Posts mit dem Label Shin Sang-ok werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Shin Sang-ok werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Freitag, 29. Dezember 2023

Bücher, die mich dieses Jahr bewegt haben - 2023 Version (10 Jahre Bücher die mich bewegt haben)

Ja, heute ist es tatsächlich zehn Jahre her, dass ich meine erste jährliche Buchbesprechung machte, und die dann leider von 2017 bis 2021 nicht gemacht wurde, entweder wegen schriftlicher Prüfungen oder Stress wegen der Pandemie. Letztes Jahr habe ich es wenigstens wieder geschafft, und so mache ich es dieses Mal wieder! 

Und wie gesagt, die hier besprochenen Bücher sind trotz der Nummern in keiner bestimmten Reihenfolge! 

1) Wenn du erzählst, erblüht die Wüste, Rafik Schami 

Rafik Schami liebt es, statt als Schriftsteller lieber als Erzähler bezeichnet zu werden - dieser als Erzählband versteckter Roman trifft es auf dem Punkt. 

Im Roman geht es um die arabische Prinzessin Jasmin, die nach dem Tod ihrer Mutter in eine Depression kommt, und durch einer List des verwitweten Kaffeehauserzählers Karam wird dann jede Nacht am Königshof Märchen und Geschichten erzählt, alles vom Volk selber. 

So tauchen wir hinein in einer Vielzahl von Erzählungen, die Unterschiedlicher nicht sein können. 

Jede Nacht ist in einer anderen Kategorie verteilt - so hat jede Erzählung in der Nacht Gemeinsam, dass sie alle ein Thema teilen, so handeln die Erzählungen der ersten Nacht von "Gaunern, Lügnern und deren Widersachern". Die Art, wie die Geschichten erzählt werden, kann oft auch als eine Parodie auf Tausendundeine Nacht verstanden werden, und als Liebhaber von Tausendundeine Nacht kann ich das sehr wertschätzen. Ich würde jedenfalls sagen, dass wenn man ein Liebhaber von Tausendundeine Nacht ist, dann wird man diesen Roman wohl lieben! 

Ich glaube auch, dass Rafik Schami durch diesen Roman in eine ganz neue Ära in seiner Karriere gekommen ist.  

2) Serge, Yasmina Reza 

Im Roman "Serge" von Yasmina Reza geht es um eine sehr dysfunktionale jüdische Familie aus Paris, die nach dem Tod der Matriarchin Marta nach Auschwitz reist, um zu verstehen, was sie damals erlebt hat. 

Der Trip nach Auschwitz vergeht sehr chaotisch, und neben den Shenanigans der Familie und die  Ansichten des Erzählers - der wohl der einzig normale in der Familie ist - sind recht witzig. Ein sehr prominentes Beispiel für schwarzen Humor, wie man ihn nur aus Frankreich kennt. 

Der Roman zeigt allerdings auch, wie schwer es auch in Frankreich für viele jüdische Familien war, nach der Schoa wieder neu anzufangen - und auch, wie viele von ihnen sich an die Mehrheitsgesellschaft anpassen wollten, wie die im Buch verstorbene Matriarchin Marta, die aus einer sehr assimilierten bürgerlichen Familie aus Budapest kam. Im Buch werden hier und da auch einige Vorwürfe an ihr gemacht, dass sie ihren Söhnen die Bar Mizwa verweigerte und sich so schämte, Jüdin zu sein dass sie lieber auf einen katholischen Friedhof beerdigt werden wollte. 

Eine witzige Rand Note ist auch die hier - Marta hatte einen Kalender mit Bildern von Putin, weil er ja ach so süß sei. 

3) Hijack for Freedom, Mark Dymshits 

Ich kaufte und las dieses Buch während meines Urlaubs in Israel letzten Mai. Das Buch sind die Memoiren des ehemaligen sowjetischen Piloten Mark Dymshits, der nach einer langen Karriere bei der sowjetischen Luftwaffe sich bei einer versuchten Flugzeugentführung im Sommer 1970 beteiligte und deswegen für mehrere Jahre in Haft saß. 

