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Donnerstag, 21. März 2024

Das Fasten

 

Accessoires zum Opiumrauchen, China, 19. Jahrhundert, im dänischen Nationalmuseum

Heute ist es das Taanit Esther, soll heißen, das Fasten von Esther. Es ist ein kleiner Fastentag, der vor dem Purimfest kommt, und dieses Jahr fällt er heute, da Purim dieses Jahr Samstagabend anfängt. Und es ist ein kleiner Fastentag, da er kurz vor Sonnenaufgang anfängt und dann eine Stunde nach Sonnenuntergang endet. 

Ich habe mich schon vor Jahren an das Fasten gewöhnt - aber das erste Mal werde ich nie vergessen. Es war zu Jom Kippur 2013 in Tel Aviv, und obwohl ich mich damals nicht traute in eine Synagoge zu gehen, so fastete ich trotzdem. Denn irgendwann musste ich immerhin damit anfangen. Das war, trotz der Hitze, ein Erlebnis, an das ich gerne zurückdenke. 

Es war nicht viel los am Dizengoff Springbrunnen zu Jom Kippur 2013 

Kein Mensch 



Die Stille am Ben-Gurion Boulevard 

Die Atmosphäre in der Stadt an dem Tag war etwas ganz besonderes. Keine Autos fuhren an dem Tag in den Straßen, und es war so unglaublich Still in der Stadt, und das ist für Tel Aviv etwas ganz ungewöhnliches. Ich ging durch die Straßen der Stadt und an der Promenade entlang, und es waren fast keine Menschen draußen. Am Abend gab es dann zum Fastenbrechen ein Buffet im Hotel Leonardo, wo ich damals wohnte. 

Das würde ich nicht vergessen, und damals hatte ich keine richtige Ahnung, dass Jom Kippur mein Lieblingsfeiertag werden würde. 

Als ich nach Kopenhagen zog und meinen Gijur anfing, lernte ich dann von all den kleineren Fastentagen - und der erste war dann Tzom Gedalja, ein Fastentag der direkt nach Rosch Haschana kommt, und kann als eine Art Vorbereitung zu Jom Kippur angesehen werden. Und das war dann das erste Mal, wo ich für so einen kleinen Fastentag vor Sonnenaufgang aufstand um etwas zu essen und zu trinken, und dann war ich für den Rest des Tages bereit. Zu Jom Kippur in der folgenden Woche hatte ich dann in der Synagoge ein richtiges spirituelles Erlebnis, und somit wurde es zu meinem Lieblingsfeiertag. 

Dann kam mein erstes Purim - und ich verbrachte den Tag des Fastens damit, im Nationalmuseum die Zeit totzuschlagen, und das habe ich dann vier Jahre später so wiederholt

Ein Schrecken im Nationalmuseum, 2015 

Es war wohl auch der Zeitpunkt, wo ich spürte, wie leicht mir das Fasten nun fiel. Zwei Jahre vorher, wo ich noch in den letzten Monaten vom Gymnasium war, hätte ich mir das ganze nicht vorstellen können, obwohl ich damals schon fest daran hielt, zum Judentum zu konvertieren so bald ich zu einer Gemeinde gezogen war. 

Wie seltsam wie sich die Dinge ändern. 

Generell finde ich es zum Beispiel wie die Zeit tatsächlich verläuft - im obengenannten Beispiel, wo ich im März 2015 fastend durch das Nationalmuseum ging, waren nur zwei Jahre vergangen seit ich mit dem Gymnasium fertig wurde - und gerade im März 2013, begannen wir damals alle, uns langsam auf die letzten Prüfungen vorzubereiten. Und zwei Jahre später zu gerade dem Zeitpunkt hatte ich schon angefangen, Jüdische Feiertage zu feiern. 

Ein weiteres Beispiel wäre der Spätherbst 2015, wo ich in eine größere Wohnung innerhalb desselben Viertels zog - und ein Jahr zuvor, im späten Februar 2014, lebte ich noch auf Lolland und sehnte mich nach mehr. Ich finde es einfach so seltsam daran zu denken, wie wenig Zeit zu dem Zeitpunkt vergangen ist, mein Leben aber in dem Zeitpunkt sich so grundlegend verändert hatte. Ich war ja so glücklich, und ich bin heute noch dankbar, dass es alles gelungen ist. 

