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Freitag, 29. Dezember 2023

Bücher, die mich dieses Jahr bewegt haben - 2023 Version (10 Jahre Bücher die mich bewegt haben)

Ja, heute ist es tatsächlich zehn Jahre her, dass ich meine erste jährliche Buchbesprechung machte, und die dann leider von 2017 bis 2021 nicht gemacht wurde, entweder wegen schriftlicher Prüfungen oder Stress wegen der Pandemie. Letztes Jahr habe ich es wenigstens wieder geschafft, und so mache ich es dieses Mal wieder! 

Und wie gesagt, die hier besprochenen Bücher sind trotz der Nummern in keiner bestimmten Reihenfolge! 

1) Wenn du erzählst, erblüht die Wüste, Rafik Schami 

Rafik Schami liebt es, statt als Schriftsteller lieber als Erzähler bezeichnet zu werden - dieser als Erzählband versteckter Roman trifft es auf dem Punkt. 

Im Roman geht es um die arabische Prinzessin Jasmin, die nach dem Tod ihrer Mutter in eine Depression kommt, und durch einer List des verwitweten Kaffeehauserzählers Karam wird dann jede Nacht am Königshof Märchen und Geschichten erzählt, alles vom Volk selber. 

So tauchen wir hinein in einer Vielzahl von Erzählungen, die Unterschiedlicher nicht sein können. 

Jede Nacht ist in einer anderen Kategorie verteilt - so hat jede Erzählung in der Nacht Gemeinsam, dass sie alle ein Thema teilen, so handeln die Erzählungen der ersten Nacht von "Gaunern, Lügnern und deren Widersachern". Die Art, wie die Geschichten erzählt werden, kann oft auch als eine Parodie auf Tausendundeine Nacht verstanden werden, und als Liebhaber von Tausendundeine Nacht kann ich das sehr wertschätzen. Ich würde jedenfalls sagen, dass wenn man ein Liebhaber von Tausendundeine Nacht ist, dann wird man diesen Roman wohl lieben! 

Ich glaube auch, dass Rafik Schami durch diesen Roman in eine ganz neue Ära in seiner Karriere gekommen ist.  

2) Serge, Yasmina Reza 

Im Roman "Serge" von Yasmina Reza geht es um eine sehr dysfunktionale jüdische Familie aus Paris, die nach dem Tod der Matriarchin Marta nach Auschwitz reist, um zu verstehen, was sie damals erlebt hat. 

Der Trip nach Auschwitz vergeht sehr chaotisch, und neben den Shenanigans der Familie und die  Ansichten des Erzählers - der wohl der einzig normale in der Familie ist - sind recht witzig. Ein sehr prominentes Beispiel für schwarzen Humor, wie man ihn nur aus Frankreich kennt. 

Der Roman zeigt allerdings auch, wie schwer es auch in Frankreich für viele jüdische Familien war, nach der Schoa wieder neu anzufangen - und auch, wie viele von ihnen sich an die Mehrheitsgesellschaft anpassen wollten, wie die im Buch verstorbene Matriarchin Marta, die aus einer sehr assimilierten bürgerlichen Familie aus Budapest kam. Im Buch werden hier und da auch einige Vorwürfe an ihr gemacht, dass sie ihren Söhnen die Bar Mizwa verweigerte und sich so schämte, Jüdin zu sein dass sie lieber auf einen katholischen Friedhof beerdigt werden wollte. 

Eine witzige Rand Note ist auch die hier - Marta hatte einen Kalender mit Bildern von Putin, weil er ja ach so süß sei. 

3) Hijack for Freedom, Mark Dymshits 

Ich kaufte und las dieses Buch während meines Urlaubs in Israel letzten Mai. Das Buch sind die Memoiren des ehemaligen sowjetischen Piloten Mark Dymshits, der nach einer langen Karriere bei der sowjetischen Luftwaffe sich bei einer versuchten Flugzeugentführung im Sommer 1970 beteiligte und deswegen für mehrere Jahre in Haft saß. 

Mark beschreibt seine Kindheit und Jugend in Leningrad in den 30´er Jahren und seine Evakuierung 1941, und seiner Leidenschaft vom fliegen. Diese Leidenschaft und seine Karriere in der Luftwaffe lies ihn für lange Zeit die Realität des Jüdisch seins in der Sowjetunion ignorieren, bis zum Jahr 1967. 

Mark macht es klar, dass seine Mitverschwörer und seine Familie wussten, dass die geplante Flugzeugentführung auffliegen würde, allerdings bekamen sie das, was sie wollten - Aufmerksamkeit um das Schicksal der sowjetischen Juden. Mark beschreibt die Jahre in Gefangenschaft sehr lebendig, und sein Glück, als er hörte dass seine Töchter einige Jahre nach der geplanten Flugzeugentführung nach Israel auswandern konnten. 

Das Buch beschreibt auch sehr gut wie assimiliert die Juden in der Sowjetunion schon um 1930 waren, nur 12 Jahre nach der Revolution. 

4) Als ich im sterben lag, William Faulkner 

Oy, das war ein recht eingewickelter, aber dennoch guter Roman. Ein Roman von der Sorte, wo man so gut wie jede der Personen nicht wirklich sympathisch findet. Es geht um die Familie Bundren, die im Mississippi kurz nach der Jahrhundertwende versucht, den Wunsch der verstorbenen Mutter Addie zu würdigen, bei ihrer Familie in der Stadt Jefferson beerdigt zu werden. 

Die Geschichte verläuft chronologisch, wird in über 50 Kapiteln von nicht weniger als 15 Charakteren erzählt. 

Es gibt viele Charaktere, am meisten erzählen der Vater Anse, seine Tochter Dewey Dell, und sein Sohn Darl. Dewey Dell ist eine der wenigen mehr oder weniger sympathischen Charaktere. Wohl auch wegen der tragischen Umstände um ihr eigenes Schicksal, und die Tatsache, dass ihre Schwangerschaft vielleicht von einen ihrer eigenen Brüder gekommen ist. 

Die Geschichte an sich erzählt vom Leichenzug nach Jefferson, und die vielen Strapazen die dort passieren. 
Allerdings muss ich warnen, dass es eine Weile dauern kann, bis man wirklich rafft was eigentlich passiert und man die Charaktere wirklich kennenlernt. 


5) A Kim Jong-il Production, Paul Fischer 
Wie ihr wisst, so finde ich nordkoreanische Filme sehr faszinierend, so auch die Tatsache, dass es auch nordkoreanische Filme gibt, die auch tatsächlich gut sind. 

Eine führende Figur hinter der nordkoreanischen Filmindustrie war von ungefähr 1970 bis zu seinem Tod 2011 niemand anderes als der spätere Diktator Kim Jong-il, der ein großer Hobbycineast war. So sehr, und so enttäuscht war er vom Stand der nordkoreanischen Filmindustrie, dass er Ende der 70´er Jahre den grossen südkoreanischen Regisseur Shin Sang-ok und dessen Exfrau, die Schauspielerin Choi Eun-hee, separat entführen lies. 

Darum geht es in diesen Buch - aber nicht nur über die Entführung, der Jahre in Nordkorea und den Dreharbeiten zu unter anderen Pulgasari, sondern auch um das eigentliche Leben von Shin Sang-ok und Choi Eun- hee - und Kim Jong-il selbst. Paul Fischer hat sehr gut die ganzen Umstände zur Entführung recherchiert, sowie um die Umstände des Kinos im geteilten Korea. Auch wird die Entführung von Japanern und Südkoreanern beleuchtet, sowie die Entführung von anderen Nationalitäten für die bizarren Pläne Kim Jong-ils. Erzählt wird auch über das Schicksal von Woo In-hee, der grossen nordkoreanischen Schauspielerin, dessen Affäre mit Kim Jong-il ihr zum Verhängnis wurde.  

Als ich das Buch las, war es sehr, sehr schwer das Buch von mir zu legen, und ich kann es wirklich jeden weiterempfehlen. 

6) Eine Seuche in der Stadt, Ljudmila Ulitzkaja
Diesen Roman hatte Ljudmila Ulitzkaja schon in den 70´er Jahren als Drehbuch geschrieben, wurde allerdings abgelehnt, da das Thema darin noch nicht bereit war, verarbeitet zu werden in der damaligen Sowjetunion, die noch einige Jahre von den Veränderungen der Perestrojka entfernt waren. 

Im Roman geht es um einen Vorfall in den 30´er Jahren, in der es dem NKDW gelingt, den Ausbruch der Pest zu verhindern, indem sie mehrere Personen die mit dem Patient X in Verbindung waren verhaftet und in Quarantäne versetzt. Bei einigen dieser Leute bricht die Pest dann aus und sie sterben. 

Ljudmila Ulitzkajas kühle Erzählkunst kommt hier sehr gut in Bewegung, und man sieht dass es wohl mit willen schwierig gemacht wurde, sich mit irgendeinen der Charaktere zu identifizieren. 

Wie gesagt hatte Ulitzkaja den Roman in den 70´ern als Drehbuch geschrieben, aber als die Pandemie Anfang 2020 ausbrach, hat sie ihn durchgearbeitet und als Roman umgeschrieben. Die Handlung passte halt wieder in das Zeitgeschehen. Und das in einer Zeit, in der die Realität in Russland dunkler wurde, nicht nur durch die Pandemie und dessen Auswirkungen dort. 

Es war der letzte Roman, den Ulitzkaja vor dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 veröffentlichte, und seit März 2022 wohnt sie nun mit ihrem Ehemann in Berlin. 

Es war sehr schön, wieder Bücher hier besprechen zu können - es fühlt sich irgendwie befreiend an, darüber zu schreiben, wie man beim lesen in eine ganz andere Welt geführt wird. 

Umso schöner das ich es noch nach 10 Jahren noch mache, trotz der Jahre, wo ich es leider nicht tat. 

PS - eigentlich hatte ich geplant, hier auch Masha Gessens Buch über Birobidschan zu besprechen, allerdings im Lichte der Tatsache dass sie sich auf der Seite der Hamas stellt und nun genau so ist wie die Leute, die damals in der Sowjetunion ihre Eltern verfolgten, habe ich keine Lust, sie hierzu promoten. 


