vorstellen, dort zu wohnen - und die Stadt hat mich auch nicht in den Bann gezogen wie europäische Städte wie Wien oder Stockholm. 

Und nun sind wir also hier. 

Ich schreibe nun meine Gedanken zum Weltgeschehen:

Vor einigen Wochen ist das Assad-Regime in Syrien endlich gefallen, und dass nachdem diese Familie das Land seit über 50 Jahren in der Hand hatte, und nach 13 Jahren Bürgerkrieg, den viele aus irgendeinen Grund für abgeschlossen hielten. Daraufhin kam heraus, wie schrecklich die Gräueltaten des Regimes wirklich waren, als das Saidnaja-Gefängnis in Damaskus befreit wurde. Als es befreit wurde, dachten einige, es sei die Armee des Saddam Husseins, da diese so viele Jahre in Gefangenschaft und so isoliert waren, dass die nichts vom Irakkrieg und den Sturz Saddams erfahren hatten. Und dann sind da noch die Kinder - viele der Kinder sind in Gefangenschaft über Vergewaltigungen gezeugt worden. Das ist einfach nur krank. 

Aber trotz dessen, als Israel - berechtigt - militärische Ziele wie eine Waffenfabrik und ähnliches bombardiert, und wo anscheinend keine Menschen zu Tode kamen, haben die öffentlich rechtlichen Medien nichts anderes zu tun, als darüber obsessiv zu berichten. Das, obwohl die Türkei zur selben Zeit den kurdischen Norden Syriens bombardiert und besetzt, da Erdolf den Gedanken an einen kurdischen Staat nicht ertragen kann. Aber niemand sagt nur ein Wort dagegen. 

Aber leider überrascht mich das nicht. 

Und nun zum Elefanten im Raum - ich bin froh, dass Donald Trump die Wahl in den USA gewonnen hat. Wie die letzten vier Jahre gezeigt haben, braucht die Welt ein starkes Amerika, um den Diktatoren der Welt zu ihren Plätzen zu weisen. 

Möge 2025 besser werden. 

Sonntag, 29. Dezember 2024

Bücher, die mich dieses Jahr bewegt haben - 2024 Version

Es ist wieder Zeit, hier Bücher zu besprechen, die mich dieses Jahr bewegt haben. Letztes Jahr war es 10 Jahre her, dass ich damit angefangen habe, aber dann gab es nichts in den Jahren 2017-2021, aus diversen Gründen. 

Und wie immer, trotz der Nummerierung, ist dies keine Reihenfolge. 

Fangen wir also an. 

1) Medea und ihre Kinder, Ljudmila Ulitzkaja 

Dies ist einer von Ljudmila Ulitzkajas ersten Romanen, und schon hier konnte man merken, was für eine gute Schriftstellerin sie ist. 

Der Roman ist ein Familienroman zentriert um Medea Sinopli, eine pontische Griechin aus Feodosija auf der Krimhalbinsel, und einen Sommer bei ihr in einem Sommer in den 80er Jahren. Sie ist eine Witwe, und obwohl sie und ihr verstorbener jüdischer Mann selbst nie Kinder bekamen, betrachtet sie ihre Nichten, Neffen und deren Kinder als ihre Kinder, und sie ist auch das einzige, was diese Familie zusammenhält. 

Der Roman ist zudem nicht in chronologischer Reihenfolge erzählt, man erfährt von der Ankunft diverser Familienmitglieder in Feodosija, und dann hört man ihre Lebensgeschichte. Es werden dann zudem hier und da einige Dinge erwähnt, die einen zuerst ziemlich trivial vorkommen, bis man dann später wieder mit diesen Dingen konfrontiert wird und man dann einsieht, wie dies gut im Text vorher angedeutet wurde. 

Der Roman wirkt zudem heute, zehn Jahre nach der illegalen Annektierung der Krim im Frühjahr 2014, zudem in einem ganz anderen Licht als zu der Zeit, in der Ulitzkaja den Roman schrieb. Im Vorwort erinnert sie daran, dass die Krim zu Sowjetzeiten ein sehr beliebter Urlaubs- und Kurort war, und sie selbst viele schöne Erinnerungen von dort hat. 

Ich würde auch sagen, dass der Roman ein literarisches Statement für eine nun längst vergangene Zeit auf der Krim ist, und dass nicht nur wegen der Zeit vor der Revolution 1917. Es wird auch die Vertreibung der Krimtataren 1944 angesprochen, und wie viele Establishments dort in den darauffolgenden Jahrzehnten nicht an Krimtataren vermieten wollten - oder durften. 

In Medeas Familie sieht man außerdem wie die pontischen Griechen in andere Nationen der Sowjetunion einheirateten, unter anderen auch Armenier und Koreaner. 

Ein kleines Detail am Anfang des Romans dass ich sehr amüsierend fand war dieses: So besucht Medea das Grab ihres verstorbenen Mannes, der - obwohl er jüdisch war, auf dem griechischen Friedhof lag - als Parteimitglied natürlich einen Stern auf dem Grabstein hatte. Diesen Stern hatte Medea dann später so verändert, dass er wie ein "Weihnachtsstern" aussah. 