Und gerade aus dieser Dankbarkeit ist es mir auch so wichtig, selbst bei solchen kleinen Fastentagen wie der heutige, zu Fasten. 

Ich finde, es fühlt sich einfach richtig an. 

Montag, 18. März 2024

10 Jahre Kopenhagen - hat sich mein Bild der Stadt verändert?

Diesen kommenden August ist es 10 Jahre her, dass ich die Koffer und alles andere gepackt habe und nach Kopenhagen gezogen bin, einen Monat vor meinem Studienbeginn. Es war ein sehr großer Schritt in meinem Leben, und obwohl es dieses Jahr schon 10 Jahre her ist, so fühlt es sich dennoch so an, als wäre es erst gestern gewesen. 

Bei Christiansborg, November 2023

Und wieder muss ich dann wieder zurückdenken an die Zeit davor - vor allem zum November 2013, wo ich langsam begann mich vom post-Kibbuz Fiasko zu erholen. In dem Monat fing ich an, hier und da - manchmal mit, manchmal ohne meine Eltern - auf Tagestrips nach Kopenhagen zu gehen. Eines der Dinge die ich tat, war, mich an den Gedanken zu gewöhnen, eines Tages da tatsächlich zu wohnen. 

Ich muss hier auch sagen, dass ich zu dem Zeitpunkt nicht einmal wusste, wo sich meine spätere Fakultät befand, das lernte ich erst im kommenden Sommer. 

Die Synagoge in Krystalgade, ein Foto vom November oder Dezember 2013

Ich ging auch oft an der Synagoge vorbei - ich fühlte mich zu den Ort hingezogen, und selbst heute, wo ich dort und im Gemeindehaus dahinter ein und ausgehe, fühle ich eine bestimmte Aura an den Ort. 

Damals gab es an der Synagoge keine 24/7 Polizeischutz. Das kam alles erst nach der Tragödie im Februar 2015

Ab Januar 2014 wurden diese Tagestrips häufiger. In der Zeit half ich meinem Vater oft bei den Sommerhäusern in Marielyst, und manchmal war die Aufgabe des Tages sehr klein, und dann fuhren wir halt von Marielyst nach Kopenhagen. 

An einen bestimmten Tag im Januar 2014 erinnere ich mich noch ganz gut - das war der Tag, wo mein Vater einen Mercedes in Albertslund kaufte - das war die Vorstadt Kopenhagens, wo ich später hinziehen sollte, im kommenden Sommer. Die Fahrt dahin war ziemlich unvergesslich - so fuhr mein Vater im damaligen Firma Wagen dorthin, und da dort nur zwei Plätze vorne sind, saß ich halt hinten - oder lag, um es besser auszudrücken. 

Die Fahrt nach Kopenhagen im Januar 2014

Angekommen in Albertslund, stieg mein Vater aus um dort das Geschäft um den Mercedes zu erledigen, und meine Tante - die mitfuhr und am zweiten Vordersitz saß - fuhr mich dann mit dem Firma Wagen zum Rathausplatz, wo ich mir dann einen schönen Tag machte. Zurück nach Lolland fuhr ich dann erst Abends mit dem Zug. 

In der Zeit ging ich oft vorbei an einer riesigen Baustelle bei Tivoli und dem Hauptbahnhof, wo heute die Federspiel Türme sind. 

Die grosse Baustelle - im Hintergrund ist das Geschäftsgebäude neben Tivoli 



Ich finde es immer noch seltsam, dass diese Baustelle nicht mehr da ist 

Diese tiefe Baustelle wurde dann erst im September 2014 fertig, und als sie dann fertig war, sah es einfach nur seltsam aus - ich muss mich selbst heute noch daran gewöhnen, dass sie weg ist. Kurze Zeit danach kam aber dann die Baustelle am Rathausplatz, als Teil der neuen Metro, die erst 2019 fertiggestellt wurde. 