Donnerstag, 29. Dezember 2022

Bücher, die mich dieses Jahr bewegt haben - 2022 Version

Heute vor 9 Jahren habe ich meine erste jährliche Buchbesprechung geschrieben, und das habe ich dann jedes Jahr gemacht bis 2017, wo ich es zum ersten Mal nicht gemacht habe wegen einer schriftlichen Prüfung, und so war es dann leider auch 2018, 2019, und 2020 und 2021 machte ich es leider nicht da ich wegen Stress nicht viel gelesen habe. 

Letztes Jahr habe ich allerdings geschworen es wenigstens dieses Jahr zu machen, und so mache ich es heute. 

So viel habe ich dieses Jahr nicht gelesen, aber es ist genug, um es hier zu besprechen! 

Und wie immer, obwohl diese hier nummeriert sind, sind sie nicht in einer bestimmten Reihenfolge. 

1) Psalm 44, Danilo Kiš

Ein recht einzigartiger Roman über eine Flucht aus Auschwitz im Winter 1944. Dies ist der erste Roman von Danilo Kiš, den ich gelesen habe, und wie ich im Nachwort des Buches lesen konnte war dies das einzige Mal, in der Danilo eine Frau zur zentralen Figur eines Romans machte. 

Im Roman treffen wir die junge serbische Jüdin Maria, die in Auschwitz heimlich einen Sohn, Jan, zur Welt brachte, und hofft, bald auf seinen Vater, Jakob zu treffen. Jakob ist Arzt, und wird gezwungen den deutschen Arzt Dr Nietzsche bei seinen Experimenten zu assistieren. 

Im Roman gibt es dann auch mehrere Rückblicke auf Marias Leben, zum Beispiel zu ihrem ersten Erlebnis des Antisemitismus, einige Jahre vor Kriegsbeginn, und wo ihr betrunkener Vater sie dann eine kleine Lektüre gibt und ihr sagt, sie solle sich mit dieser Realität abfinden, da die Dinge halt einfach so sind. Der Vater von Maria ist wie Danilos eigener Vater ein ungarischer Jude. Ein weiterer Rückblick ist zu Marias Erlebnis vom Massaker von Novi Sad 1942, und wie sie dann kurz darauf deportiert wurde. 

Es ist wie gesagt ein recht einzigartiger Roman, der von Anfang an auch eine Spannung hat. Ich kann ihn jedenfalls weiterempfehlen. 

2) The Sabbath, Abraham Joshua Heschel

Abraham Joshua Heschel war ein konservativer Rabbiner aus der Zeit des Goldenen Zeitalters den amerikanischen Konservativen Judentums

Er selbst stammte aus Polen, und studierter auf der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums, und war später auch Aktiv in der Bürgerrechtsbewegung und marschierte zusammen mit Martin Luther King. 

Dieses Buch enthält mehrere informative Essays über den Sabbat/Schabbat, und was ihn so heilig macht und ihn so einzigartig macht. 

Ich las das Buch während eines Schabbats im Januar, und informativ fand ich auch das neue Nachwort von seiner Tochter Susannah Heschel, die beschrieb, wie der Schabbat in ihrem Elternhaus in New York City war. Viele der beschriebenen Dinge in den Essays konnte ich wiedererkennen, und ich wurde wieder daran erinnert, wie dankbar ich dafür bin, dass wir den Schabbat haben, um uns vom Stress der Woche zu erholen. 

3) Man, Abraham Joshua Heschel

Ein weiteres Buch von Heschel - dieses Mal aber sind es seine auf jiddisch verfassten Gedichte. 

Jiddisch ist eine sehr schöne Sprache, und letztes Jahr habe ich auch angefangen, diese auf Duolingo zu lernen (allerdings ist das jiddische da der ungarische Dialekt), und besuchte dieses Jahr auch einen Jiddischkurs im jüdischen Gemeindezentrum in Kopenhagen. 

Dieses Buch zeigt jedenfalls, dass Heschel auch ein sehr guter Poet war, und viele dieser Gedichte stammen aus seiner Studienzeit. 

Ich kann das Buch jeden Liebhaber des jiddischen weiterempfehlen, und auch andere die einfach gerne Gedichte lesen. In dieser Fassung sind die jiddischen Gedichte auch auf englisch übersetzt, und das jiddische steht auch in Transkription da, und so würden Leute die das deutsche mächtig sind, auch in der Lage sein, es zu verstehen. 

3) Alissa kauft ihren Tod, Ljudmila Ulitzkaja

Ich war etwas aufgeregt, als ich sah, dass Ljudmila Ulitzkaja wieder eine Novellensammlung geschrieben hat, und sogar mit einigen Gedichten, die noch nicht einmal in Russland veröffentlicht wurden. 

Seit der Invasion der Ukraine im Frühjahr wohnt Ulitzkaja in Berlin. 

Die Novellen an sich sind meistens gut - vor allem mochte ich eine, in der eine junge Russin einen kurdischen Studenten aus dem Irak heiratet, und kurz nach der Hochzeit reist er in den Irak und verschwindet. Allerdings ahnt die Braut nicht, dass er von Saddams Geheimdienst entführt wurde und eingesperrt wurde. 

In einer weiteren Novelle stirbt eine Frau und verwandelt sich direkt in einen Schmetterling, und ihre Leiche ist danach nirgends zu finden. Ich liebe es, wenn Ulitzkaja vom Magischen Realismus gebrauch macht. 

Wie bei Ulitzkaja üblich, spielen mehrere der Novellen in der Sowjetzeit, und andere in der Gegenwahrt. Eine der letzteren handelt von einem aserbaidschanisch-armenischen Lesbenpaar, dass auf Zypern lebt und wo eine von denen im Sterben liegt. 

4) Es war alles ganz anders, Vicki Baum 

Hier sind also die Erinnerungen von Vicki Baum. Vicki Baum besprach ich schon in meiner ersten Buchbesprechung hier vor 9 Jahren, und Hotel Shanghai bleibt bis heute einer der besten Romane die ich je gelesen habe. 

Hier bespricht sie ihr faszinierendes Leben, von ihrer Kindheit in einer gut situierten assimilierten jüdischen Familie in Wien zur Jahrhundertwende, ihre Jahre in Berlin und die letzten Jahre in Amerika. 

Immer wieder spricht sie von ihrem tyrannischen Vater, der ihr Leben kontrollieren wollte, bis sie von ihn flüchtet und ihn dann viele Jahre später in Novi Sad wieder traf, wo er inzwischen ins Exil gegangen war. Sie war inzwischen selbst im Exil in Los Angeles. Sie beschreibt dann auch, wie er selbst dann später während der Schoa im Massaker von Novi Sad starb, und von ihrer Familie nur einer überlebte. 

Vicki Baum war eine sehr gute Erzählerin, und das sieht man auch hier. Das Buch erschien eigentlich zwei Jahre nach ihrem Tod in Los Angeles im Jahre 1960. 

5) Salomo und die anderen, Katja Behrens 

Diese Novellensammlung kaufte ich eigentlich schon im Herbst 2013, habe sie aber während meiner Reise nach Israel im Frühling wieder gelesen. 

Von den Erzählungen ist die erste, sehr autobiografische die, die mir am meisten in Erinnerung bleibt. Sie beschreibt da ihr aufwachsen im Deutschland der 50´er Jahre, und wie sie bei einer Geburtstagsfeier mit einem ehemaligen SS-Mann tanzt:

"Sein Anzug war aus feinem Tuch. Das fiel mir auf. Sonst nichts. Ein normaler Mann. Besonders an ihn war nur, dass er der Herr in dieser schönen Villa war. Ihn zu fürchten lag mir fern. Und auch er dachte sich wahrscheinlich nichts dabei, ein Mädchen im Arm zu halten, das er als Säugling vielleicht an die Wand geknallt hätte. Oder lebendig der toten Mutter hinterhergeworfen in die Grube. Das war vorbei, war Arbeit gewesen, schmutzige Arbeit, aber hatte sein müssen." 

 Das bleibt einen im Kopf. 

Katja Behrens starb leider letztes Jahr am 6. März 2021 in Darmstadt. Ich hoffe, in Zukunft ihre anderen Werke zu lesen. 

8) Unverschämt jüdisch, Barbara Honigmann 

Das Buch las ich letzten Spätfrühling, und es hat wirklich einen grossen Eindruck bei mir hinterlassen. 

Barbara Honigmann ist in der DDR aufgewachsen, und siedelte später nach Straßburg rüber, wo sie ein religiöses Leben lebt. 

Das Buch enthält mehrere Essays und Reden, die sie bei Veranstaltungen hielt, und die befassen sich mit Themen wie jüdische Identität und die Auseinandersetzung des jüdischen in der DDR und dem Leben heute. 

Einen grossen Eindruck vor allem lies das erste Essay bei mir, über die Schriftstellerin Elisabeth Langesser, die selbst einen jüdischen Vater hatte, allerdings katholisch getauft war und ihr Leben lang dem Katholizismus anhörte. Den Nazis war ihr Glaube egal, so wurde sie diskriminiert, und ihre Tochter wurde, trotz vielen Versuchen es zu verhindern, nach Auschwitz deportiert. Obwohl ihre Tochter überlebte, versuchte Langesser diese Tatsache zu verdrängen und konnte in ihren Briefen zu ihrer Tochter nach dem Krieg sich selbst nicht dazu bringen, Auschwitz zu schreiben. Ihre Tochter arbeitete später für Aftonbladet in Schweden und war Nahostkorrespondentin. 

In einem späteren Essay stellt Honigmann die Frage, ob die Sehnsucht ihrer Eltern nach ihrer Muttersprache dazu führte, dass die beiden es leichter fanden, die Lügen des SED-Regimes einfacher hinzunehmen und so zu tun, als sei nichts falsch. 

So, es war seltsam, nach fast sieben Jahren endlich wieder so eine Art Leserückblick zu schreiben. 

Aber es fühlte sich gut an. Und das ebenfalls am 29. Dezember, so wie damals. 

Freitag, 31. Dezember 2021

Lebewohl, 2021 - Frohes Neues Jahr!


Nun endet das Jahr wieder. Endlich. 

Ich bin optimistisch, was 2022 betrifft - aber ich bin ja schon ohnehin sehr optimistisch, was dem jüdischen Jahr 5782 angeht. 

Dieses Jahr ging so dermaßen schnell, viel schneller als 2020, dass sich wie eine Ewigkeit anfühlte. 

Ich weis jetzt schon, dass 2022 große Veränderungen auf mich warten - und ich freue mich ehrlich gesagt auf sie. 