2) unterwegs verloren, Ruth Klüger 

Vor zehn Jahren habe ich Ruth Klügers Erinnerungen über ihre Jugend in den Zeiten der Verfolgung und des KZ, weiter leben, hier besprochen. Das Buch endete mit der Migration mit ihrer Mutter, mit der sie ein ziemlich ambivalentes Verhältnis hatte, in die USA. 

Hier geht es dann um die Jahre danach, in den USA. Von ihrer Liebe zur deutschen Sprache und Literatur, und ihrer gescheiterten Ehe mit einem etwas älteren deutsch-jüdischen Einwanderer, und ihr später ebenfalls entfremdetes Verhältnis zu ihren Söhnen und auch dessen Familien. 

Wie in ihren ersten Erinnerungen erzählt sie alles sehr schonungslos und ohne jegliche Sentimentalität, und man kann wirklich verstehen, wieso sie so fühlte. 

Einen Punkt im Buch den ich als sehr interessant fand, war der hier: Als sie damals "weiter leben" geschrieben hatte, schickte sie es - unter anderen - zuerst zum Jüdischen Verlag Suhrkamp, wo es dann abgelehnt wurde, weil es nicht "literarisch genug" war. Kurze Zeit danach trifft sie dann den damaligen Verlagschef, der ihr das damals neu erschienene Buch Bruchstücke von "Binjamin Wilkomirski" gab, und sagte "so schreibt man eine Erinnerung an die Schoa" (oder so ähnlich). Kurze Zeit später kam jedoch heraus, dass das Buch eine reine Fabrikation war, und dass "Binjamin" eigentlich ein Schweizer Nichtjude namens Bruno Dösseker ist der mit dem Buch einige Kindheitstraumen aus der ländlichen Schweiz verarbeitete, indem er sie im Mantel der Schoa kleidete. Somit war er einer der ersten prominenten Kostümjuden. 

Und hier frage ich mich dann, warum müssen Erinnerungen wie die aus der Schoa den "literarisch" sein, wenn diese die Erinnerungen der Person wiedergeben zum Zwecke der Erinnerung sind, damit diese Zeit nie vergessen wird?

Und so wie der Vorgänger ist "unterwegs verloren" sehr kritisch gegenüber der "Museumskultur" der Schoa. 

Ruth Klüger war eine gute Schrifstellerin. Sie starb im Herbst 2020 im Alter von 88 Jahren in ihrem Zuhause in Kalifornien. 

3) Briefe nach Breslau, Maya Lasker-Wallfisch

Ich habe vor 9 Jahren das Buch ihrer Mutter, Anita Lasker-Wallfisch´s "Ihr sollt die Wahrheit erben" gelesen, und war auch wirklich von dem Buch bewegt. (Warum ich das Buch allerdings dann nicht im Post von 2015 erwähnte, weis ich nicht) 

Maya Lasker-Wallfisch´s Buch ist eine Erinnerung an ihr eigenes Leben als Tochter von Überlebenden, und ihre Briefe an ihre verstorbenen Grosseltern und ihrer in Israel verstorbenen Tante, nach der sie benannt wurde. 

Interessant ist, das bei Kindern von Überlebenden sehr oft das Trauma an das erste Kind weitergeleitet wird, im Falle von Maya allerdings wurde das Trauma an ihr, das zweitgeborene Kind, weitergegeben, und nicht an ihren grossen Bruder Raphael. 

Sie erzählt auch, wie sie in die Drogenfalle hereinfiel, dann in eine Beziehung mit einem Jamaikaner kam, der dann ebenfalls in diese Falle kam, und wie sie dann zurück nach England kam, wo sie dann in den Entzug kam und dann wieder ihr Leben beginnen konnte - aber das erst wieder nachdem sie in einer Beziehung mit einem von der Entzugsklinik war, der dann leider wieder in diese Falle fiel. Ich würde diesen Teil des Buches jeden naheliegen, der selbst mit Drogen zu kämpfen hat, denn das ist nichts zum spaßen und kann das Leben zerstören. 

Maya erzählt auch, wie im Haushalt ihrer Eltern nichts jüdisches war - keine Besuche in der Synagoge (eine Tatsache, die ihre Mutter Anita in ihrem eigenen Buch bereute), kein Sederabend zu Pesach, nichts. Maya kam erst mit dem Judentum in Berührung, als sie den Sohn des konservativen Rabbiner Louis Jacobs (1920-2006) heiratete. Diese Ehe hielt auch nicht ewig, aber sie bekam da durch endlich etwas Stabilität in ihr Leben und wurde Mutter. 

Sie erzählt auch von ihrer Reise nach Breslau und Auschwitz mit ihrer Mutter, und wie genervt ihre Mutter von den Filmaufnahmen während der Reise war. 

Das Buch ist jedenfalls sehr gut und geht auch rein in die Psyche von der zweiten Generation der Überlebenden. 

4) Die Schleierkarawane, Ismail Kadare 

Letzten Sommer hatte ich endlich die Gelegenheit Ismail Kadares Novellensammlung "Die Schleierkarawane" zu lesen, und war wirklich erstaunt, wie gut es war - vor allem die erste, Titelgebende Erzählung. 