Ich hielt mich in der Zeit meistens bei der Strøget um, und dies - und Nørrebro sowie Fælledparken - waren die einzigen Orte in Kopenhagen, die ich kannte. 

Am 1. Mai von dem Jahr war kam ich zum ersten Mal in die Synagoge, und an dem Tag kam ich auch zum ersten Mal auf den alten Jüdischen Friedhof in Nørrebro, auf dem Weg zum Fælledparken. 

Der Jüdische Friedhof Møllegade 

Das Grab der Salomonsens - Eva Salomonsen starb 1943 kurz nach ihrer Ankunft in Theresienstadt. Der Grabstein hat sich in mir eingegraben, und vor kurzen erschien ein Buch über das Leben von Eva Salomonsen. 

Am Mai 2014 ging ich einmal im Monat nach Kopenhagen, um dort beim Unterricht für Konvertiten im Gemeindehaus teilzunehmen. Das war das erste Mal in meinem Leben, dass ich Gleichgesinnte traf, und das an sich fühlte sich sehr befreiend an. 

Es war auch in der Zeit in der ich erst so langsam anfing, mich in Kopenhagen selbst zuhause zu fühlen. 

Aber nun denn. Im August 2014 zog ich dann endlich um, und ein neues Kapitel in meinem Leben fing an. Es war ein sehr schöner Tag - wenn auch viel passierte, und ein hin und her zwischen Bauhaus und Ikea. Aber als ich am folgenden Morgen aufwachte, so war das der eigentliche Anfang in mein neues Leben. An dem Morgen ging ich zum Unterricht im Gemeindehaus, und danach auf eine pro-israelische Demonstration auf dem Rathausplatz, wo es an dem Tag sehr viel regnete. Danach ging ich ins Kino und schaute mir den sehr bizarren Scifi Film Lucy an. 

Aber naja, das alles ist jetzt kommenden Sommer ganze 10 Jahre her. 

6 Jahre wohnte ich in der Vorstadt Albertslund, in einem Studentenviertel, seit dem Herbst 2020 wohne ich in Bispebjerg. 


Aufgenommen an dem Tag, wo ich den ganzen Weg aus Lolland gereist war, nur um meine Schekel zu holen

Im Mai 2015

Blüten im Frühling 2015


Ich muss allerdings sagen dass ich den Morbærhaven und Albertslund an sich erst so richtig im Frühling und Sommer 2015 kennenlernte, und so ähnlich geht es mir jetzt auch mit Bispebjerg, dass ich auch erst so richtig im Frühling und Sommer 2021 kennenlernte. 

Ich habe allerdings nach dem Umzug nach Bispebjerg eine Tradition angefangen, in der ich jedes Mal, bevor ich auf eine Reise gehe, einen Spaziergang durch Albertslund und Morbærhaven mache. 
 
Blick zur Grundtvigkirche, Frühling 2021

Die Allee zwischen der Grundtvigskirche und Utterslev mose

Kapelle und Gruntvigkirche 


Auf dem Weg zu einer der letzten Corona Teststationen, Februar 2022


Am Bispebjerg Hospital 

Kunst auf dem Bispebjerg Hospital 

Ich würde jedenfalls sagen, dass ich mich in den letzten 10 Jahren in Kopenhagen sehr gut eingelebt habe. Ich fühle mich wohl in der Jüdischen Gemeinde, bin regelmäßig in der kleinen Synagoge Machsike Hadas am Schabbat, bin jede Woche im Gemeindehaus, habe meine diversen Zufluchtsorte in Kopenhagen und bin meist guten Gemüts. 

Die Erinnerungstafel in der kleinen Synagoge 

Die 10 Jahre sind sehr schnell vergangen. 

Und ich bin jetzt wirklich bereit für neue Veränderungen. 

Der Frühling wird wärmer...

  Am Krankenhaus in Næstved, April 2014 - das war eines der letzten kalten Frühlingstage 2014  So, jetzt ist es schon fast mehr als zwei Woc...