So sehr, wie ich mich auf die Veränderungen im Jahr 2014 freute. 

Ich hoffe, dass 2022 für mich das neue 2014 wird. 

Ich muss nun aber leider einen wunden Punkt ansprechen:

2013 fing ich an, über Bücher zu schreiben, die mir in dem Jahr sehr bewegt haben - und somit machte ich es zu einer Tradition. Es kamen diese Rückblicke 2014, 2015, und letztendlich 2016

Und 2017 kam es nicht mehr - das hat einen Grund: 
In dem Jahr hatte ich um die Zeit soviel zu tun beim schreiben meiner Bachelorarbeit, und die musste dann priorisiert werden. Und im darauffolgenden Winter hatte ich noch eine wichtige schriftliche Prüfung, um die ich mich kümmern musste. In dem Winter konnte ich noch über meinen Viva-Moment schreiben, da der Sender am 31/12 2018 zu Ende ging. Und im Winter 2019 - den letzten normalen Winter und letzter Winter der 2010er Jahre - schrieb ich an meiner Masterarbeit. Letztes Jahr schrieb ich wenigstens über den Tag, als ich Silly entdeckte, dem 31/12 2013 auf Vox. 

Eine Sache, die mich allerdings wirklich sehr nervt, ist, dass ich seit der Pandemie aus irgendeinen nervigen Grund nicht mehr soviel lese, wie ich es früher tat - das aber will ich jetzt ändern. 

Lange Rede, kurzer Sinn:

Aber heute ist es Zeit sich von diesen Jahr zu verabschieden - und Zeit, dass neue Jahr 2022 zu begrüßen!

Donnerstag, 29. Dezember 2016

Bücher, die mich dieses Jahr bewegt haben - 2016

Seit 2013 bespreche ich Bücher, die ich im Jahr gelesen habe und die mich besonders berührt haben. Lasst uns nun anfangen:

1. Feuer, Chaim Noll
Der Roman "Feuer" erschien im Winter 2010, also nur Monate vor der Atom-Katastrophe von Fukushima. Im Roman geht es um ein riesiges apokalyptisches Unglück, dass ein großes Gebiet in Deutschland betroffen hat. Eine Gruppe von mehreren Personen, die dieses Unglück in einer grossen Stadt erlebten, flüchten nun durch den Wald, auf der Suche nach Zivilisation. Unter ihnen sind Frau Silberblick, eine Orthodoxe Jüdin, Jonathan, ein Gymnast, Alma, eine Studentin aus reichem Hause, das Ehepaar Fink, Collande, ein Unruhestifter, und ein katholischer Priester. Auf dem Weg in die Zivilisation finden sie Leichen, verlassene Dörfer, und andere schreckliche Dinge. Am Ende kommen sie in die Zivilisation - und entdecken, dass diese sich in eine Dystopie entwickelt, die jegliche Hinweise auf die große Katastrophe verschleiern will.

Am Ende bekam ich fast ein Schock, als ich die Allegorie dahinter verstanden habe. Ich habe mich danach sogar an Chaim Noll selbst gewendet, und habe ihn gefragt, ob es eine Fortsetzung geben würde. Er habe vorher nicht darüber nachgedacht, würde es sich aber überlegen. Da bin ich ja mal gespannt. Wie dem auch seih, ich kann jeden diesen Roman empfehlen.

2. Hier kommt der Messias!, Dina Rubina
"Hier kommt der Messias" (Вот идёт Мессия!) ist der erfolgreichste Roman der russisch-israelischen Schriftstellerin Dina Rubina, die in Taschkent aufgewachsen ist und 1990 nach Israel ausgewandert ist.

Im Roman geht es um das Leben verschiedener russischer Einwanderer in den 1990´er Jahren, als die russische Einwanderung ihren Höhepunkt erreichte. Wir erleben hier mit den Charakteren den Kulturschock, das nostalgische Heimweh, und oft auch die Konfrontation mit ihrer eigenen Jiddischkeit, die viele von ihnen in der Sowjetunion verschwiegen haben oder überhaupt nicht kannten.

Eine der Geschichten die mich faszinierten waren die Geschichte vom Konvertierten Uri Bar-Chanina.

Das Buch ist derzeit leider schwer erhältlich - ich habe es letztes Jahr gebraucht über einen dritten Anbieter gekauft, und es dauerte auch so einige Wochen bevor es ankam. Dieses Jahr hatte ich jedoch nun auch endlich Zeit es zu lesen, und es war ein Genuss. Dina Rubinas Erzählkunst ist genau wie bei Ljudmila Ulitzkaja sehr russisch und dennoch sehr jüdisch, besonders in den sehr sarkastischen Situationen, in denen sie ihre Figuren steckt.

3. Du bist nicht so wie andre Mütter, Angelika Schrobsdorff
"Du bist nicht so wie andre Mütter" ist eines der besten Bücher die ich dieses Jahr gelesen habe. Erschienen ist es in den 1990´ern, als die Autorin des Buches noch in Jerusalem lebte. Angelika Schrobsdorff ist diesen Sommer im Alter von 88 Jahren in Berlin gestorben.

Der Roman ist eine autobiografische Erzählung über ihre sehr assimilierte, luxuriöse Kindheit im Berlin der 30´er Jahre und ihre Jahre in Bulgarien während des Krieges.

Der Roman fängt mit der Kindheit und Jugend ihrer jüdischen Mutter an. Für mich als Orthodoxer Jude war dieser Teil des Buches sehr gruselig, da es beschreibt wie sehr sich ihre Mutter schon als Kind vor allem jüdischen grauste und ein Teil der "deutsch-christlichen" Welt sein wollte. Ihre ersten beiden Kinder lässt sie taufen, aber Angelika selbst - die ironischer weise am Weihnachtsabend 1927 auf die Welt kommt - wird verschont. Danach wird beschrieben wie Angelika als Kind mehr oder weniger verhätschelt wird und wie ihre Mutter das Weltgeschehen aus dem Hause heraushält, und wie sie ihrer Tochter das Jüdischsein verschweigt und so tut als sei alles gut. Bis zur Kristallnacht. Ein Jahr darauf heiratet ihre Mutter einen Bulgaren und zieht dorthin. Kurz darauf reisen Angelika und ihre ältere Schwester Bettina mit, und erfahren daraufhin dass sie dort bis auf ungenaue Zeit dort bleiben werden. Dann fängt der 2. Weltkrieg an, und Angelika freut sich erst auf die Siege der Deutschen - bis ihr eigener Vater sie darauf hinweist, dass das, was die Deutschen tun, schlecht ist. Kurz darauf erfährt sie, dass sie Jüdin ist. Das verändert alles.

Das war sehr faszinierend zu lesen, wie Angelika sich von einem naiven, verhätschelten, Weltfremden Mädchen in eine junge, selbstbewusste jüdische Frau entwickelt, und wie sie erkennt, dass ihr gesamtes Leben bis dahin eine reinste Lüge war.

Ich werde nun auch mehr von Angelika Schrobsdorff lesen.

4. Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer, Alex Capus
Noch ein sehr langer Titel. Der hier hat jedenfalls eine interessante Vorgeschichte, von meiner Sich jedenfalls. Ich kaufte das Buch auf dem Wiener Flughafen im Herbst 2013, und fing daraufhin an ihn zu lesen. Mit mehreren Pausen dazwischen habe ich es im Frühling diesen Jahres nach 3 Jahren endlich geschafft ihn fertig zu lesen.

War schon ein Erlebnis.

Der Roman erzählt die Lebensgeschichten der im Titel genannten - bei Namen: Emile Gilliéron (1885-1939), Laura D´Oriano (1911-1943) und Felix Bloch (1905-1983). Es ist schon fantastisch wie viel Alex Kapus hier recherchiert hat, und die damalige Zeit wird einen lebendig und man kann es sich dann auch so richtig vorstellen. Allerdings muss ich sagen, dass von den drei Lebensgeschichten nur die von Laura D´Oriano und Felix Bloch interessant wirken - so erlebte ich es jedenfalls. In der zweiten Hälfte wird Gilliéron auch mehr oder weniger vergessen, und es konzentriert sich dann vermehrt auf D´Oriano und Bloch. Vielleicht währe es besser, wenn Capus sich nur auf die beiden konzentriert hätte - aber sonst ist der Roman recht gut geschrieben. Ich fand es jedenfalls sehr schön als ich das Lesen des Romans endlich nach 3 Jahren abschließen konnte.

5. Kaddisch für mein Schtetl, Grigori Kanowitsch
Nun zum wohl persönlichsten Roman des litauisch-jüdischen Schriftstellers Grigori Kanowitsch, "Kaddisch für mein Schtetl" (Местечковый романс). Der Roman erzählt die Geschichter seiner Familie im Schtetl von Jonava, und wie seine Eltern zueinander fanden, und wie seine Mutter dem Druck ihrer Schwiegermutter standhielt.

Dann von den glücklichen Jahren seiner Kindheit, die er mit seiner Großmutter väterlicher seits teilt, eine Zeit die 10 Jahre hält, bis zur sowjetischen Invasion 1939. Dies ist ein sehr interessanter Teil des Romans - hier wird beschrieben, wie die sowjetischen Besatzer mehrere Synagogen geschlossen haben und das hebräische als Unterrichtssprache verbieten. Somit ist dies der Anfang vom Ende des Schtetl-Lebens. Einer seiner Onkel ist überzeugter Kommunist, und dem war es sehr egal wie die neuen Machthaber seine jüdischen Brüder und Schwestern behandelten. Es wird nicht erwähnt, wie sein weiteres Schicksal in der Sowjetunion verlief, aber bestimmt endete er im Gulag.

Als die deutschen 1941 angreifen, sieht er dann seine geliebte Großmutter zum letzten Mal - sie will die Gräber ihrer Vorfahren nicht verlassen.  Letztendlich flieht er mit seinen Eltern in die Sowjetunion, und nach der Rückkehr nach Litauen 1945 ist alles was vorher da war ausgelöscht worden.

Ein sehr wichtiger Roman über das Ende des litauischen Judentums und der Schtetl-Kultur an sich.

6. Schlaflos in Tel Aviv, Chaim Noll
Die neueste Sammlung von Kurzgeschichten von Chaim Noll - die zweite nach "Kolja" aus dem Jahre 2012 (Besprechung folgt). Einige der Geschichten sind schon viele Jahre alt, und man kann es auch auf dem Schreibstil merken. Einige davon spielen in der DDR, andere im Modernen Israel und haben Bezug auf die heutige Situation.