Kurz nachdem ich den Band gelesen hatte, verstarb Ismail Kadare in Tirana am 1. Juli im Alter von 88 Jahren. 

Nicht, dass ich je was schlechtes erwartet habe, nur ist mir dann aufgefallen wie gut es geschrieben war und wie gewagt der Text war, wenn man weis, dass es in der Spätzeit des stalinistischen Diktators Enver Hoxha (1908-1985) geschrieben ist. Es muss hier gesagt werden, dass Hoxhas Albanien so zusagen das Nordkorea von Europa war, und das jegliche Religion sowie Kritik an dem System verboten war. Und deswegen verlegte Kadare seine Werke meist in die Zeit des Osmanischen Reiches, zu der Albanien mehrere hundert Jahre gehörte, und in der Zeit wurde der Islam auch die vorherrschende Religion des Landes. Hier muss auch gesagt werden, dass Kadare selbst - obwohl in eine muslimische Familie reingeboren - Zeitlebens nie viel vom Islam hielt, dem Christentum jedoch sehr positiv eingestimmt war. Trotz dessen ist er selbst nach dem Zusammenfall des Kommunismus nie (offiziell oder offen) zum Christentum übergetreten. 

Die Kritik am Islam - beziehungsweise der Verschleierung - ist sehr deutlich in der ersten Geschichte, in der ein Gesandter aus Konstantinopel, Hadschi Milet, in den Balkan geschickt wird, um dort den Schleier an den lokalen Frauen nahezulegen. Die Suggestion Kadares ist, dass der Schleier nicht dort hingehört, und dass bekommt der Hadschi Milet auch gut zu hören, auch nach dessen ersten Kontakt mit dem Christentum. Bei seiner Rückkehr wird er wegen diesen Zweifeln, die er wohl im Schlaf ausspricht, von den Machthabern bestraft. 

Die Kritik an das stalinistische System Enver Hoxhas ist hier besonders klar. Überraschenderweise wurde es damals, ein Jahr vor Hoxhas Tod, dennoch veröffentlicht. 

Mehr möchte ich nun nicht verraten. 

5) Der Ausflug der toten Mädchen, Anna Seghers
Diese Novellensammlung von Anna Seghers las ich zum ersten Mal im Dezember 2011, in der Zeit, in der ich sie erstmals entdeckte. In der Zeit war ich auch ziemlich glücklich, der einzige in meiner Klasse zu sein, der wusste wer sie und Isaac Bashevis Singer waren. 

Letzten Frühling habe ich mir den Band wieder durchgelesen, und es ist genau so gut wie damals - ich lese es jetzt auch mit ganz anderen Augen, da ich jetzt auch viel mehr vom Leben weis, als mit 17 Jahren. 

Wie dem  auch sei, die titelgebende Novelle ist eine Erinnerung an einem Ausflug einer Mädchenschule in Mainz kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Die Erzählerin Netty - also wohl die Autorin selbst, die eigentlich Netty Reiling-Radvanyi hieß - im mexikanischen Exil denkt an diesen Ausflug zurück, und über ihre Mitschülerinnen, die sich später entweder gegen das Naziregime wendeten, oder Mitläufer wurden, die dann ihre geehrte alte Lehrerin als Judensau beschimpften. Die Novelle ist somit ein sehr gutes Spiegelbild der Schicksale des 20. Jahrhunderts. Die "toten Mädchen" im Titel selbst sind zweideutig, denn entweder ist es so, dass die später nicht mehr dieselben waren, die sie zur Zeit des Ausflugs waren, oder sie wurden entweder vom Naziregime ermordet oder kamen mitsamt ihren Familien bei den Bombardierungen des Krieges um. 

Meiner Meinung nach ist dies wohl die beste Erzählung Anna Seghers, und es ist schade, dass selbst heute nicht soviel darüber geredet wird, wie zum Beispiel Das siebte Kreuz oder Transit. 

Ich möchte hier zudem noch eine weitere Novelle aus dem Band erwähnen, "Post ins Gelobte Land", die wohl jüdischste Geschichte die Seghers je geschrieben hatte. Die Novelle ist meiner Meinung nach auch ein Statement dafür, dass ein Jüdischer Staat notwendig ist - und hier muss man bedenken, dass Anna Seghers später in der DDR, in den Jahren 1967 und 1973 sich weigerte, Israel als faschistischen Staat zu defammieren, da sie zeitlebens eine stolze Jüdin blieb. Die Tatsache, dass das Gebetbuch aus ihrer Kindheit und Jugendzeit in der Schublade neben ihrem Bett lag, sagt wohl da so einiges aus. 

Das sind also die Bücher, die mich dieses Jahr so bewegt haben. 

40 Jahre seit dem ersten Terroranschlag auf Kopenhagens Große Synagoge

  Das zerstörte Tor der Synagoge, Juli 1985 Am Morgen des 22. Juli 1985 explodierten zwei Bomben in Kopenhagen. Um 10:20 explodierte eine Bo...