Mark beschreibt seine Kindheit und Jugend in Leningrad in den 30´er Jahren und seine Evakuierung 1941, und seiner Leidenschaft vom fliegen. Diese Leidenschaft und seine Karriere in der Luftwaffe lies ihn für lange Zeit die Realität des Jüdisch seins in der Sowjetunion ignorieren, bis zum Jahr 1967. 

Mark macht es klar, dass seine Mitverschwörer und seine Familie wussten, dass die geplante Flugzeugentführung auffliegen würde, allerdings bekamen sie das, was sie wollten - Aufmerksamkeit um das Schicksal der sowjetischen Juden. Mark beschreibt die Jahre in Gefangenschaft sehr lebendig, und sein Glück, als er hörte dass seine Töchter einige Jahre nach der geplanten Flugzeugentführung nach Israel auswandern konnten. 

Das Buch beschreibt auch sehr gut wie assimiliert die Juden in der Sowjetunion schon um 1930 waren, nur 12 Jahre nach der Revolution. 

4) Als ich im sterben lag, William Faulkner 

Oy, das war ein recht eingewickelter, aber dennoch guter Roman. Ein Roman von der Sorte, wo man so gut wie jede der Personen nicht wirklich sympathisch findet. Es geht um die Familie Bundren, die im Mississippi kurz nach der Jahrhundertwende versucht, den Wunsch der verstorbenen Mutter Addie zu würdigen, bei ihrer Familie in der Stadt Jefferson beerdigt zu werden. 

Die Geschichte verläuft chronologisch, wird in über 50 Kapiteln von nicht weniger als 15 Charakteren erzählt. 

Es gibt viele Charaktere, am meisten erzählen der Vater Anse, seine Tochter Dewey Dell, und sein Sohn Darl. Dewey Dell ist eine der wenigen mehr oder weniger sympathischen Charaktere. Wohl auch wegen der tragischen Umstände um ihr eigenes Schicksal, und die Tatsache, dass ihre Schwangerschaft vielleicht von einen ihrer eigenen Brüder gekommen ist. 

Die Geschichte an sich erzählt vom Leichenzug nach Jefferson, und die vielen Strapazen die dort passieren. 
Allerdings muss ich warnen, dass es eine Weile dauern kann, bis man wirklich rafft was eigentlich passiert und man die Charaktere wirklich kennenlernt. 


5) A Kim Jong-il Production, Paul Fischer 
Wie ihr wisst, so finde ich nordkoreanische Filme sehr faszinierend, so auch die Tatsache, dass es auch nordkoreanische Filme gibt, die auch tatsächlich gut sind. 

Eine führende Figur hinter der nordkoreanischen Filmindustrie war von ungefähr 1970 bis zu seinem Tod 2011 niemand anderes als der spätere Diktator Kim Jong-il, der ein großer Hobbycineast war. So sehr, und so enttäuscht war er vom Stand der nordkoreanischen Filmindustrie, dass er Ende der 70´er Jahre den grossen südkoreanischen Regisseur Shin Sang-ok und dessen Exfrau, die Schauspielerin Choi Eun-hee, separat entführen lies. 

Darum geht es in diesen Buch - aber nicht nur über die Entführung, der Jahre in Nordkorea und den Dreharbeiten zu unter anderen Pulgasari, sondern auch um das eigentliche Leben von Shin Sang-ok und Choi Eun- hee - und Kim Jong-il selbst. Paul Fischer hat sehr gut die ganzen Umstände zur Entführung recherchiert, sowie um die Umstände des Kinos im geteilten Korea. Auch wird die Entführung von Japanern und Südkoreanern beleuchtet, sowie die Entführung von anderen Nationalitäten für die bizarren Pläne Kim Jong-ils. Erzählt wird auch über das Schicksal von Woo In-hee, der grossen nordkoreanischen Schauspielerin, dessen Affäre mit Kim Jong-il ihr zum Verhängnis wurde.  