Die erste Geschichte erzählt von einem 17 Jährigen Schüler im Ostberlin der 60´er Jahre, der um Geld für eine Fahrkarte bettelt. Letztendlich gibt eine ältere Frau ihn das nötige Geld, und fragt ihn, ob er Deutscher sei - welches er bejaht. Daraufhin sagt sie "...ein Deutscher bettelt nicht!"

In einer anderen Geschichte finden wir uns in einer Psychiatrie in der DDR wieder, wo ein Wehrdienstverweigerer einsitzt, angeblich weil er Alkoholiker sei. Eine ältere Ungarin fragt ihn daraufhin "Bist a Jud?" - und sagt daraufhin "Aber du weisst, Juden trinken nicht." Die Einrichtung der Psychiatrie - eine Villa umschlungen von Efeu - ist mehr oder weniger der Mikrokosmos der die DDR war, mit anderen Worten in einer Nussschale. Das Schicksal der Juden der DDR ist ein leider oft ignoriertes Thema, und ein typisches Schicksal findet sich in der Geschichte um Olga - über die Geschichte will ich jetzt nichts verraten.

Eine Geschichte die mich besonders beeindruckte war "Völkerrecht", in der eine deutsche Konvertitin darunter leidet dass ihre Schwester sich weigert sie in Israel zu besuchen wegen den angeblichen Kriegsverbrechen Israels.

Alles in allen ein würdiger Nachfolger zu "Kolja".

7. Ich muss ja den Weg gehen, den ich gehen kann, Fred Düren
Letztes Jahr ist im Frühling der legendäre ehemalige DEFA-Schauspieler Fred Düren von uns gegangen, und wurde auf dem Ölberg in Jerusalem beerdigt.

Das Buch ist aus dem Jahre 2008, gibt jedoch gute Einblicke in sein Leben durch diverse Interviews.

Er lebte ein bewegtes Leben: Anfänge im Theater, ab den 60´er Jahren sehr beliebter Charakterdarsteller sowohl bei der DEFA als auch beim Theater. Mitte der 80´er Jahre meldet er sich aus der SED raus, konvertiert zum Judentum, und macht kurz darauf Alija und wird einige Jahre danach Rabbiner. Wie in einem der Interviews im Buch erwähnt wird, ein riesiger Schritt zurück, aus kommunistischer Sicht, da man ja "Fortschritt" macht wenn man sich ganz von der Religion verabschiedet.

In den Interviews erzählt er auch, wie glücklich er war nun als Orthodoxer Jude in Jerusalem zu leben, und wie er nichts vom Leben in der DDR vermisste. Auch sagte er, dass die meisten Friedensdialoge naiv sind, und dass es wohl nie zum Frieden da unten kommen wird.

So, das war es für dieses Jahr!

Ein gesamter Jahresrückblick wird es dieses Jahr nicht geben, da mir die Zeit dazu fehlt. Vielleicht werde ich kurz nach Neujahr einen kleineren Rückblick schreiben.

Dienstag, 29. Dezember 2015

Bücher, die mich dieses Jahr bewegt haben - 2015 Version

Endlich kommen wir zu dem Rückblick, auf dem ich mich immer am meisten freue! Der Bücherrückblick. Hier schreibe ich immer über Bücher die mich im Jahr besonders bewegt haben. 2013 fing ich damit an, und folgte dem auch 2014.  Fangen wir an:

1. Das grüne Zelt, Ljudmila Ulitzkaja
"Das grüne Zelt" (Зеленый шатер) ist das Opus Magnum von Ljudmila Ulitzkaja. Der Roman erzählt von den Leben von drei Freunden und drei Freundinnen und deren Umgangs-kreis und Familien. Die drei Freunde sind Ilja Brjanski, Sanja Steklow und Micha Melamid. Ilja wird Photograf und bespitzelt für den KGB, während Sanja später eine Amerikanerin heiratet und auswandert. Micha ist Jude, und leidet unter antisemitischen Anfeindungen des KGB. Die Freundinnen sind Olga Brjanskaja, Galja Poluchina und Tamara Brin. Olga ist Übersetzerin und zweite Ehefrau von Ilja - nachdem sie von seiner Tätigkeit beim KGB erfährt, fällt sie in eine Krise, da sie trotz linientreuer Erziehung immer wieder Samisdat-Literatur im Umlauf brachte. Galja ist Olgas beste Freundin, und toleriert nur die Jüdin Tamara. Tamara ist wie gesagt Jüdin, und erlebt als Kind die Reaktion auf den Tod Stalins und hat als Erwachsene Biologin eine Affäre mit dem bereits verheirateten orthodoxen Juden Marlen Kogan, Michas Cousin. Als sie später Marlen und seiner Familie hilft, nach Israel auszureisen, verfällt sie in eine tiefe Krise, da sie Marlen vermisst - daraufhin fängt sie eine Affäre mit dem Christentum an, und geht Sonntags zur Messe. Alles während der moderneren Geschichte der Sowjetunion, die mit dem Tod Stalins im Jahre 1953 anfängt und mit der Perestrojka endet.

Der Roman der russisch-jüdischen Autorin hat wohl den besten Prolog der je geschrieben wird. Er fängt zu Purim 1953 an, der Tag, wo Stalin starb. Alles gesehen mit den Augen von Tamara Brin, die von der "alten Sprache" der Mutter und Grossmutter redet, und wie die hebräischen Buchstaben Samech und Lamed gebraucht werden wenn diese über Stalin und Lenin sprechen. Die Grossmutter sagt, ihre Tochter solle Süßigkeiten kaufen, da es Purim ist und sie spürt, "Samech sei krepiert":

"Rajetschka, kauf im Jelissejewski etwas Süsses. Heute ist nämlich Purim. Ich denke doch, Samech ist krepiert."
Nachdem dann im Radio bestätigt wird, dass Stalin gestorben ist, fängt Tamaras Mutter an zu weinen - Tamara selbst versteht nicht warum.

Die Figur der Tamara Brin ist ein Ebenbild der Autorin selbst, da Ulitzkaja selbst mal als Biologin arbeitete und eine Zeit lang mit dem Christentum flirtete - und als Kind nicht verstand, weshalb die Menschen um sie herum Stalin betrauerten. Ein sehr guter Roman, bei dem ich ein ganzes Jahr gebraucht habe, um ihn fertig zu lesen.

2. Sophia - oder der Anfang aller Geschichten, Rafik Schami
Dieser ist wohl eines der besten Romane die ich dieses Jahr gelesen habe. Rafik Schami ist ja bekanntlich ein sehr guter Autor, der die syrische Erzähltradition mit der westlichen vermischt, und oft Magischen Realismus benutzt. In diesen Roman verzichtet er auf den Magischen Realismus, und benutzt stattdessen wahren Realismus in form einer Chronik. Eine Chronik, die im Damascus der 40´er Jahre anfängt und am Vorabend des syrischen Bürgerkrieges endet.

Im Damascus der 40´er Jahre verliebt sich der Moslem Karim in die katholische Sophia, die ihn abweist und stattdessen eine arrangierte Ehe eingeht. Als Karim später Opfer einer Intrige wird, rettet Sophia ihm das Leben. Als Sophias Sohn Salman in den 60´er Jahren Widerstand gegen das Regime leistet, flüchtet dieser über Libanon nach Deutschland, bis dieser eine Familie in Rom gründet. In der Zwischenzeit ist Salmans Cousin Elias ein Karrierist beim syrischen Geheimdienst geworden, nachdem dieser in den 60´ern Salman und andere im Widerstand bespitzelt hatte. Im Winter 2010 reist Salman wieder nach Syrien, nachdem seine Mutter bei Elias sichergestellt hatte, dass Salman keine Probleme bekommen würde bei der Einreise. Aber Elias hatte gelogen, und setzt eine Fahndung gegen Salman ein.

Der Roman gibt einen guten Einblick in die Psyche der orientalischen Christen, die damals am Anfang des 20. Jahrhunderts den arabischen Nationalismus begründeten, allerdings von der muslimischen Mehrheit verdrängt wurden. Der Roman erinnert einen dann auch, was für ein Monster Hafez al-Assad war - und sein Sohn Baschar immer noch ist.

3. Unterwerfung, Michel Houellebecq
"Unterwerfung" (Soumission) habe ich hier auf die Liste getan, nicht weil er mich besonders berührt hat, sondern weil er mich irgendwie sehr zum nachdenken gebracht hat. Schon Wochen vor der Herausgabe der deutschen Übersetzung gab es eine regelrechte Hetze in den Medien gegen den Autor - neben der angeblichen rassistischen, Islamfeindlichen Natur des Romans wurden auch immer wieder Michel Houellebecqs Vergangenheit mit der komischen Rael-Bewegung (immerhin haben die Medien so gut wie gar nichts über Günther Grass´ SS-Vergangenheit gesagt).

Der Roman spielt im Frankreich des Jahres 2022, die Hauptperson ist der Akademiker Francois - er wird Zeuge wie der muslimische Politiker Ben-Abbés mehr und mehr Wähler bekommt. Letztendlich wird Ben-Abbés Staatspräsident und ändert die säkulare Verfassung in eine theokratische Sharia-Verfassung. Francois jüdische Studentim Myriam wandert währenddessen mit ihrer Familie nach Israel aus.  Die Gesellschaft verwandelt sich nun in eine Dystopie, wenn auch sehr langsam. Das war´s dann nun von der Handlung - und ich muss sagen, dass ich während des Lesens kein Rassismus feststellen konnte noch eine Verallgemeinerung dass alle Muslime Terroristen oder einfach wegen ihres Glaubens schlechte Menschen sind.

Mir ist, als haben die Linken die so lange gegen Houellebecq gehetzt haben, den Roman wohl gar nicht gelesen haben - und wie ich die kenne, haben die das in Zukunft wohl auch gar nicht vor.

4. Der Schmuggel über die Zeitgrenze, Chaim Noll
 Die Erinnerungen von Chaim Noll - es dauerte eine Weile, bis dieser veröffentlicht wurden. Ich hatte das Buch schon vorbestellt, und erwartete dass es Anfang März veröffentlicht wird. Nun den, Monika Maron war nicht erfreut über das kurze, was über sie erwähnt wurde. Also wurde es geschwärzt und erst im Mai geliefert. Hat mich aber nicht daran gehindert, das geschwärzte vorsichtig zu entfernen. Tja. 
Im Buch erzählt Chaim Noll über seine priviligierte Kindheit und Jugend in geteilten Berlin. Über die Wohnung in Prenzlauer Berg, und die Grundschule, wo er mit Nina Hagen befreundet war. Später ging er auch in einer Klasse mit Tamara Danz. Aber nicht nur über das geht es im Buch - auch über die jüdische Herkunft seiner Familie geht es. So wissen nur sehr wenige, dass Dieter Noll eine jüdische Mutter hatte die den KZ Theresienstadt überlebte. Und nach den antisemitischen Kampagnen der frühen 50´er Jahre hat Dieter Noll diesen Teil seiner eigenen Familiengeschichte verschwiegen - stattdessen wollte er als ehemaliger Flakhelfer gesehen werden, der nun hilft, den Sozialismus aufzubauen.

Hans, Chaims Geburtsname, fühlte sich schon sehr früh zum Judentum hingezogen. Der Bruch mit dem Staat kommt offiziell aber erst, als er Anfang der 80´er Jahre den Wehrdienst verweigert. Danach reist er mit seiner Frau, Sabine Kahane, und deren Kinder in den Westen aus. Ich habe das Buch innerhalb eines Tages verschlungen.

5. Daniel Stein, Ljudmila Ulitzkaja
Das zweite Buch von Ljudmila Ulitzkaja auf dieser Liste, Daniel Stein (Даниэль Штайн, переводчик) Das war ein richtiges Abenteuer....ich bestellte das Buch Ende Mai, und sagte mir dann, ich würde es erst lesen bei meiner spontanen Reise nach Flensburg. Ich war von der ersten Seite gefesselt. Der Roman ist eine literarische Kollage, basierend auf dem Leben von Oswald Schmuel Rufeisen, ein Jude der während des Krieges mehrere Menschen rettete, dann in den Untergrund ging, sich in einem Kloster versteckte und dort katholisch wurde, und Mönch wurde. Nach dem Krieg zog er nach Haifa, in der Nähe seines Bruders und dessen Familie.

Ljudmila änderte die Namen der Personen und hat hier und da ihre künstlerische Freiheit benutzt. Neben den verschiedenen Lebensstadien Bruder Daniels handelt der Roman auch von Ewa Manukjan, eine polnische Jüdin die dank Daniel den Krieg überlebte, und ihrer frustrierenden Beziehung mit ihrer kommunistischen Mutter Rita Kowacz (Dwoire Brin), die seit sie aus Polen nach dem Krieg 1967 nach Israel verbannt wurde in einem Altersheim in Haifa wohnt. Ihre Mutter war während des Krieges Partisanin - nachdem sie Ewa und ihrem Bruder Witek in einer katholischen Waisenhaus lies, setzte sie sich in Stalins Sowjetunion ab - wo sie dann mehrere Jahre im Gulag verbrachte.  Ewa selbst heiratete später einen deutschen Studenten aus der DDR - und wanderte dann mit ihm nach Amerika, wo sie sich dann scheiden ließen. Später macht Ewa sich auf die Suche nach Daniel - und nach seinem Tod macht sie dann selbst Recherchen...

Der Roman erinnerte mich wieder daran, warum ich das Land Israel so liebe. Eines dieser Gründe wird hier gebraucht - die Tatsache, dass jeder seine eigene Geschichte hat. So kommen hier verschiedene Geschichten vor - eine von ihnen ist über eine Nonne aus Vilna, die einen Priester jüdischer Abstammung heiratet und daraufhin mit ihn nach Israel auswandert - und kurz nach der Geburt ihres Sohnes lassen sie ihn beschneiden. Eine andere handelt von einem Refusenik, der nach seiner Ausreise aus der Sowjetunion nach  Hebron zieht und dort eine Familie gründet - und später Helfer von Baruch Goldstein wird...

Alles in allem ein Plädoyer an die Toleranz und dem Frieden aller Glaubensrichtungen, und ein großartiges literarisches Denkmal für Oswald Rufeisen.

6. Die Unamerikanischen, Molly Antopol
Das literarische Debut der amerikanisch-israelischen Schriftstellerin Molly Antopol ist mir in den Osterferien ganz zufällig in Flensburg aufgefallen - ein sehr schöner Zufall!

Wie ich in der Besprechung oben schon erwähnte, liebe ich es, dass jeder in Israel so seine eigene Geschichte hat - aber hier ist es nicht nur in Israel, sondern auch das Amerika der 50´er, der Untergrund gegen die Nazis in Weißrussland, die Tschechoslowakei der 60´er, und andere Orte.

Die Sammlung fängt gut an - ein amerikanischer Jude ist genervt von seiner neureligiösen Tochter und ihrem israelischen Ehemann, und heiratet daraufhin eine ukrainische Jüdin. Auf deren Hochzeitsreise nach Kiew vergessen die auf einmal, dass sie sich lieben.

Der Ton in den einzelnen Erzählungen variiert - manchmal hat sie einen sehr humoristischen Ton, und manchmal ist der Ton ziemlich tragisch - so sollte eine Anthologie auch sein! Das letzte Mal wo ich so sehr eine Anthologie genossen habe war 2010 im Flug nach Miami mit Stephen Kings Just after sunset. Ich freue mich schon auf die kommenden Werke von ihr!

7. Die Kehrseite des Himmels, Ljudmila Ulitzkaja
Die Kehrseite des Himmels (Священный мусор) ist eine Sammlung von Erinnerungen, Gedanken und Essays die Ulitzkaja im Laufe der Jahre seit dem Ende der Sowjetunion geschrieben hat. Der Teil mit dem Hintergrund ihrer Familie ist sehr interessant - wie sie ihren Großvater erst kennen lernte, nachdem dieser aus dem Gulag zurückkehrte und dann einige Jahre danach starb.

Da ist auch ein Essay aus der Zeit, wo Putin gerade an die Macht kam - wo sie schon ihr misstrauen ausdrückt, gerade weil er beim KGB war. Sie hatte recht. Damals konnte niemand vorhersehen, dass er eine Diktatur kreieren würde, die allerdings die Kirche die selbe Rolle gibt wie zur Zeit der Zaren.

Wer Russland wirklich verstehen möchte (ohne die Propaganda der Putinistin Gabriele Krone-Schmalz) muss dieses Buch lesen. Ich finde es ehrlich gesagt gruselig, dass "Progressive" wie die Linkspartei (eine Partei, die ich generell nicht traue) alles was die Diktatur Putins anstellt unterstütz- seltsamerweise sind diese immer sehr still wenn Homosexuelle verfolgt werden und Leute schikaniert werden, wenn diese sich kritisch äußern.

Eine weitere Lesenswerte Stelle ist da, wo sie Auszüge aus ihrem Tagebuch offen legt - aus der Zeit wo sie wegen ihrer Krebsbehandlung in Israel war. Im Tagebuch spricht sie neben den Details zu ihrer Behandlung auch über die Schönheit Jerusalems, als auch über ihre Arbeit an Das grüne Zelt. Laut dem ukrainischen Schriftsteller Andrej Kurkow verbringt Ljudmila Ulitzkaja selbst dieser Zeit mehr Zeit in Israel als in Moskau - hoffentlich endet sie nicht wie Anna Politkowskaja....

8. Ergebenst, euer Schurik
Nun zum letzten Buch auf der Liste hier - "Ergebenst, euer Schurik" (Искренне Ваш Шурик), wieder ein Roman von Ljudmila Ulitzkaja. Ich habe den Roman innerhalb einer Woche gelesen. Es ist ein Roman über die Liebe in der Sowjetunion, mit einem sehr tragikomischen Helden, eine Art Anti-Don Juan.

Die junge Vera Korn verliebt sich im Moskau der 30´er Jahre in den jüdischen Pianisten Alexander Sigismundowitsch Lewandowski, und beginnt mit ihm eine Affäre. Als der Krieg ausbricht, wird Alexander nach Kasachstan evakuiert, Vera mit ihrer Mutter Jelisaweta Iwanowna nach Taschkent. Nach dem Krieg trifft Vera ihn wieder - und zeugt einen Sohn mit ihm. Lewandowski stirbt kurz darauf, und lernt seinen unehelichen Sohn nie kennen. Der Sohn bekommt den Namen Alexander, genannt Schurik.

Schurik wächst in liebevoll-chaotischen Zuständen bei seiner Mutter und Grossmutter auf, und verliebt sich später in die Jüdin Lilja. Lilja wandert dann in der Tauerperiode der 70´er Jahre mit ihren Eltern nach Israel aus. Kurz darauf beginnt er eine Affäre mit der älteren behinderten Matilda an, und wird von der Kasachin Alja angehimmelt. Als Lena, Tochter eines Linientreuen Funktionärs in Sibirien, ein uneheliches Kind von einem afro-kubanischen Studenten erwartet, reist Schurik zusammen mit ihr nach Sibirien und lässt sich mit ihr trauen - ohne dass seine Mutter und Großmutter etwas davon erfahren.

Ein wundervoller Roman über das Leben und die Liebe, dass zum einen wirklich komisch ist und manchmal zum weinen ist.

Das war´s mit den Buchempfehlungen für dieses Jahr, sehen uns nächstes Jahr wieder!

Nachtrag: ich vergas gestern dieses Buch:

9. Jossel Rakovers Wendung zu G"tt, Zvi Kolitz
Wow. Dies ist eine von denen Büchern, die man nach dem aufklappen nicht mehr aus der Hand legen kann. Ich habe das Buch zweisprachig jiddisch-deutsch ganz während meiner Reise im Zug zurück nach Kopenhagen gelesen. Das war eine wahre Achterbahn der Gefühle, mir war beim lesen oft zum weinen! Während des lesen vergas ich ganz die Welt um mich herum!

Der Text des jiddischen Schriftstellers Zvi Kolitz ist ein längerer Monolog eines Gefangenen des Warschauer Ghettos, der um das Geschehen um ihm herum erzählt, und vom Widerstand.