Als ich das Buch las, war es sehr, sehr schwer das Buch von mir zu legen, und ich kann es wirklich jeden weiterempfehlen. 

6) Eine Seuche in der Stadt, Ljudmila Ulitzkaja
Diesen Roman hatte Ljudmila Ulitzkaja schon in den 70´er Jahren als Drehbuch geschrieben, wurde allerdings abgelehnt, da das Thema darin noch nicht bereit war, verarbeitet zu werden in der damaligen Sowjetunion, die noch einige Jahre von den Veränderungen der Perestrojka entfernt waren. 

Im Roman geht es um einen Vorfall in den 30´er Jahren, in der es dem NKDW gelingt, den Ausbruch der Pest zu verhindern, indem sie mehrere Personen die mit dem Patient X in Verbindung waren verhaftet und in Quarantäne versetzt. Bei einigen dieser Leute bricht die Pest dann aus und sie sterben. 

Ljudmila Ulitzkajas kühle Erzählkunst kommt hier sehr gut in Bewegung, und man sieht dass es wohl mit willen schwierig gemacht wurde, sich mit irgendeinen der Charaktere zu identifizieren. 

Wie gesagt hatte Ulitzkaja den Roman in den 70´ern als Drehbuch geschrieben, aber als die Pandemie Anfang 2020 ausbrach, hat sie ihn durchgearbeitet und als Roman umgeschrieben. Die Handlung passte halt wieder in das Zeitgeschehen. Und das in einer Zeit, in der die Realität in Russland dunkler wurde, nicht nur durch die Pandemie und dessen Auswirkungen dort. 

Es war der letzte Roman, den Ulitzkaja vor dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 veröffentlichte, und seit März 2022 wohnt sie nun mit ihrem Ehemann in Berlin. 

Es war sehr schön, wieder Bücher hier besprechen zu können - es fühlt sich irgendwie befreiend an, darüber zu schreiben, wie man beim lesen in eine ganz andere Welt geführt wird. 

Umso schöner das ich es noch nach 10 Jahren noch mache, trotz der Jahre, wo ich es leider nicht tat. 

PS - eigentlich hatte ich geplant, hier auch Masha Gessens Buch über Birobidschan zu besprechen, allerdings im Lichte der Tatsache dass sie sich auf der Seite der Hamas stellt und nun genau so ist wie die Leute, die damals in der Sowjetunion ihre Eltern verfolgten, habe ich keine Lust, sie hierzu promoten. 


Montag, 26. Dezember 2016

FILMKRITIK: Pulgasari (Nordkorea/Japan 1985) (6/10)

Alternative Titel: Burugasari, 불가사리,  プルガサリ

Regie: Shin Sang-ok, Chong Gon-jo
Produktion: Kim Jong-il
Drehbuch: Kim Se-ryun
Musik: Jong Gon-so
Darsteller: Jang Sun-hee, Ham Gi-sop, Ri Jong-uk, Ri Gwon, Yu Gwong-ae, Pak Yong-hok, Ri Riyonun, Pak Pong-ilk und Satsuma Kenpachiro

Handlung:
Im Korea des Mittelalters regiert ein tyrannischer König (Pak Yong-hok) über das Land, und der die hungernden Bauern das Leben zur Hölle macht. Ami (Jang Sun-hee) lebt mit ihrem Vater, den Schmied Takse (Ri Gwon) in einem Dorf wo sich einige Bewohner - darunter ihr Verlobter Inde (Ham Gi-sop) - sich den Widerstand in den Bergen angeschlossen haben. Als Takse verhaftet und zu Tode hungert, macht er in seinem letzten Atemzug eine Lehmfigur. Als Ami eines Abend näht, sticht sie sich dem Finger und ihr Blut tropft auf die Figur - die daraufhin zum Leben erweckt wird. Sie und ihr Bruder Ana (Ri Jong-uk) nennen es Pulgasari, und es wird grösser und grösser, je mehr Eisen es frisst. Zusammen mit den Rebellen in den Bergen stürzen sie zuerst den Gouverneur (Pak Pong-ilk), und kommen so dem Sturz des Königs näher....