Er redet zu G"tt, und fragt immer wieder, warum das ganze geschieht - letztendlich verliert er trotz der Tragödie nicht seinen Glauben zu G"tt - eine Tatsache, die den meisten Atheisten wohl ein Dorn im Auge ist. Mir war das Buch nach dem lesen noch sehr lange im Gedächtnis - ich finde es seltsam, dass ich nicht vom Buch gehört hatte, bis ich es letztens in Berlin im jüdischen Buchladen nahe der Zentralen Orthodoxen Synagoge fand. Ich hatte im Laden schon ein Gefühl, dass mich dieses Buch nicht loslassen werden würde. Die Ausgabe von Diogenes hat zudem auch faszinierende Zeichnungen von Tomi Ungerer.

Dienstag, 30. Dezember 2014

Bücher, die mich dieses Jahr bewegt haben - 2014 Version

Letztes Jahr machte ich ja eine Liste über Bücher, die mich in dem Jahr bewegt haben. Also dachte ich mir, wieso nicht auch eine 2014 Liste? Also, fangen wir an!

1. Die Insel unter dem Meer, Isabel Allende
"Die Insel unter dem Meer" (La isla bajo el mar) erzählt die Geschichte der Mulattin Zarité, genannt Tete, die als Sklavin des Plantagenbesitzers Toulouse Valmorains aufwächst, und oft von ihn vergewaltigt wird. Geborgenheit erfährt sie nur von seiner sterbenden Frau Eugenia und von der Voodoo Priesterin.

Nachdem mehr und mehr Sklaven aus Afrika nach Saint Domingue eingeführt werden, und diese und deren Nachkommen anschließend die Mehrheit der französischen Kolonie bilden, dauert es natürlich nicht mehr lange, bis sich die Mehrheit gegen die Unterdrücker wehrt. Der Anfang der haitischen Revolution. Zarité flieht dann zusammen mit Valmorain, seinen Sohn und ihre Tochter nach New Orleans. Aber sie muss sich immer noch ihre eigene Freiheit erkämpfen....

Isabel Allende ist eine fantastische Schriftstellerin. Ihre Art zu erzählen ist wahrhaftig einzigartig, und man kann sie auch mit keinen anderen Autor der Welt vergleichen. Wie man hier sieht, hat sie sehr lange über die Zeit der französischen Kolonie Saint Domingue recherchiert, und um die Umstände der Revolution, die zur Unabhängigkeit Haitis führten. Neben der Tatsache, dass diese Zeit im Roman beim lesen so unglaublich lebendig wird, passt hier auch wieder der für Isabel Allende so typische magische Realismus ins Bild. So hat Zarité auch Begegnungen mit Loas, den Geistern im Voodoo Glauben.

2. Amon - Mein Grossvater hätte mich erschossen, Jennifer Teege
Jennifer Teege wird als Tochter einer Deutschen und eines Nigerianers geboren, und wird kurz nach ihrer Geburt adoptiert. Sie hat eine schöne Kindheit und Jugend, und lebt später auch mehrere Jahre in Israel. Recht spät, inzwischen verheiratet und hat Kinder, erfährt sie die dunkle Seite ihrer Familiengeschichte: ihr Großvater war Amon Göth. Ein Nazi, der mehrere Leben auf dem Gewissen hat - die Darstellung seiner Morde in "Schindlers List" werden viele fürs Leben nicht vergessen.

"Mein Großvater war ein Psychopath, ein Sadist. Er verkörpert all das, was ich ablehne: Was muss das für ein Mensch sein, dem es Freude macht, andere Menschen möglichst einfallsreich zu quälen und zu töten? Ich finde keine Erklärung dafür, warum er so wurde. Als Kind schien er noch ganz normal..."

Ich finde es faszinierend, wie Jennifer Teege diese Fragen auf die Spur geht - wir erfahren hier über das Leben Amon Göths vor seiner NSDAP Zeit. Nebenbei erzählt sie auch über das Leben ihrer leiblichen Mutter - die den Kontakt zu ihr nicht wünscht. Und auch über Jennifers Zeit in Israel, und den vielen Begegnungen die sie dort hatte. So hat sie dort zum Beispiel für Holocaust-überlebende auf deutsch vorgelesen.

Ich fing das Buch im November 2013 an, auf dem Weg von Hamburg nach Flensburg, und las das Buch dann im Januar dieses Jahres fertig. Ein sehr persönliches Buch, das ich jeden weiterempfehlen kann.

3. Bekenntnisse, Nina Hagen
Die Autobiografie Nina Hagens - hier beschreibt sie schonungslos, und in ihrer eigenen Sprache, über ihre frühe Kindheit im DDR der 50´er Jahre, der Scheidung ihrer Eltern, wie sie von ihrer Mutter vernachlässigt wird, ihrem persönlichen Wandel durch Wolf Biermann, von ihrem Start der Gesangskarriere und ihrer Zeit nachdem sie die DDR verlässt.

Ich liebe es, wie sie auf ihre eigene schrille Art die Dinge beschreibt, und doch ganz ernst bleibt. Es gibt wohl auch einen Grund, weshalb ich ein großer Fan von ihr bin. Es muss auch gesagt werden, dass einige Passagen, wie zum Beispiel wenn es um Sachen wie die Scheidung ihrer Eltern oder wie Kalt ihre eigene Mutter zu ihr war, einen die Tränen kommen. Auch, wie sie mit ganz einfacher Alltagssprache die Parteibonzen der SED und die Stasi beschreibt - das macht auch total spass! Zudem habe ich erst hier durch das Buch den recht zweideutigen Text von "Du hast den Farbfilm vergessen" verstanden.....oh mein G-tt, wie kann es sein, dass mir das vorher so nicht richtig aufgefallen ist? Naja, jetzt weis ich es wenigstens.

4. Das Geisterhaus, Isabel Allende
Ein Klassiker der lateinamerikanischen Literatur - auch ein Buch, das man lesen muss, bevor man stirbt. Der Roman beschreibt die Geschichte der chilenischen Familie Trueba, wie sie die turbulenten Jahre des 20. Jahrhunderts übersteht und die verschiedenen Tragödien innerhalb der Familie.

Im Mittelpunkt steht die Matriarchin der Familie, Clara del Valle Trueba, die schon als Kind Zeichen übernatürliche Kräfte (und Autismus....) aufzeigt. Nachdem sie den Tod ihrer grossen Schwester vorhersieht, und kurz Zeugin ihrer Autopsie ist, schweigt sie für Jahre. Esteban Trueba, der ehemalige Verlobte ihrer Schwester, hat es inzwischen zu Reichtum gebracht - und ist inzwischen zu einem Sadisten angereift, der seine Bediensteten peinigt, und eine Magd vergewaltigt hat. Als er zur Beerdigung seiner Mutter in die Hauptstadt zurückkehrt, sieht er Clara wieder, und verliebt sich in sie. Als er um ihre Hand anhält, spricht sie wieder, und die beiden heiraten. Inzwischen zeigt seine Schwester Ferula Interesse an Clara - und Clara sieht dann in einer Vision den Tod ihrer eigenen Eltern voraus.

So viel zur Handlung - ich habe hier versucht, so wenig wie nur möglich zu spoilern. Der Roman ist eine wahre Wucht, und machte Isabel Allende über Nacht berühmt. Der magische Realismus ist hier auch wieder fantastisch beschrieben worden.

Zur Review von der Verfilmung von Bille August, hier.

5. Das Mädchenorchester von Auschwitz, Fania Fénelon
Es ist nicht selten, dass ich einen Roman lese, der einen unglaublich zu Tränen berührt. Besonders nicht, wenn es ein Tatsachenroman ist. "Das Mädchenorchester von Auschwitz" sind die Memoiren der französisch-jüdischen Chansonsängerin Fania Fénelon, die sie aus ihren damaligen Tagebuchaufzeichnungen basierte.

Das Buch beginnt mit ihrer Befreiung aus Bergen-Belsen, wo sie dann für die BBC singt - in dem Moment erfuhr ihre Kusine in London dass sie noch lebt. Danach wird kurz von ihrem Leben vor dem Krieg erzählt - sie wuchs als Fania Goldstein im Paris der 20´er und 30´er auf, und studierte Musik - ihre Ehe mit einem Nichtjuden wurde vom Kriegsausbruch unterbrochen. Sie schließt sich der Resistance an, und singt unter dem Pseudonym Fania Fénelon in einer Bar in der Nacht. Schließlich wird sie verraten, und nach Auschwitz deportiert. Nachdem sie mit ihrer Gesangsstimme überzeugt, wird sie ins Mädchenorchester verlegt, dass von der österreichischen Jüdin Alma Rosé geleitet wird. Sie wird dort mit dem Rassismus der deutschen und polnischen Aufseherinnen konfrontiert, sowie mit den verschiedenen Rivalitäten ihrer Mitinsassinnen, und sogar mit diversen lesbischen Liebschaften.

Schonungslos berichtet sie von der Unmenschlichkeit im Lager. Sie beschreibt auch, wie einige ihrer Mitinsassinnen anfangen, die Musik wegen ihrer Situation zu hassen. Das Buch wurde von ehemaligen Mitinsassinnen wie Anita Lasker-Wallfisch wegen der negativen Darstellung von Alma Rosé kritisiert, allerdings sehe ich in der Darstellung nicht so viel negatives, wie von vielen behauptet wird. Ich werde mir 2015 mal die Memoiren von Anita Lasker-Wallfisch durchlesen.

Triviales: in einen Film über das Mädchenorchester wurde Fania Fénelon von der Antisemitin Vanessa Redgrave gespielt, die dafür sogar einen Oscar gewann. Fania Fénelon war schockiert über die Wahl des Regisseur, von Redgrave dargestellt zu werden und ging in einem Interview auf sie los. Gut, sage ich da nur, gut.

6. Die Synagoge, Chaim Noll
Letztes Jahr verschlang ich Chaim Nolls Novellensammlung "Kolja" binnen eines Abends. Deswegen überraschte es mich nicht, dass ich diesen Roman auch so schnell verschlang.

Der Roman spielt in einer kleinen israelischen Stadt in der Negev-Wüste. Der Mittelpunkt der Handlung ist die Namen-gebende Synagoge, die von einer syrisch-jüdischen Großfamilie gespendet wurde, als "Wiedergutmachung" für einige Skandale. Dort kommt es allerdings Anfangs nur selten zu einem Minjan am Schabbat; im Roman treffen wir verschiedene Menschen der Stadt, wie die gemischte Cane Familie, das deutsche Paar Abi und Livia, Orit Weissgold, dem Engländer Paul oder die junge Yael.

Nach einiger Zeit kommt es in der Synagoge am Schabbat wieder zum Leben, und die meisten sind damit zufrieden. Aber nicht alle sind damit zufrieden - so stiehlt der linke Wehrdienstverweigerer Holly, Sohn der Canes, eines Nachts eine Torahrolle und setzt die Synagoge in Brand. Währenddessen beginnt seine Exfreundin Yael eine Beziehung mit seinem älteren Bruder Adam...

Ja, ich versuche hier nicht so viel zu verraten, es gibt im Roman hier sehr viele Subplots und Charaktere - ich will ja auch nicht so viel spoilern.

Beim Lesen konnte ich mir nu zu gut die beschriebene Stadt in der Negev vorstellen - ich habe mich im Sommer so sehr in die Negev verliebt, dass ich zum Wüstenmensch geworden bin. Mir gefällt neben Nolls sehr menschlichen (an Anna Seghers erinnernden) Erzählkunst auch, wie er die verschiedenen Charaktere einführt - die Charaktere gehen einen sehr schnell zu Herz, und sie kommen einen sehr real vor. Sie stellen sehr gut die Vielfältigkeit der israelischen Gesellschaft da.

7. Weiter leben - eine Jugend, Ruth Klüger
Ruth Klüger erzählt hier schonungslos über ihre Kindheit und Jugend - vom Wien der 30´er Jahre, bis hin zum KZ-Aufenthalt mit ihrer Mutter.

Beim lesen kamen mir (im Zug!) mehrmals die Tränen - und das vom ersten Kapitel an. Das passierte mir erst wieder in diesem Monat, als ich Das Mädchenorchester von Auschwitz las.

Im Buch setzt sich Ruth Klüger auch sehr schonungslos mit der "Erinnerungskultur" auseinander, und es brachte mich auch sehr zum nachdenken. So erwähnt sie wie der Ausnahmefall vom KZ Buchenwald, wo ein jüdisches Kind von politischen Häftlingen versteckt und somit gerettet wurde, so dargestellt wird als ob es keinen Unterschied gab zwischen den jüdischen, Sinti & Roma und politischen Gefangenen. In der DDR wurde die Verfilmung ("Nackt unter Wölfen", Review folgt)  der literarischen Aufarbeitung (wo der Autor, der selbst in Buchenwald war, sehr viel zum Gunste der SED ändern musste, um es veröffentlichen zu können) schon beinahe zu propagandistischen Zwecken missbraucht, wo das Kind nicht im Mittelpunkt war, sondern nur der antifaschistische Kampf hervorgehoben wurde.

Hierzu erwähnt Klüger, dass viele der politischen Häftlinge selbst Antisemiten waren.

Über diese Dinge habe ich nicht gedacht, bevor ich dieses Buch las. Das Buch wurde mir im Sommer von Chaim Noll empfohlen.

Wie ich schon letztes Jahr sagte, so kann ich jedes der Bücher hier empfehlen!

Nun bin ich gespannt, was ich 2015 so lesen werde. 

Sonntag, 29. Dezember 2013

Bücher, die mich dieses Jahr bewegt haben


Da ich ja ein Bücherwurm aus Leidenschaft bin, habe ich dieses Jahr natürlich sehr viel gelesen;

Hier sind die Bücher, die mich dieses Jahr besonders bewegt haben:

(die Titel hier sind zwar nummeriert, aber nicht in einer bestimmten Reihenfolge)

1. Das Erbe, Sahar Khalifa
"Das Erbe" (al-Mirath) ist ein Roman der palästinensischen Schriftstellerin Sahar Khalifa. Der Roman hat zwei Handlungen: zum einen die Vorgeschichte der Hauptperson, Sainab "Sena" Hamdan, die ihre Kindheit und Jugend in Brooklyn beschreibt - wie sie zwischen zwei Welten lebte, zum einen in einer arabischen (durch ihren palästinensischen Vater) und zum einen in einer westlichen, amerikanischen (durch ihrer amerikanischen Mutter). Als Sena noch jung ist, haut ihre Mutter von zuhause ab - und als Teenager wird sie schwanger, und flüchtet zu ihrer Grossmutter. Jahrelang hat sie keinen Kontakt zu ihrem Vater, und sie wird eine erfolgreiche Anthropologin. Nach dem Tod ihrer Mutter erbt sie noch eine große Summe; als sie erfährt, dass ihr Vater im sterben liegt, nimmt sie den nächsten Flieger nach Israel und nimmt sich danach ein Taxi ins Westjordanland, wo ihr Vater mittlerweile zu seinem Geburtsort zurückgekehrt war. Dort wird sie von ihrer Sippe aufgenommen, teils herzlich, teils misstrauisch, da sich viele ums Erbe ihres Vaters reißen. Währenddessen kämpft ihre Tante Nahla, eine ehemalige Lehrerin aus Kuwait, um Anerkennung in ihrer eigenen Familie.

So, nun möchte ich auch nicht mehr verraten. "Das Erbe" hat mich wirklich beeindruckt. Irgendwie konnte ich nachvollziehen, wie Sena sich fühlt, zwischen zwei Welten, da ich selbst auch gemischter Abstammung bin. Sahar Khalifa beschreibt das ganze sehr gut. Der Roman ist wie gesagt geteilt in zwei Teilen: im ersten Teil geht es um Sena, um ihre Kindheit, ihre Jugend, und ihr modernes, emanzipierte Leben in New York. Das Idyll wird dann gestört durch der Nachricht, Senas Vater sei im sterben. Wir erfahren dann auch wie fremd ihr die palästinensische Kultur vorkommt, und wie sie noch einige Schwierigkeiten hat, arabisch zu sprechen, da sie seit dem sie bei ihrer Großmutter wohnte nur englisch sprach.

Im zweiten Teil geht es dann mehr um ihre Tante Nahla, und ein genaueres Porträt der Familie Hamdan. Anfangs sehen wir das Geschehen noch mit Senas Augen, aber nach einen Gespräch mit der Tante Nahla, wo sie offenbart, wie undankbar sie von der eigenen Familie behandelt wird, sehen wir das Geschehen mit Nahlas Augen. Erst am Ende wird es noch mit Senas Augen gesehen. Und jetzt verrate ich nicht mehr.

2. Hotel Shanghai, Vicki Baum

Vicki Baum war eine der bedeutendsten Schriftstellerinnen ihrer Zeit. Geboren in einer jüdischen Familie in Wien, wurde sie später eine sehr bedeutende Schriftstellerin der Weimarer Republik. Anfang der 30´er Jahre migriert sie in die USA, wo sie auch bis zu ihren Tod 1960 bleibt.

"Hotel Shanghai" ist in zwei Teilen geteilt. Der erste Teil beschreibt die Leben der Hauptpersonen - unter anderen ein chinesischer Triadenboss, sein Sohn, ein jüdischer Arzt, eine russische Adlige, ein japanischer Geschäftsmann, und eine amerikanische Flugbegleiterin. Am Anfang wird jedenfalls schon klar gemacht, dass jeder der im ersten Teil erwähnten Personen sterben wird. Im zweiten Teil geht es um das im Titel erwähnte Hotel, wo sich alle im ersten Teil genannten Personen begegnen werden. Hier realisiert zum Beispiel die russische Adlige Jelena (aka Helen Russel), dass ihre Ehe die Hölle ist, der jüdische Arzt Doktor Hain bekommt einen Brief von seiner nicht-jüdischen Frau in Deutschland, dass sie sich scheiden möchte, und dass "der Führer recht hat", und der Sohn des Triadenboss bekommt eine junge Konkubine verehrt, Meilan, da er mit seiner amerikanischen Frau bis jetzt noch keinen Nachkommen kriegen konnte.

Das Jahr 1937 wird durch das Lesen hier richtig lebendig. Nicht nur das glamouröse Leben im Hotel wird hier lebendig, sondern auch die damaligen Probleme werden auf einmal sehr lebendig: so beschreibt Vicki Baum im ersten Teil den Aufstieg der Nazis in den Augen des jüdischen Arztes und der eines Studenten. In Shanghai gehen sie alle ins Exil, andere flüchten von ihren eigenen Problemen zuhause (wie zum beispiel Jelena und Ruth Anderson), und sind im Hotel Shanghai dann in einer ganz anderen Welt. Der Roman wurde 1997 verfilmt, mit Agnieszka Wagner als Jelena und Hu Xin als Meilan. Als ich das Buch fertig gelesen hatte, war ich sehr berührt.

3. Frauen ohne Männer, Shahrnush Parsipur
Kommt euch der Titel hier nicht bekannt vor? Ja, denn der Roman (im Original: Zanān bedun-e mardān) wurde 2009 von Shirin Neshat verfilmt. Der Roman ist jedoch viel gewalttätiger als die Verfilmung, und der Roman ist auch voller magischen Realismus. Eine vierte Schlüsselfigur tritt auch hier auf, die am Anfang erscheint, und am Ende in einen Baum verwandelt wird.

Shirin Neshat hat vieles davon im Film weggelassen, um die Parallelen von damals mit dem Iran von heute zu zeigen. Im Roman hier stirbt Munes zwei Mal, bevor sie wiedergeboren wird. Hier wird auch genauer Beschrieben, wie sich die Frauen von der Aussenwelt verabschieden und sich dann im Garten in der Einöde eine eigene kleine Utopie aufbauen.   Es wird hier auch genauer beschrieben, wie schlimm und leer das Leben als Prostituierte ist.

Der Roman wurde kurz nach seiner Veröffentlichung 1989 verboten, und die Autorin Shahrnush Parsipur erlebte mehrmals ein Gefängnis von innen - sowohl unter dem Schah als auch unter Khomeini. Ich habe den Roman damals auf meinen Flug von Wien nach Tel Aviv gelesen - und das letzte Kapitel und das Nachwort der Autorin las ich dann am Abend einige Stunden nach meiner Ankunft in Jerusalem. Deswegen verbinde ich den Roman nämlich jetzt immer mit den Tag, als ich nach Israel kam.

4. Schalom, Avram Kantor  
Diesen Roman (im Original: El haChardonim) verschlang ich auf einem Tag. In dem Roman geht es um Nechama, eine Überlebende des Holocausts. Sie ist verwitwet, und hat mehrere Kinder und Enkelkinder. Ihr Ehemann Menachem hatte den Deutschen nie verziehen, deswegen hat er dann seinen Sohn  Jaki verstoßen, als der eine Deutsche heiratete und mit der eine Familie in Deutschland gründete.  Jaki schreibt einmal im Monat einen Brief, und Nechama träumt immer noch davon,  dass Jaki zurückkehren würde. Obwohl Menachem Jahre vorher verstarb, ist er immer noch im Haus präsent. Eines Tages ruft Jaki an. Sein Sohn Gil kommt zum Zivildienst nach Israel, und sie möge ihn eine Unterkunft gewähren. Nechama ist geschockt.