Review:
"Pulgasari" ist wirklich einer der seltsamsten Filme, die ich je gesehen habe. Aber noch bizarrer als der Film selbst ist die Vorgeschichte, die 1978 damit anfängt, dass Kim Jong-il den südkoreanischen Regisseur Shin Sang-ok und dessen Ex-Frau, die Schauspielerin Choi Eun-hee, von Hongkong aus entführen lässt. Im Laufe der 80er Jahre dreht Shin Sang-ok mehrere Filme für Kim, wobei die meisten propagandistischer Natur sind, jedoch von besserer Qualität sind als die Filme vor der Entführung. Der erfolgreichste war wohl "Sarang Sarang nae Sarang", eine Musical-Version des koreanischen Volksmärchen um Chunhyang, das wohl der erste reinste Unterhaltungsfilm in der Geschichte Nordkoreas war - der auch den ersten verhüllten Kuss zeigte.

"Pulgasari" ist jedoch der Film, der wohl am bekanntesten ist aus dieser Zeit. Gedreht wurde neben Nordkorea selbst auch in den Toho Studios in Japan und in der Verbotenen Stadt in Peking. Die Kostüme der Darsteller sind auch sehr gut gelungen, und Pulgasari selbst wirkt etwas befremdlich im ganzen. Gespielt wurde das Monster von Satsuma Kenpachiro, der Godzilla mehrere Jahre spielte. Die Handlung basiert auf ein koreanisches Volksmärchen, wobei hier der Widerstand gegen den Imperialismus oder dem Kapitalismus symbolisieren soll.

Das Schauspiel des Films ist jedenfalls grauenhaft, und ist oft unfreiwillig komisch, und es ist oft nur theatralisches Geheule. Die Hauptdarstellerin hier ist Jang Sun-hee, die in der ersten Hälfte des Filmes meistens nur herumheult und Pulgasaris Namen ruft. Dann ist da noch Pak Yong-hok, der als König meistens nur böse herumlacht. Es muss allerdings gesagt werden, dass Jang Sun-hee tatsächlich schauspielern kann, wie sie im selben Jahr im gleichfalls von Shin Sang-ok gedrehten "Sarang Sarang nae Sarang" bewies. Wobei ihr Schauspiel in den letzten 20 Minuten des Film plötzlich ernst wird. Und nun kommen wir zu dem tiefen Sinn des Films.

Es ist offensichtlich, dass der König im Film eine Allegorie auf Kim Il-sung ist - Pulgasari selbst ist aber auch eine Allegorie auf ihm. So hilft Pulgasari den Rebellen und den einfachen Leuten, den bösen König zu stürzen und zu vernichten - nur um dann kurz darauf das Leben der Menschen zur Hölle zu machen. In den letzten Screenshots habe ich auch die Untertitel mitgenommen, die es zeigen. Bemerkt auch den Ernst im Gesicht von Jang Sun-hee.

Kurz nachdem der Film raus gekommen war, flüchteten Shin Sang-ok und Choi Eun-hee in Wien in die US Botschaft, und kehrten kurz darauf nach Südkorea zurück. Ihre Karrieren konnten sich nie von den Jahren in Nordkorea erholen.

PS - in einer Szene in den Bergen essen die Rebellen Baumrinde. 10 Jahre später, nachdem der Film raus kam, wurde Nordkorea von einer riesigen Hungersnot geplagt, die dafür sorgte, dass die einfachen Leute vom Land Baumrinde und Grass kochten um zu überleben.

Screenshots:

Der Frühling wird wärmer...

  Am Krankenhaus in Næstved, April 2014 - das war eines der letzten kalten Frühlingstage 2014  So, jetzt ist es schon fast mehr als zwei Woc...