Der Roman beschreibt drei Generationen, und wie diese aufeinander treffen. Die Inneren Monologe von Nechama sind sehr gut geschrieben, und man fühlt mit den Betroffenen mit. Und man stellt sich beim lesen natürlich die Frage: Ist ein vergeben eigentlich möglich?
Die Frage ist voller Ja/Neins, aber der Roman ist ein erster Schritt zur Antwort.

5. Die Sonnenblume, Sahar Khalifa
Ich glaube, von allen Romanen die ich bisher von Sahar Khalifa gelesen habe, ist "Die Sonnenblume"(im Original: Abbad al-Schams) wohl das überzeugendste Werk von ihr. Der Roman eine Fortsetzung ihres Debutromans "Der Feigenkaktus" von 1976, und ist gleichzeitig ein eigenständiges Werk. Der Roman handelt von drei Frauen, die alle Aussenseiter in der arabischen Gesellschaft sind. Zum einen die Hauptdarstellerin Sadija, die eine Witwe ist, zum zweiten Rafif, die Journalistin ist und somit auch eine emanzipierte Frau ist, und zum dritten Chadra, eine Prostituierte die sich von niemanden was sagen lässt.

Sadija arbeitet als Näherin zuhause, um ihre Kinder und sich ernähren zu können. Sie wird um ihren Erfolg als Näherin von den Nachbarinnen in ihrem Stadtteil von Nablus beneidet und verachtet. Eine Schlüsselszene kommt bei Sadijas unfreiwilligen Ausflug nach Tel Aviv. Dort trifft sie in einem Restaurant auf die Prostituierte Chadra, die Sadija mit ihrem Mundwerk schockiert. Chadra lockt Sadija dann auf einen Egged-Bus, und dort flirtet sie dann die ganze Zeit mit dem Busfahrer, bis sie ihn dann überredet, zum Strand zu fahren. Kurz nachdem der Bus dann vom Kurz abwich, werden sie schon von der Polizei verfolgt. Chadra und Sadija landen im Gefängnis. Beide erhalten dort Prügel. Und Chadra hat dazu nichts anderes zu sagen als:

"Ha, sie haben mir eine Tracht Prügel verpasst, die sich sehen lassen kann. Aber was soll´s? So was habe ich schon oft erlebt, wie ich Haare auf den Kopf hab. Der Vater verprügelt einen. Der Ehemann verprügelt einen. Die Juden verprügeln einen. Prügel hier Prügel da. Aber weiss Gott, die Prügel von den Juden sind besser. Da fühlt man sich wenigstens geachtet. Morgen geh ich raus und erzähl aller Welt: Ihr könnt mir´s glauben, ha genau! Das Gefängnis ist auch was für Frauen, ihr Männer, ha!"          
Die beiden Frauen kommen sich näher, und nach der Rückkehr ins Westjordanland trennen sich ihre Wege. Bis sie sich dann eines Tages im Badehaus begegnen. (....)

Währenddessen versucht die Journalistin Rafif, von ihren Mänlichen Kollegen anerkannt zu werden.

6. Was mir zusteht, Parinoush Saniee
Im Roman (im Original: Saham-e Man) geht es um Masumeh, die während der Ära des Schahs mit einem Mann verheiratet wird, den sie vorher nie gesehen hatte. Zu ihrem Glück ist er westlich orientiert, und ist im kommunistischen Untergrund aktiv. Als die islamische Revolution 1979 anbricht, verändert sich alles.

Parinoush Saniee beschreibt hier sehr gut ein Porträt einer jungen Frau, die in ihrer Jugend ein Martyrium durchleben muss. Vom Vater und von den Brüdern misshandelt, wird sie nach einer angeblichen Affäre aller Freiheiten beraubt und dann anschließend verheiratet wird. Obwohl sie in der Ehe alle Freiheiten geniest, ist ihr Leben nicht leichter geworden. Ihr Mann lebt gefährlich, wegen seiner politischen Aktivitäten, und eines Tages werden mehrere seiner Freunde aus dem Untergrund hingerichtet. Als einer ihrer Söhne später zum Anhänger Khomeinis wird, scheint alles verloren.  

Der Roman erinnert einen auch an die Freiheiten der Frauen während der Ära des Schahs. Es war zwar nicht alles perfekt, aber man konnte leben, und die ganzen Freiheiten, die wir  hier in der westlichen Welt  geniessen, wurde den Menschen nach der Revolution 1979 geraubt.

7. Ich will leben, Nina Lugowskaja
Das Tagebuch (im Original: Chotschu shit) eines jungen Mädchens, dass die Perspektivlosigkeit des stalinistischen Russlands nicht mehr ertragen konnte. Nina Lugowskaja war ihr Name, und sie hatte ein unglaubliches Talent zum schreiben. Sie fing 1932 mit den Tagebuchführen an, im Alter im 13 Jahren. 1937 hört sie auf - denn eines Tages im Frühjahr 1937 wurde das Haus der Familie durchsucht - und die Tagebücher wurden entdeckt. In den Tagebüchern wurden Sätze entdeckt, die Stalin und dem Kommunismus gegenüber extrem kritisch wahren - und nicht nur die Sätze und Passagen wurden verurteilt: auch die Stellen, wo sie sich über ihr eigenes Leben und psychologischen Problemen schreibt, galten als "Konterrevolutionär".

Nina und ihre ganze Familie wurden nach Sibirien geschickt, wo sie bis zum Ende der 40´er Jahre bleiben. Im Exil in Sibirien heiratet sie einen Juden, Viktor Templin. Das "witzige" an der Sache ist, dass sie besonders in ihren frühen Tagebüchern mehrere antisemitische Passagen ist - bis heute existiert in Russland ein extremer Antisemitismus in vielen teilen der Bevölkerung. Viele Jahre nach Stalins Tod gaben viele an, von dem Terror Stalins nichts mitbekommen zu haben - Nina Lugowskajas Tagebuch beweist das Gegenteil. Sie beschrieb unter anderen, wie hungrige Menschen vom Lande in die Stadt kamen, auf der Suche nach Essen - und dann zurückgeschickt wurden. Sie beschreibt auch, wie diverse Personen plötzlich "verschwinden".

Nina Lugowskaja kann man irgendwie auch die "Anne Frank des Stalinismus" nennen. Allerdings hatte Anne Frank nicht das Glück, lebendig aus dem Lager zu kommen. Nach ihrer Entlassung aus dem Lager hat Nina nie mehr geschrieben, stattdessen hat sie gemalt. Erst nach ihrem Tod wurden ihre Tagebücher (nachdem sie in alten KGB-Archiven gefunden wurden) veröffentlicht. Ich kann jeden dieses Buch ans Herz legen.

8. Im roten Eis - Schicksalswege meiner Familie 1933-1958, Sonja Friedman-Wolf
"Im roten Eis" ist ein besonderes Buch. Es wurde 1962 geschrieben, aber erst dieses Jahr (2013) veröffentlicht. Die Autorin, Sonja Friedman-Wolf, beschreibt hier ihr Leben. Geboren wird sie in eine Familie deutsch-jüdischer Kommunisten in Berlin 1923. Nachdem die Nazis 1933 an die Macht kamen, zieht die Familie Wolf erst für eine Weile in die Schweiz, wo Sonja dort Lion Feuchtwanger trifft. Im selben Jahr beschließen ihre Eltern jedoch, ins kommunistische Paradies, der Sowjetunion, zu ziehen. Sonja und ihrem Bruder kommt das Leben in Moskau allerdings nicht geheuer vor; die Eltern sind noch sehr von ihrer kommunistischen Überzeugung geblendet.  

Nach einer Weile beginnen die stalinistischen Säuberungen, und Leute verschwinden. Der Vater verschwindet auch - und dennoch hält die Mutter am Kommunismus fest - bis sie kurz nach Kriegsbeginn Selbstmord begeht. Sonja beginnt eine kurze Karriere als Informantin des sowjetischen Staatsapparats - bis sie und ihr Bruder nach Sibirien deportiert werden. Ihr Bruder stirbt an der Front. Sonja trifft in Sibirien auf den litauischen Juden Israel Friedman, den sie dort auch heiratet. 1944 kommt dann Tochter Esther Asnat zur Welt. Israel und Esther können das Lager schon 1945 verlassen, Sonja selbst muss noch bis 1948 warten, um raus zu kommen. In Litauen beginnt sie dann ein neues Leben - dennoch muss sie mit ansehen, wie Stalins antisemitische Kampagnen das Land auf den Kopf stellen. Nach Stalins Tod ändern die Dinge sich ein Wenig. 1958 wandern sie in die DDR aus - wo sie unterschreiben, niemanden von den Erlebnissen in der UdSSR zu erzählen. In der DDR trifft Sonja auch auf andere, die als Kinder mit den Eltern nach Moskau auswandern - allerdings will niemand darüber sprechen, um bei der SED mit zu marschieren.

Das ganze erinnert Sonja dann aber zu sehr an den Nationalsozialismus als auch den Stalinismus, und im selben Jahr flüchtet die Familie dann nach Westberlin, und dann anschließend nach Israel.  1962 schreibt sie ihre Memoiren, allerdings will kein deutscher Verlag sie veröffentlichen. 1986 begeht Sonja Friedman-Wolf in ihrer Wohnung in Tel Aviv Selbstmord.

Ich kann jedem dieses Buch empfehlen, besonders jetzt in diesen Tagen, wo die Taten Stalins (oft auch der Antisemitismus in der UdSSR generell) oft verharmlost werden.            

Jeden der hier genannten Bücher kann ich vollen Herzens empfehlen! Ich bin jetzt voll gespannt wie viele Bücher ich bald im neuen Jahr 2014 verschlingen werde. Auf jeden Fall etwas von Esther David und Sahar Khalifa.                                  

Ach, der letzte Tag meiner Zwanziger!

Heute ist Purim, und es ist eines meiner Lieblingsfeiertage. Und heute fällt er zufällig auch auf dem letzten Tag meiner Zwanziger - denn mo...